Fichtenaltholz mit Buchenvoranbau

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Günter Biermayer und Stefan Tretter
Wie viel Fichte geht noch im Klimawandel? - LWF-aktuell 108

Durch den Klimawandel wird in größeren Bereichen Bayerns auch auf gut wasserversorgten und wuchskräftigen Standorten, auf denen die Fichte heute noch gut gedeiht und sich entsprechend verjüngt, der Anbau sehr riskant werden. Hier kann aber für einen Übergangszeitraum noch eine erfolgreiche Wirtschaft mit der Fichte möglich sein. Das vorgeschlagene Pflegemodell nutzt diese Ausgangslage optimal und kann gleichzeitig die Basis für die Begründung standortgerechter Nachfolgebestände schaffen.

Der Waldbau mit der Fichte erscheint vielen bayerischen Waldbesitzern einfach und ertragreich. Die Risiken fichtenreicher Bestände, die sich in einem im langjährigen Mittel deutlich höheren Anteil an Zwangsanfall beim Holzeinschlag (vor allem durch Sturm und Borkenkäfer) ausdrücken, werden sehr oft ausgeblendet. Dies ist im Klimawandel besonders ungünstig, da die veränderten Wuchsbedingungen das örtliche Erfahrungswissen als Entscheidungsgrundlage entwerten.

Ausgangslage

Junger Fichtenbestand in dem gefällt Bäume liegen.Zoombild vorhanden

Abbildung 1: Waldbestände mit führender Fichte können auf gut
wasserversorgten Standorten bei entsprechender Pflege für eine Übergangszeit eine forstwirtschaftlich tragbare Option sein. Foto: J. Böhm

Die Verbreitung der Fichte im Naturwald Bayerns war nicht vor allem durch ihre physiologischen Grenzen, sondern durch den Wettbewerb mit der Buche geprägt. Diese buchenreichen Wälder hat der Mensch mit seiner intensiven Nutzung im Flach- und Hügelland seit dem Mittelalter stark verändert, zunächst durch die Mittelwaldwirtschaft in Richtung Eichenmischwald, später vor allem in der Oberpfalz und in Franken in Richtung Kiefer, schließlich beim Wiederaufbau der Wälder im 19. Jahrhundert und mit den Waldbaukonzepten der beiden Nachkriegsjahrzehnte im 20. Jahrhundert in Richtung Fichte.

Fichtenreiche Bestände wurden so in weiten Landesteilen waldprägend. Ausgerichtet am Motto »Soviel Laubholz wie nötig, soviel Nadelholz wie möglich«, hat in der Vergangenheit die bayerische Forstwirtschaft die klimatischen und standörtlichen Möglichkeiten der Fichte oft bis an ihre biologischen Grenzen ausgereizt.

An diesen Grenzen ist seit mehr als zehn Jahren unbestreitbar, dass der Klimawandel kein Szenario für die Zukunft ist, sondern regelmäßig erfahrbare Realität. Die warmen Jahre häufen sich und selbst gefühlt »schlechte Sommer« sind im Vergleich der letzten Jahrzehnte noch überdurchschnittlich warm.
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Risikofaktoren der Fichtenwirtschaft
Bisherige Standortseinschätzung

Schlussfolgerungen für ein Beratungskonzept

Bei dieser Ausgangslage müssen waldbauliche Empfehlungen so ausgestaltet sein, dass die Berater nicht in die Rolle der Kassandra geraten, die zwar schlussendlich sicher recht hat, aber die jetzt trotzdem niemand hören will. Ohne den akuten Handlungsbedarf beim Waldumbau zu verdrängen oder notwendige Investitionen aufzuschieben, soll daher ein Vorgehen vorgeschlagen werden, wie mit dem dargestellten Dilemma umgegangen werden kann.

Die Überlegungen gehen von einer »Übersetzung« des Baumartenrisikos in ein Borkenkäferrisiko aus. Das örtliche Anbaurisiko nach dem in Bayern entwickelten Standortinformationssystem BaSIS wird nämlich als maßgeblicher Faktor für das Überleben von Fichtenbeständen vom Risiko für Borkenkäferbefall geprägt. In Abbildung 4 ist deshalb gutachtlich das BaSIS-Anbaurisiko in eine Einschätzung des Borkenkäferrisikos für unterschiedliche Fichten-Anteile übersetzt. Auf den wärmeren Standorten setzt nach langer Erfahrung der Borkenkäferbefall die Grenzen für das Überleben von Fichtenbeständen.
Übersicht der Risiken für die Fichte in verschiedenen Bestandesformen

Überleben und Wuchsleistung

Liniendiagramm zum Zuwachsverlauf von Fichtenbeständen. Je mehr das Anbaurisiko steigt, desto niedriger ist der Höhenzuwachs.Zoombild vorhanden

Abbildung 5: Zuwachsverlauf von Fichten-Beständen auf gut
nährstoff- und wasserversorgten Standorten bei unterschiedlichem
klimatischen Anbaurisiko

Der Zusammenhang zwischen Wuchsleistung (ausgedrückt durch die Oberhöhe in einem bestimmten Alter) und dem Anbaurisiko der Fichte auf gut durchwurzelbaren, speicherfrischen und normal nährstoffversorgten Standorten ist in Abbildung 5 modellhaft dargestellt. Jüngere Fichtenbestände wachsen bei guter Wasser- und normaler Nährstoffversorgung unter den wärmeren Bedingungen am besten, lassen ab dem Alter 45–50 aber im Höhenzuwachs gegenüber den kühl-feuchten Landschaften mit anhaltend hohem Zuwachs (vgl. Ertragstafel Assmann und Franz 1963) deutlich nach.

