Kurt Amereller
Nährstoffschonende Biomassenutzung - LWF-aktuell 108

Die Forstwirtschaft in Deutschland ist seit gut 300 Jahren dem Grundsatz der Nachhaltigkeit verpflichtet. Dabei hat dieser Begriff einen Bedeutungswandel erfahren von der reinen (Holz-)Vorratsnachhaltigkeit hin zu einer dauerhaften Lieferung aller Leistungen des Waldes. Ein gesunder Waldboden ist die essenzielle Grundlage für eine Forstwirtschaft im Sinne dieser umfassenden Nachhaltigkeit. Die gesteigerte Nutzung von Kronenbiomasse zur energetischen Verwendung stellt Wissenschaft, Politik und Praxis vor neue Herausforderungen.

Historische Fotografie: Ältere Dame recht Nadelstreu im BestandZoombild vorhanden

Abbildung 1: Die historische Streunutzung führte zu erheblichem Nährstoffentzug. Foto: GeoPark Kaolinrevier Hirschau- Schnaittenbach

Ein gesunder Waldboden ist im eigentlichen Wortsinn die unverzichtbare Basis jeder nachhaltigen Waldbewirtschaftung. Die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit ist daher eines der großen Postulate im Glaubensbekenntnis der Forstwirtschaft. Es hat folgerichtig seinen Niederschlag in der Forstgesetzgebung gefunden, noch bevor eine explizite Bodenschutzgesetzgebung den Boden zum eigenständigen Schutzobjekt machte.

So nennt das Bundeswaldgesetz (BWaldG) als Gesetzeszweck, insbesondere die Bodenfruchtbarkeit zu erhalten. Und das Waldgesetz für Bayern (BayWaldG) verbietet jede Handlung, welche die Produktionskraft des Waldbodens vernichtet oder wesentlich schwächt. Im Rahmen der Verpflichtung zur sachgemäßen Waldbewirtschaftung ist insbesondere der Waldboden pfleglich zu behandeln.

Biomasse – das neue Waldprodukt

Neben dem Aspekt physikalischer Bodenschädigungen als Thema der Forsttechnik ist es vor allem die Frage des Nährstoffhaushalts, die erhöhte Aufmerksamkeit der Forstwirtschaft erfordert. Während die Forstwirtschaft auf äußere Einflüsse auf den Nährstoffhaushalt (vor allem Stoffeinträge) nur reagieren kann, hat sie bei nutzungsbedingten Nährstoffentzügen eine hohe Eigenverantwortung. Schon Justus von Liebig (1803–1873) betonte 1855, dass (jede) Ernte dem Boden »die ganze Quantität der Bodenbestandtheile« entziehe und dass der Boden nach der Ernte nicht mehr der gleiche sei.

Nun ist Forstwirtschaft ohne Holzernte nicht denkbar, Holznutzung ist der Forstwirtschaft immanent. Die Frage ist aber, welche Art der Nutzung auf Dauer bodenverträglich ist. Die zum Teil gravierenden Folgen der Streunutzung haben gezeigt, wohin eine über die nachschaffende Kraft des Bodens hinausgehende Nutzung mit intensivem Nährstoffexport führen kann.

Aus diesen Erfahrungen hat die Forstwirtschaft gelernt. In den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts beschränkte sich die forstliche Nutzung im Wesentlichen auf Derbholz. Seit einigen Jahren sieht sich die Forstwirtschaft jedoch einem Anstieg der Nutzung von Holzsortimenten gegenüber, die bis dahin weitgehend ungenutzt im Wald verblieben sind. Insbesondere die Nutzung der Baumkronen für eine energetische Verwendung hat seit etwa der Jahrtausendwende einen rasanten Anstieg erlebt.

Bereitstellung und Verwendung im Aufwind

Dieser Anstieg wird von Forstpraktikern durchgehend wahrgenommen und berichtet. Er lässt sich aufgrund schwieriger Erfassung und zum Teil veränderter Buchungsgepflogenheiten in den Forstbetrieben für weiter zurückliegende Zeiträume statistisch nur schwer nachvollziehen. Allein aber in den letzten zehn Jahren verzeichnet die Nutzung von Wald-Biomasse für energetische Nutzung – obwohl bereits auf hohem Niveau – weiterhin deutliche Steigerungsraten. So stieg der Anteil Energieholz am Einschlag von 21% im Jahr 2006 (Schulmeyer et al. 2012) auf 36% im Jahr 2012, was insgesamt einem Holzvolumen von 5,5 Millionen Erntefestmeter ohne Rinde (Efm o.R.) entspricht. Davon gehen bei nach wie vor hohem Scheitholzanteil zunehmende Mengen in die Hackschnitzelverwertung (Gaggermeier et al. 2014).
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Gründe für den Anstieg

Zwei wesentliche Gründe haben zu diesem Anstieg geführt, der sich insbesondere seit der Jahrtausendwende stark beschleunigt hat: Die politische und finanzielle Förderung der erneuerbaren Energien und der Anstieg der Ölpreise.

