LWF aktuell 140
Drohnensaat auf Kalamitätsflächen in den bayerischen Kalkalpen
von Roman Laniewski und Axel Göttlein

Saatgut in Plastik verpackt und auf der Fläche verteilt.Zoombild vorhanden

Abb. 1: Pelletiertes Saatgut; frisch von der Pelletierung (links unten) und ausgebracht (rechts) (©Roman Laniewski)

Die in den letzten Jahren immer größer auftretenden Schadflächen in den Wäldern stellen Waldbesitzende vor eine große Herausforderung – vor allem in steilem Gelände wie in den bayerischen Kalkalpen. Wie soll mit den Schadflächen umgegangen werden? Ist die Drohnensaat von Pionierpflanzen eine Option zur Standortsicherung?

Im Projekt B79 »Notfallmischung« werden seit 2020 Saatgutmischungen krautiger, strauchartiger und baumartiger Pionierpflanzen auf Kalamitätsflächen in den bayerischen Kalkalpen ausgebracht. Ziel ist, Katastrophenflächen möglichst rasch mit nicht verdämmend wirkenden und schnell wachsenden Pionierpflanzen wiederzubesiedeln, um Nährstoffverluste zu minimieren und zeitnah ein waldähnliches Bodenklima zu schaffen. Einer plötzlichen Freistellung folgen eine erhöhte Sonneneinstrahlung, Erosion sowie eine rasche Vergrasung – vor allem letztere erschwert die Etablierung von Keimlingen. Die Notfallmischung soll eine schnelle Überschattung herbeiführen und damit Humusabbau und Vergrasung reduzieren.

Die Verwendung von Saatgut bietet gegenüber Pflanzgut viele Vorteile: Die Wurzeln können sich natürlicher entwickeln, die Sämlinge passen sich besser an den Standort an und im Vergleich zur Pflanzung ist das Saatgut einfacher zu handhaben. Eine Pflanzung von Sträuchern und speziell Stauden wäre zudem nicht praktikabel, da entsprechendes Pflanzgut fehlt und der Arbeitsaufwand unangemessen hoch wäre. Gerade in steilem Gelände ist die Drohnensaat eine sichere und kostengünstige Methode, mit der sich in kurzer Zeit große Flächen befliegen lassen. Das Saatgut wird in der Regel allein oder mit Hilfsstoffen wie Vermiculit ausgebracht. Da das Saatgut von Pionierpflanzen oft sehr klein und leicht ist, muss es für eine gezielte Ausbringung größer und schwerer gemacht werden. Eine Möglichkeit ist die Pelletierung, bei welcher das Saatgut mit natürlichen Zusatzstoffen ummantelt und damit das Gewicht erhöht wird. Die dabei entstehenden Kugeln lassen sich per Hand oder Drohne leichter ausbringen (Abbildung 1).

Pflanzenauswahl

Die Notfallmischung setzt sich aus standortgerechten Pflanzen zusammen, deren Auswahl sich auf die Lichtzahl, Feuchtigkeitszahl sowie die Reaktionszahl nach Ellenberg (1979) stützte. Im Gebiet der Ausbringung (bayerische Kalkalpen) und auf den dort entstandenen Schadflächen sind folglich Pflanzen erforderlich, welche eine hohe Lichttoleranz sowie eine breite pH-Amplitude von carbonatisch (Mineralboden) bis sauer (Humusauflage) aufweisen. Daneben war bei der Pflanzenwahl zu berücksichtigen, in welcher Höhenlage die Pflanzen vorkommen, wie groß sie werden und ob sie verdämmend wirken.

Folgende Pflanzenarten wählte man für die Kalkalpen aus, für sie wurde Saatgut mit passender Herkunft beschafft bzw. selbst geerntet und aufbereitet.

Bäume:

  • Vogelbeere (Sorbus aucuparia)
  • Mehlbeere (Sorbus aria)
  • Sandbirke (Betula pendula)

Sträucher:

  • Hirschholunder (Sambucus racemosa)

Stauden:

  • Himbeere (Rubus idaeus)
  • Waldweidenröschen (Epilobium angustifolium)
Das Waldweidenröschen wurde nicht nur wegen seines breiten Vorkommensspek­trums ausgewählt, sondern auch, weil es bei dichtem Bewuchs wenig verdämmend wirkt und größere Mengen an Nährstoffen pro ha speichern kann (Göttlein et al. 2014). Die Pflanze nimmt die Nährstoffe auf, der oberirdische Teil verrottet im selben Jahr und wächst im nächsten Jahr wieder nach, wodurch die Nährstoffe im System bleiben.

Beispielsfläche

Drohne fliegt über Sturmverursachte KahlflächeZoombild vorhanden

Abb. 2: Flug der Drohne über der Sturmwurffläche bei der Scharitzkehlalm; die Drohne befindet sich in der Bildmitte. (© Roman Laniewski)

Eine Beispielsfläche zur Pioniersaat mittels Drohne wurde an der Scharitzkehlalm bei Berchtesgaden angelegt. Sie befindet sich auf einer Windwurffläche in einer Höhe von circa 1.220 m auf einem nach Südwesten ausgerichtetem Hang. Hier wurden im Spätherbst 2021 zwei Streifen mit den Maßen 10 x 40 m angelegt und besät. Zusätzlich wurden Kontrollparzellen angelegt. Im Frühjahr 2022 wurden auf beiden Streifen jeweils 10 x 10 m umzäunt. Geprägt sind die beiden Streifen von Wurzeltellern, Baumstümpfen und Felsen (Abbildung 2).