Solange auf guten Standorten ausreichende Sommerniederschläge die Wasserversorgung sicheren, hat die Erwärmung bisher den Fichtenzuwachs im Dickungs- und Stangenholzalter nicht beeinträchtigt, sondern oft sogar gefördert. Niemand sollte sich allerdings der Illusion hingeben, dass auch bei weiter fortschreitendem Klimawandel die heutigen Jungbestände als Altbestände noch so gedeihen werden wie die heutigen Altbestände. Andererseits läuft auf großen Flächen in vielen Landschaften die Fichten-Naturverjüngung mit hoher Potenz.

Konsequenzen

Nicht nur bei der Baumartenwahl, sondern auch bei der Jugendpflege, Durchforstung und der Ernte des reifen Holzes stehen deshalb viele Waldbesitzer in Bayern vor der Entscheidung, welcher Weg in ihren Fichtenbeständen der richtige ist. Die bisher hohe Wuchs- und Wertleistung ist schon auf mittlere Sicht stark gefährdet.

In der Forstwirtschaft wird die Entscheidung bei der Baumartenwahl – wie bei allen wirtschaftlichen Investitionsentscheidungen sinnvoll – nicht allein nach Gesichtspunkten der Risikominimierung, sondern in einer Abwägung von Risiken und Chancen getroffen. Dabei ist es wichtig, nicht nur die Risikoeinschätzung für das Jahr 2100, sondern auch für 2050 im Auge zu behalten.
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Vitalisierung von Fichtenbeständen durch Pflege und Durchforstung

Bei eher knappen Niederschlagsmengen kann der Anteil der Niederschläge, der den Boden erreicht, weil er nicht bereits im Kronenraum zurückgehalten wird, durch Verringerung von Überdichten in den fichtenreichen Beständen um ungefähr 100mm pro Jahr erhöht werden. Waldbauliche Maßnahmen sollten deshalb auch auf die Vermeidung von Trockenstress ausgerichtet sein.

Dies beginnt nicht erst bei der Durchforstung, sondern bereits beim Umgang mit der in der Regel sehr dicht im Gleichschluss aufwachsenden Fichtennaturverjüngung. Zielgerichtete frühe Auflockerung und vor allem das Begünstigen der Mischbaumarten verbessert die Vitalität der jungen Bäumchen und erhöht die spätere Wertleistung in der relativ kurzen zur Verfügung stehenden Zeit sehr deutlich. Stammzahlreduktion im bis zu mannshohen Stadium ist dafür weit wirksamer als auskesseln.
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Fichten-Pflegemodell

Grenzen

Standorte, für die BaSIS bei der Fichte schon heute oder für 2050 ein hohes oder sehr hohes Risiko ausweist, sind für ein solches Vorgehen nicht mehr geeignet. Auf diesen weniger guten Standorten ist damit zu rechnen, dass bei entsprechender Jahreswitterung – ähnlich wie in Westmittelfranken ab Mitte des vorigen Jahrzehnts erlebt – Fichtenbestände schon ab so frühem Alter dem Borkenkäfer zum Opfer fallen, dass wirtschaftlich interessante Dimensionen nicht mehr regelmäßig erreicht werden können.

Eine solche »Fichten-Wirtschaft« rechnet sich nicht. Undifferenziertes Handeln über Bayern hinweg nach dem Motto »Einmal Fichte geht schon noch« wäre deshalb ein schwerer fachlicher Kunstfehler. Planmäßige Forstwirtschaft sollte deshalb mit waldbaulichen Mitteln das Entstehen fichtenreicher Nachfolgebestockungen auf schon jetzt oder sehr bald nicht mehr fichtentauglichen Standorten vorsorglich unbedingt verhindern. Hier sollte die Fichte tatsächlich ab sofort nur noch als Mischbaumart und nicht mehr führend sein.

Notwendige Maßnahmen sind dazu vor allem frühzeitige standortgerechte Vorausverjüngung von Schattbaumarten unter Schirm mit hohen Anteilen und rechtzeitige räumlich geordnete Abnutzung der Altbestände und gegebenenfalls Pflanzung von Lichtbaumarten. Die dafür notwendigen Investitionen mit dem Ziel klimagerechter Misch- und Laubholzbestände werden glücklicherweise durch die waldbauliche Förderung großzügig unterstützt. Sie sind die Voraussetzung dafür, dass die nachfolgende Bewirtschaftergeneration alle Optionen für natürliche Verjüngung standortgerechter Mischbestände als Schlüssel für rationelle Forstwirtschaft hat.

Forstliche Wirtschafter müssen allein wegen der langen zeitlichen Perspektive Optimisten sein. Wir sollten allerdings keinen zukunftsblinden Berufsoptimismus pflegen, sondern unserer Verantwortung beim Handeln genauso wie beim Unterlassen gerecht werden.

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