So lag die Grundvergütung für die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien in das öffentliche Netz zum Zeitpunkt des deutschen Stromeinspeisungsgesetzes (StromEinspG) vom 7. Dezember 1990 noch bei umgerechnet 5,95 ct/kWh. Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) von 2012 stieg sie auf bis zu 14,3 ct/kWh. Das Gesetz zur Förderung Erneuerbarer Energien im Wärmebereich (EEWärmeG 2008) brachte mit seiner Verpflichtung zum Einbau von erneuerbaren Energiequellen in Neubauten zusätzliche Impulse für den Energieholzverbrauch. Marktanreizprogramme haben allein in den Jahren 2011 und 2012 den Neubau von mindestens 330 Biomasseheizwerken initiiert (Kohberg 2013, zit. nach Gaggermeier et al. 2014).

Parallel dazu stieg der Ölpreis für ein Barrel Rohöl von 17,10 US-Dollar am 19. November 2001 über verschiedene Hoch- und Tiefstände auf 128,38 US-Dollar für die Ölsorte Brent am 1. März 2012. Der Preis für den wichtigsten fossilen Energieträger hat sich somit in diesem Zeitraum versiebenfacht (IWF 2008 und 2013). Beide Strömungen bewirkten für die Waldbesitzer einen lukrativen Markt und ein neues Produkt aus bisher weitgehend ungenutzter Biomasse.

Bewertung der gesteigerten Biomassenutzung

Auch wenn derzeit der Ölpreis zum Beispiel durch die Erschließung neuer Vorkommen unter Druck ist, wird sich langfristig an einer Verknappung und Preissteigerung fossiler Energieträger wenig ändern. Die Nutzung und Bereitstellung von Wald- bzw. Kronenbiomasse wird also für den Waldbesitzer weiterhin attraktiv bleiben. Wie ist diese Entwicklung unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit zu bewerten?
Der Ersatz zu Ende gehender fossiler, klimaschädlicher Energieträger durch CO2-neutrale nachwachsende Rohstoffe ist umweltpolitisch zweifellos sinnvoll und notwendig.
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Der bayerische Weg

Bodenprofil mit unregelmäßiger Färbung in rostrot und grauZoombild vorhanden

Abbildung 2: Podsole sind meist nährstoffarme, sandige und ertragsschwache Böden. Auf solchen Standorten ist die Biomassenutzung problematisch. Foto: F. Schmidt

An der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit der Thematik auseinandersetzt. Diese sieht für Bayern folgenden Weg, um einer Nährstoffnachhaltigkeit Rechnung zu tragen: Grundlegender Standpunkt ist, dass Forstwirtschaft dem Vorsorgeprinzip verpflichtet ist und nach dem Motto »Vorbeugen ist besser als Reparieren« handeln muss.

Die Waldböden in Bayern sind auf großer Fläche in einem günstigen Zustand. In einigen wenigen Regionen treten aber gehäuft auch Standorte auf, die hinsichtlich Baumernährung und Baumwachstum als kritisch bzw. sensibel zu beurteilen sind (Schubert et al. 2015).

Ziel der Bewirtschaftung von Bayerns Wäldern ist die langfristige Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit bzw. der Standortproduktivität und damit der gegebenen Nutzungsoptionen und Leistungen des Waldes. Zu erhalten ist auch die Standortvielfalt als Wert für sich. Gerade ärmere Standorte haben oft große Bedeutung für die Biodiversität und den Artenschutz. Damit kommt aus bayerischer Sicht außer einem begrenzten regenerativen Bodenschutz im Rahmen der bayerischen Kalkungskulisse eine Melioration schwacher Standorte als Nährstoffstrategie nicht in Frage.

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Akteure im Schulterschluss

Damit eine Nährstoff-Nutzungsstrategie auf breiter Basis forstliche Wirklichkeit wird, sind Wissenschaft, Forstverwaltung und Politik und der Waldbesitz gefordert.
Agenda der Wissenschaft
Politik und Verwaltung
Entscheidend ist die Praxis

Ausblick

Eine umfassende Nachhaltigkeit kann nicht bei einer tradierten Haltung (»wir machen ohnehin alles richtig«) stehen bleiben, sondern verlangt die Bereitschaft, selbstkritisch sein Handeln am aktuellen Wissensstand, einer daraus gewonnenen Einsicht und einer darauf gegründeten Überzeugung auszurichten. Die Bayerische Forstwirtschaft mit allen Waldbesitzarten hat im Jahr der Nachhaltigkeit 2013 ein beeindruckendes Bekenntnis zu dieser Bereitschaft abgegeben. Daran wird die Forstwirtschaft in Bayern auch künftig gemessen werden.

Es besteht die berechtigte Hoffnung, dass auch vor dem Hintergrund der Energiewende und der daraus resultierenden Impulse auf die Waldbewirtschaftung allen Akteuren – Wissenschaft, Politik, Praxis – gemeinsam eine von Augenmaß und Selbstverpflichtung getragene Balance zwischen einer berechtigten Nutzungsoptimierung und der Erhaltung der natürlichen Ressource Boden gelingt.

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