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Simone Kutscher
Ausbreitung der Edelkastanie durch Eichelhäher – LWF Wissen 81

EdelkastanieZoombild vorhanden

Abb. 1: Edelkastanie (Foto: Chr. Hübner, LWF)

Saldenburg ist ein kleiner Ort im niederbayerischen Landkreis Freyung-Grafenau. Spontan würde man die Edelkastanie nicht mit Niederbayern bzw. dem Bayerischen Wald in Verbindung bringen. Aber dank eines "Liebesbeweises" vor gut 100 Jahren wurden zwei Edelkastanien auf einem Gutshof in Saldenburg gepflanzt. Seitdem gibt es in und um den Ort diese nicht-heimische Baumart (Abbildung 1).
LandkarteZoombild vorhanden

Abb. 2: Fundorte der Edelkastanien-Verjüngung (Karte: S. Kutscher)

Inwieweit der Eichelhäher die Ausbreitung der Edelkastanie im Raum Saldenburg begünstigt, ist die Fragestellung meiner Bachelorarbeit, welcher ich im Rahmen des LWF-Projekts C29 "Untersuchung zu Vorkommen, Genetik und Anbaueignung der Edelkastanie in Süddeutschland unter der Berücksichtigung von waldbaulichen und waldschutzrelevanten Aspekten" nachgehe. Um die Frage nach dem Eichelhäher-Einfluss zu beantworten, wurde im Juli und August 2017 ein ca. 250 ha großes Gebiet um Saldenburg intensiv untersucht. An sämtlichen Wegen (Forstwege, Wanderwege, Straßen im Ort) wurde im Abstand von etwa 20 m der Waldbestand in einer Tiefe von mindestens 10 m nach Edelkastanien abgesucht. Dabei wurden insgesamt 205 Edelkastanien gefunden (Abbildung 2 und 3). Der weiteste Fundpunkt ist 812 m von der Ursprungskastanie am Gutshof entfernt.
Eine KarteZoombild vorhanden

Abb. 3: Lokales Etablierungsmuster der Häher- Kastanien (Karte: S. Kutscher)

Aufgrund der weiträumigen Verteilung der Kastanien war eine Verwandtschaftsanalyse in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Amt für forstliche Saat- und Pflanzenzucht (ASP) von großem Interesse. 37 Edelkastanien beprobte man für die genetische Analyse, darunter eine noch verbliebene Ursprungskastanie sowie neun weitere mannbare Kastanien, die Früchte für die Ausbreitung bereitstellen konnten. Die Ergebnisse sind eindeutig: Bei 10 noch nicht mannbaren und bei 8 mannbaren Bäumen wird die Ursprungsedelkastanie auf dem Gutsgelände als Mutterbaum angezeigt. Bei den übrigen 17 noch nicht mannbaren, beprobten Bäumen werden die neun anderen fruktifizierenden Edelkastanien als Mutterbäume identifiziert. Lediglich bei einer mannbaren Edelkastanie konnte kein Mutterbaum ermittelt werden, dieser könnte vor rund 40 bis 50 Jahren gepflanzt worden sein.
VerjüngungsflächeZoombild vorhanden

Abb. 4: Edelkastanienverjüngung (Foto: S. Kutscher)

Neben dieser Verwandtschaftsbeziehung weist auch das Etablierungsmuster auf die Ausbreitung durch den Eichelhäher hin. Der Rabenvogel ist ein "Scatterhoarder", d. h. er versteckt seine Nahrung in zahlreichen, großflächig über ein Areal verteilten Verstecken und besucht diese nur ein einziges Mal. Dieses Verhaltensmuster schützt seine Beute zwar gegenüber Fressfeinden, jedoch werden nicht alle Früchte von ihm wiedergefunden. Die bei der Aufnahme erfassten Edelkastanien befinden sich vor allem an Wegen, im Bestandesinneren (dort an Übergängen der Wuchsklassen) oder an markanten Altbäumen (Abbildung 4). 75 % der Fundpunkte liegen an Kombinationen von solchen örtlichen Gegebenheiten, z. B. an einem Weg und einem markanten Altbaum. Diese örtlichen Strukturen dienen dem Eichelhäher womöglich als Hilfe beim Wiederauffinden versteckter Kastanien.

Was die Annahme der Hähersaat verstärkt, sind die Beobachtungen des dortigen Revierförsters Herrn Matschke, des Gutsbesitzers Herrn von Stillfried sowie meine eigenen. Die Häher sind ganzjährig aktiv, holen sich die fruchttragenden Edelkastanien zum Zeitpunkt der Reife und verstecken ihre Beute. Auch die umfangreichen Erkenntnisse der Untersuchung bestätigen die Annahme, dass der Eichelhäher für die Ausbreitung der Edelkastanie verantwortlich ist.

Eichelhäher-Steckbrief

Ein EichelhäherZoombild vorhanden

Abb. 5: Eichelhäher (Foto: S. Kutscher)

Im Volksmund wird der Eichelhäher (Abbildung 5) auch "Wächter des Waldes" und "Eichensäer" genannt. Der Grund hierfür sind zum einen seine weithin hörbaren Warnrufe, wenn "Eindringlinge" in der Nähe sind, zum anderen seine Eigenheit, Baumsamen in Verstecken zu deponieren – die er dann teilweise vergisst. Obwohl der Eichelhäher ein vielseitiger Allesfresser ist, besteht seine Nahrung überwiegend aus Eicheln. Nur in Jahren, in denen die Eichen wenige Eicheln tragen, werden auch vermehrt Haselnüsse, Bucheckern oder andere Baumsamen genutzt, so auch die Edelkastanie. In Bayern ist der zur Familie der Rabenvögel zählende Vogel weit verbreitet. Sein Bestand wird auf 100.000 bis 300.000 Brutpaare geschätzt.

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Autorin

  • Simone Kutscher