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Schadflächen im Frankenwald – Herausforderung in neuer Dimension
von Anne Meinhold und Axel Göttlein

Freifläche mit Grasbewuchs vor einem WaldrandZoombild vorhanden

Abb. 1: Fläche mit starker Vergrasung im Frankenwald (© A. Meinhold, TUM)

Borkenkäferkalamitäten verursachten im Frankenwald seit 2020 mehrere tausend Hektar Schadflächen. Im Rahmen des Projekts »Notfallmischung Frankenwald« wurden diese Schadflächen mittels eines geografischen Informationssystems hinsichtlich ihrer Größe, Exposition und verschiedener Bodenparameter eingeordnet. Diese Klassifizierung soll dabei helfen, die betroffenen Flächen näher zu charakterisieren, um ein standörtlich an­gepasstes Vorgehen bei der Bearbeitung der Schadflächen zu ermöglichen.

Die Wiederbewaldung der teils sehr großen Schadflächen, die insbesondere in Fichtenbeständen des Privatwalds entstanden sind, stellt eine große Herausforderung dar. Hinzu kommt, dass sich der Großteil dieser Flächen in Hanglagen befindet.

Auf Grundlage der Schadflächen-Klassifizierung testen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) derzeit eine »Notfallmischung« aus krautigen Pflanzen sowie Sträuchern und Bäumen mit Pioniercharakter, deren Aussaat per Lastendrohne einer Erosion und Vergrasung der Flächen entgegenwirken soll.

Situation im Frankenwald

Schadflächen sind auf einer Landkarte rot markiertZoombild vorhanden

Abb. 2: Karte der im Jahr 2021 entstandenen Schadflächen, erstellt aus der Luftbildaus-wertung der Befliegung im September 2021 (© LWF)

Allein im Jahr 2021 entstanden infolge der extremen Trockenjahre fast 3.000 ha Kahlflächen im bayerischen Teil des Frankenwalds (Wuchsgebiet 8.1) (Abbildung 2). Gründe dafür waren die anhaltende Trockenheit, ein sehr hoher Fichtenanteil in der Baumartenzusammensetzung und letztendlich großflächige Borkenkäferkalamitäten. Die Dimensionen einiger dadurch entstandener Schadflächen – teilweise mit einem Ausmaß von mehr als 20 ha – stellen in Mitteleuropa bisher eher die Ausnahme dar. Im Gebiet Frankenwald, Fichtelgebirge und Steinwald beträgt der Nadelbaumanteil 92 %, davon sind 83 % Fichte (Dritte Bundeswaldinventur 2012, BWI 3). Die Fichte ist jedoch die anfälligste Hauptbaumart in Bezug auf Wärme, Trockenheit und darauffolgenden Borkenkäferbefall.

Auf Kalamitätsflächen führen Mineralisierung des Humus sowie Erosion, ausgelöst durch Veränderung des bodennahen Klimas und fehlende Bodenvegetation, schnell zu hohen Nährstoffverlusten (Katzensteiner et al. 2016). Dies wirkt sich negativ auf die Standortseigenschaften aus.

Beispielsweise verschlechtern sich die Wasserspeicherfähigkeit der Böden und damit auch die Hochwasserschutzeigenschaften der Wälder, die gerade in den flachgründigen und steilen Einzugsgebieten des Frankenwaldes von besonderer Bedeutung sind. Auf größeren Schadflächen entwickeln sich rasch extreme Standortsverhältnisse, die das Aufkommen von Naturverjüngung hemmen und stattdessen innerhalb von ein bis zwei Jahren eine starke Vergrasung der Flächen befördern (Abbildung 1). Darüber hinaus führt das Fehlen der Waldvegetation zur Auswaschung wichtiger Nährstoffe im Boden. Im Frankenwald besonders problematisch sind die ohnehin nährstoffarmen Braunerden sowie die Flachgründigkeit der Böden.

Projekt »Notfall­mischung Frankenwald«

Die rasche Vergrasung von Kalamitätsflächen erfordert ein schnelles Handeln. Es werden dringend Methoden und Verfahren benötigt, die anfängliche Humus- und damit einhergehende Nährstoffverluste auf Katastrophenflächen verringern.

