Rudolf Seitz und Christian Straub
Grenzenlose Möglichkeiten? – LWF aktuell 115
Die Folgen des Klimawandels, Sturmwurfereignisse im Wald, Borkenkäferkalamitäten, aber auch der Bedarf an großräumigen Baumartenkarten oder die Übertragung der Ergebnisse aus terrestrischen Stichprobeninventuren in die Flache: Noch nie zuvor boten sich der forstlichen Fernerkundung angesichts solch herausfordernder Themenfelder und Anforderungen derartige Einsatzmöglichkeiten und Chancen. Niemals zuvor konnte hierfür ein vergleichbarer Pool an Daten und Methoden genutzt werden.
Das Fundament der heutigen Fernerkundungsaktivitäten an der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) reicht viele Jahre zurück. Vor allem die Forschungsaktivitäten von Prof. em. Dr. Ulrich Ammer an der LMU in München und zuletzt an der TUM in Freising sowie die meist luftbildbasierten Fernerkundungsanwendungen der ehemaligen Bayerischen Forschungs- und Versuchsanstalt legten wertvolle Grundsteine für unsere heutigen Aktivitäten.
Mühsam und mit großem finanziellen Aufwand interpretierte man noch vor zehn Jahren analoge Luftbilder an teuren und unbequemen Spezialarbeitsplätzen, klassifizierte langwierig die wenigen und selten problemlos verfügbaren Satellitenszenen unter Verwendung damals sehr teurer Spezialsoftware und freute sich über die ersten Möglichkeiten, Karten großformatig plotten und Berichte auf dem PC leicht korrigierbar verfassen zu können.
Was hat sich in den letzten Jahren verändert?

Abb. 1: Zwei Sentinel-2 Satelliten scannen kontinuierlich in einem 290 km breiten Streifen die Erde. (Copyright: ESA/ATG medialab)
Die Wiederholungsrate der amtlichen Bayernbefliegung beträgt nunmehr zwei Jahre. Die resultierenden Daten weisen mittlerweile eine so hohe Überlappung auf, dass die Anfertigung sog. »True-Orthophotos« möglich wird, auf denen Objekte (z. B. Bäume) lagerichtig abgebildet werden, d.h. das Verkippen hoher Objekte tritt darin nicht mehr auf (LDBV 2017a).
Einen Sonderfall der Datenerfassung aus der Luft stellen sogenannte Hyperspektral-Kameras dar, die den relevanten Spektralbereich in einer Vielzahl schmaler Spektralbänder abbilden können. Der Artikel von Immitzer et al. in dieser Ausgabe beleuchtet das Potenzial dieser Datenquelle für Vitalitätsfragestellungen von Wäldern.
Woran arbeiten wir momentan?

Abb. 2: Befliegung (Fotos: C. Straub (Luftbild); camerawithlegs, fotolia.com (Flugzeug); C. Hopf (Bildmontage))
Das Forstliche Krisen-Informationssystem (FKIS), das in einem Forschungsverbund mit mehreren renommierten Partnern in Bayern und Österreich entwickelt wurde, greift beispielsweise zur Erfassung großräumiger Sturmschäden auf Satellitendaten zurück. Die Anzahl der für Bayern verfügbaren Szenen steigt dabei ständig. Theoretisch können somit, bei entsprechenden wolkenfreien Witterungsbedingungen im Anschluss an ein Sturmereignis, bereits nach wenigen Tagen Aussagen über Schäden ab einer Mindestflächengröße von momentan rund 0,5 ha an die Praktiker und Entscheider geliefert werden.
Das Luftbild, ein wesentliches Arbeitsmittel für die Fernerkundungsarbeiten an der LWF, erlebte in den letzten Jahren eine Renaissance: Seit 2009 werden die Luftbilder der Bayernbefliegung digital erfasst (LDBV 2017c). Mit ihren vier Spektralbändern und mit einer Bodenauflösung von 20 cm sind die digitalen Luftbilder für zahlreiche Einsatzzwecke geeignet.
Was wird uns zukünftig beschäftigen?

Abb. 3: Visuelle stereoskopische Luftbildinterpretation (Foto: R. Seitz)
Während der Luftbildinterpret mit entsprechenden Interpretationsschlüsseln eine Vielzahl an Baumarten stereoskopisch erkennen kann, ist es eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, diese Ansprachen in ähnlicher Genauigkeit von Algorithmen automatisiert durchführen zu lassen. Hierfür werden die baumartenspezifische Reflexion und Struktur in den DOPs herangezogen. Die möglichst präzise Ansprache der Baumart stellt die Grundlage jeder Vitalitätsansprache dar.
Während unter Laborbedingungen die Reaktion von Waldbäumen auf einen Rückgang der Vitalität weitgehend bekannt ist, stellt die automatisierte Erfassung dieser Phänomene vor Ort nach wie vor eine große Herausforderung dar.
Zusammenfassung
Die forstliche Fernerkundung ist zu einer festen Größe im Rahmen der forstlichen Wissenschaft und Praxis geworden. Steigenden Anforderungen an die Sensoren und die Bereitstellung von Daten und Ergebnissen vor Ort stehen rasch ansteigende Datenmengen, immer leistungsfähigere Möglichkeiten der Datenprozessierung sowie der Ausbau mobiler Datenbereitstellungswege gegenüber. Die Hauptthemenfelder der Zukunft liegen aus Sicht der Autoren in den Bereichen Baumartenerkennung, Vitalitätserfassung und Veränderungsanalyse.