Im Projekt »Notfallmischung Frankenwald« testen Forschende der TUM die Ansamung von krautigen Pflanzen und Gehölzpflanzen mit Pioniercharakter, um betroffene Standorte wieder zu bewalden. Pioniervegetation kann einen Austrag von Nährstoffen durch Sickerwasser über mehrere Jahre hinweg verhindern und sichert so die Nährstoffversorgung für den aus Pflanzung oder Naturverjüngung hervorgehenden Nachfolgebestand (Kohlpaintner et al. 2014). Außerdem trägt sie zur schnellen Stabilisierung des freigelegten Bodens und damit zum Erosionsschutz bei.

Im Frühjahr 2022 säte man auf Kleinparzellen verschiedene krautige Pflanzen (z. B. Waldweidenröschen, Schafgarbe) und nicht verdämmende Gräser (z. B. Horst-Rotschwingel, Knäuelgras), um ihre Standortstauglichkeit und ihre Verwendungsmöglichkeiten für die Notfallmischung zu überprüfen. Im Herbst 2022 wird die für den Frankenwald optimierte Saatgutmischung auf verschiedenen Versuchsflächen ausgebracht. Sie besteht aus den genannten krautigen Pflanzen sowie aus Sträuchern (Hirschholunder) und Bäumen (Vogelbeere, Birke) mit Pioniercharakter. Um in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Fläche auch an Steilhängen besäen zu können, kommt eine spezielle Lastendrohne der Firma SkySeed mit angekoppeltem Abwurfmechanismus zum Einsatz. Einige der verwendeten Samen sind sehr klein (Waldweidenröschen) oder haben Flügelchen (Birke), weshalb sie für die direkte Ausbringung mit einer Drohne nicht geeignet sind. Eine spezielle Pelletierung verbessert hier die Handhabung dieser Samen.

Bei den Aussaatversuchen wird auch erprobt, ob mehrere, kleinräumig besäte und gefräste Streifen ausreichen, damit sich gewünschte Pionierpflanzen dort etablieren und als »Trittsteine« für deren weitere Ausbreitung dienen können. Der Grundgedanke dahinter ist, dass die gesäten Pflanzen die jeweiligen Standorte »belegen« und dadurch die Ausbreitung des verdämmend wirkenden Grases vermindern oder gar verhindern. Außerdem sollen die Pioniersträucher und -bäume möglichst schnell ein waldähnliches Klima schaffen, das die künstliche oder natürliche Verjüngung mit Schlusswaldbaumarten begünstigt.

Charakterisierung der Schadflächen

Die betroffenen Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten erfassten die Schadflächen systematisch und einheitlich im Rahmen einer Befliegung im September 2021 (Schmidt, 2022). Die Befliegung umfasste nur Teilbereiche der beiden Ämter und gibt den Stand zum Zeitpunkt der Befliegung wieder. Auf dieser Basis wurden die Schadflächen in dem hier beschriebenen Projekt standortskundlich klassifiziert, definiert und eingeordnet. Zur Charakterisierung dienten Faktoren wie die Größenverteilung, die Besitzstruktur, die Lage und die Bodenparameter nach dem bayerischen Standortinformationssystem (BaSIS).
Die Schadflächen wurden in folgende Größenklassen eingeteilt: Schadflächen < 1 ha (»Käferlöcher«), Schadflächen von 1–5 ha (»Kahlschläge«) und »Großkahlschläge« mit mehr als 5 ha (Burschel und Huss, 1987). Der Anzahl nach kommen die typischen Käferlöcher mit 2.127 Flächen am häufigsten vor (Abbildung 3). Allerdings nehmen die Großkahlschläge mit 1.061 ha und 40 % Anteil an den Schadflächen flächenmäßig den größten Umfang ein. 15 % der Flächen liegen sogar in der Größenordnung > 20 ha, die größte Schadfläche umfasst 64 ha.

Säulendiagramm zeigt Schadflächen

Abb. 3: Schadflächen nach Größenklassen nach Burschel und Huss (1987)

Verteilung der Besitzstrukturen

Mehr als die Hälfte der Waldflächen im Frankenwald ist Privatwald (54 %). 44 % der Waldfläche befinden sich im Besitz des Freistaates Bayern und 2 % der Waldfläche sind Körperschaftswald. Bei der Klassifizierung der Flächen verwendete man die Einteilung in Laub-, Misch- und Nadelwald nach den Daten des CORINE Land Cover (GeoBasis-DE / BKG, 2021). Aufgrund deren grober Auflösung wurden für die vorliegende Auswertung Laub- und Mischwald zusammengefasst, da nach der Kontrolle der hochauflösenden Luftbilder auch im Laubwald Nadelholzgruppen identifiziert werden konnten.
Den höchsten Nadelwaldanteil aller Besitzarten weist mit 88 % der Privatwald auf, den höchsten Laub- und Mischwaldanteil der Staatswald mit circa 30 % (Abbildung 4). Daher überrascht es nicht, dass der Schadflächenanteil im Privatwald mit 12 % insgesamt betrachtet am höchsten ist, während er im Staatswald mit 3 % deutlich geringer ausfällt. Bezogen auf die reinen Nadelwaldflächen stellt man ein ähnliches Ergebnis fest. Der Schadflächenanteil beträgt dort im Privatwald 13 %, im Staatswald 4 %.

Säulendiagramm zeigt Schadflächen unterteilt nach Besitzarten

Abb. 4: Im Privatwald ist der Schadflächenanteil am größten (© LWF)

Einteilung nach Lage und Exposition

Die Charakterisierung der Schadflächen hinsichtlich Exposition und Lage erfolgte durch Einteilung nach Hanglagen mit Nord- (Schatthang) oder Südausrichtung (Sonnhang) bzw. Plateau- und Tallagen (Hangneigung < 2 %). Ziel dieser Einteilung war, die am meisten betroffenen Lagen zu identifizieren und Rückschlüsse über deren potenzielle künftige Gefährdung abzuleiten. 89 % der Waldfläche (40.331 ha) liegen auf den Schatt- und Sonnhängen, 2 % (846 ha) auf den Plateaulagen und 0,3 % (114 ha) in den Tallagen. Der höchste Anteil an Schadflächen findet sich mit 9 % bei den Flächen in Plateaulagen (rund 77 ha), auf den süd- und nordexponierten Hängen beträgt der Schadflächenanteil jeweils 8 % (rund 3.228 ha).
Aufgrund der geringen Flächengrößen in den Plateau- und Tallagen finden sich dort keine Schadflächen in der Größenordnung der Großkahlschläge. Die Schadflächen auf den Plateaus sind zu 80 % Käferlöcher und zu 20 % Kahlschläge, in den Tälern sind Käferlöcher und Kahlschläge mit jeweils 50 % gleich verteilt. Die Großkahlschläge in Hanglagen machen 20 % auf den Süd- und 29 % auf den Nordhängen aus. Schadflächen in der Größenordnung der Kahlschläge sind mit 43 % auf Südhängen häufiger als auf Nordhängen mit 39 % Anteil.

Einteilung in Bodenparameter nach BaSIS

Zur weiteren Klassifizierung der Flächen wurde das bayerische Standortinformationssystem (BaSIS) einbezogen. In BaSIS sind verschiedene Bodenparameter wie die Basenausstattung, die Hauptbodenart, die Wasserhaushaltsstufen und der Stauwassereinfluss erfasst. Diese erlauben eine standortskundliche Einteilung der Schadflächen (Abbildung 5).

Die Böden im Wuchsgebiet 8.1 liegen vorwiegend in den Klassen »basenarm« bis »sehr basenarm«, dies gilt auch für den größten Teil der Schadflächen. Einen Schadensschwerpunkt bilden hierbei die tiefgründig basenarmen Standorte, die häufigste Hauptbodenart ist Lehm. Der größte Anteil an Schadflächen (49 %) befindet sich jedoch in der Klasse der tonigen Lehmböden.

Der Wasserhaushalt lässt sich auf dem Großteil der Flächen in den Bereich von »ziemlich frisch« bis »sehr frisch« einordnen. Trotz der vermeintlich guten Wasserversorgung halten die eher flachgründigen Böden nur eine begrenzte Menge an pflanzenverfügbarem Wasser, weshalb bei extremer Trockenheit Trockenstress auftreten kann. Bäume auf gut wasserversorgten Standorten sind nicht an Trockenheit angepasst, weshalb dort die Schadanteile größer sind als auf trockeneren Standorten, auf denen schon länger eine Anpassung erfolgt ist.

Der Einfluss von Stauwasser ist nur auf einem geringen Teil der Waldfläche vorhanden – dort ist jedoch in kleinflächiger Ausprägung ein überdurchschnittlicher Schadflächenanteil zu verzeichnen. Dies ist auf Wurzelzerreißungen bei tonhaltigen Böden zurückzuführen. Bei stark wechselfeuchten Böden tritt dieses Phänomen kaum auf, da hier die Staulage nicht durchwurzelt wird.

Abb. 5: Bodenparameter nach dem bayerischen Standortinformations-system (BaSIS) im Wuchsgebiet 8.1 mit den jeweiligen Stufen
Parameter Parameter Waldfläche [ha] Schadflächen [ha] Schadflächenanteil [%]
Basenausstattungsehr basenreich 129,33,0 2,3
basenreich4.917,7191,33,9
mittelbasisch 1.897,876,54,0
basenarm 13.681,2828,36,1
sehr basenarm 26.787,82.210,58,3
HauptbodenartTon78,76,68,3
toniger Lehm73,035,448,6
Schluff2.496,484,5 3,4
Lehm36.642,52.833,77,7
sandiger Lehm3.230,1112,9 3,5
lehmiger Sand4.796,1 235,94,9
Sand8,6 0,56,1
Wasserhaushaltsehr frisch 27.789,01918,16,9
frisch13.657,6975,87,1
ziemlich frisch4.498,5370,48,2
mäßig frisch668,7 25,83,9
mäßig trocken497,811,42,3
trocken208,53,71,8
sehr trocken40,4 0,61,6
Stauwasserohne Stauwassereinfluss44.438,62973,46,7
kleinflächig möglich3906,0313,18,0
mäßiger Einfluss (Teilfläche)116,010,49,0
mäßiger Einfluss (flächig) 145,45,53,8
starker Einfluss (flächig) 161,98,04,9

Fazit

Die Schadensschwerpunkte im Frankenwald befinden sich vor allem im Privatwald und an südlich exponierten Sonnhängen. Eine Besonderheit stellen die flachgründigen steilen Einzugsgebiete dar, weshalb die Bäume trotz einer grundsätzlich guten Wasserversorgung an der seit 2020 herrschenden Trockenheit leiden. Der Grund für dieses hohe Ausmaß an Schadflächen ist der historisch bedingte sehr hohe Anteil an reinem Nadelwald, in dem die Fichte flächendeckend als Hauptbaumart vorkommt und sich Borkenkäferkalamitäten rasant ausbreiten.

Zusammenfassung

Im Frankenwald ließen großflächige Borkenkäferkalamitäten in den letzten Jahren über 3.000 ha Kahlflächen entstehen. Diese Flächen wurden im Rahmen des Projekts »Notfallmischung Frankenwald« hinsichtlich verschiedener Parameter (z. B. Größe, Exposition, Besitzstruktur, Standortdaten) charakterisiert. Ziel des Projekts ist es, eine standortangepasste Mischung aus Samen geeigneter Pflanzen zu erstellen. Deren Aussaat soll einer Standortsdegradation der Kahlflächen entgegenwirken. Zudem wird erwartet, dass die entstehenden vorwaldartigen Strukturen die Verjüngung auf den extremen Standorten fördern.

Projekt
Das Projekt »Notfallmischung Frankenwald (klifW019)« (Laufzeit: 01.01.22 - 31.12.22) wird vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung Landwirtschaft und Forsten finanziert. Dank geht an die LWF für die Bereitstellung der Luftbilder sowie an die Mitarbeiter des AELF Coburg-Kulmbach und des TUM-Fachgebiets für Waldernährung und Wasserhaushalt, die die über 2.900 Schadflächen-Polygone händisch digitalisiert und aufgenommen haben.

Literatur

Beitrag zum Ausdrucken

Weiterführende Informationen

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