Zur Auswertung des Saaterfolgs wurden die angelegten Streifen nach Bodengegebenheiten stratifiziert: Mineralboden - Humus - Reisig - Gras.

Die Saatgutpelletierung und der Drohnenflug wurden von der Fa. Skyseed (Berlin) durchgeführt.

Keimlingszahlen auf den Straten

Balkendiagramm das den Keimerfolg bei verschiedener Straten zeigtZoombild vorhanden

Abb. 3: Keimerfolg ausgebrachter Samen bei verschiedener Bodendeckung (Straten), dargestellt als Hochrechnung jeweils auf einen Hektar. (© LWF)

Auf den 0,5 m² großen Beobachtungsparzellen der ausgewiesenen Straten wurden im Sommer 2022 die Keimlinge der ausgebrachten Pflanzenarten gezählt (Abbildung 3). Betrachtet man den Keimerfolg, so ergeben sich zunächst zwei Auffälligkeiten: Zum einen finden sich auf den Kontrollparzellen nur natürlich angesamte Keimlinge von Hirschholunder und Himbeere, d. h., es sind keine Pionierbaumarten zu finden. Zum anderen ist nach Aussaat auf vergrasten Teilflächen praktisch kein Keimerfolg nachweisbar.

In der Gruppe der Bäume fanden sich bei Vogelbeere nur Keimlinge in den Straten »Mineralboden« und »Reisig«, wobei der Keimerfolg bei Reisig mit im Durchschnitt 4,5 Keimlingen auf 20 % der Parzellen am größten war. Die Mehlbeere zeigte sich keimfreudiger, da sie zusätzlich auch im Stratum »Humus« vorhanden war. Auch hier war der Keimerfolg mit durchschnittlich 3,5 Keimlingen auf 20 % der Parzellen bei Reisig am höchsten.
Balkendiagramm das den Flächenbezogenen Keimerfolg bei verschiedener Bodendeckung zeigtZoombild vorhanden

Abb. 4: Keimerfolg ausgebrachter Samen bei verschiedener Bodenbedeckung (Straten), dargestellt als Prozentsatz der belegten Beobachtungsparzellen (Balken) und durchschnittlicher Anzahl der auf den belegten Parzellen gefundenen Pflanzen (Balkenbeschriftung). (© LWF)

Auf den Beobachtungsparzellen wurde kein Birkenkeimling gefunden, obwohl Birkensamen in der ausgebrachten Saatgutmischung enthalten waren. Birkensamen können, wie andere Samen auch, ein bis fünf Jahre im Boden keimfähig bleiben (Tiebel et al. 2018). Es ist daher nicht auszuschließen, dass in den kommenden Jahren noch Birkenkeimlinge gefunden werden – dies war auf anderen Versuchsflächen zu beobachten. Allerdings liegt die im Rahmen des hier dargestellten Projekts ausgebrachte Menge an Birkensaatgut unter der empfohlenen Aussaatmenge von mindestens 0,5 kg pro ha (Ruppert und Rothkegel 2018).

Beim Hirschholunder, der einzig ausgebrachten Strauchart, fand sich die höchste belegte Parzellenzahl im Stratum »Humus« mit durchschnittlich 2,9 Keimlingen auf 35 % der angelegten Beobachtungsparzellen. Die ausgebrachten Hirschholundersamen keimten auch auf den Straten »Mineralboden« und »Reisig«. Ferner waren Hirschholunderkeimlinge in geringerer Menge auch auf den Kontrollparzellen bei Mineralboden und Humus zu finden.

Himbeere war die einzige Pflanze, die auf allen Straten der Saat und auf der Kontrollfläche vorkam. Die höchste belegte Parzellenzahl war sowohl bei der Saat als auch bei der Kontrolle im Stratum »Humus« vorhanden. Insgesamt zeigte sich, dass die Saatflächen beim Vergleich von Saat und Kontrolle je Stratum eine höhere Keimlingszahl aufwiesen. Als zweite Staude war das Waldweidenröschen in der Saatmischung enthalten, welches auf allen Straten außer Gras keimte. Auch für diese Pflanze erwies sich der Humus mit durchschnittlich 3,7 Keimlingen auf 28 % der Beobachtungsparzellen als bestes Keimbett.

Rechnerische Keimlingszahlen pro Hektar

Rechnet man den Keimerfolg der aus­gesäten und aufgegangenen Bäume (Vogelbeere, Mehlbeere) und Sträucher (Hirschholunder) auf der Grundlage von Abbildung 3 mit den Flächenanteilen der Straten auf einen Hektar hoch, ergeben sich Keimlingszahlen von 3.700 – 5.100 Pflanzen pro ha (Abbildung 4). Es wird deutlich, dass einzig der Hirschholunder ohne eine aktive Aussaat keimt und dies flächenmäßig nur in geringem Umfang. In der Gruppe der Bäume bringt die gesäte Vogelbeere circa 3.700 Pflanzen pro ha hervor, wobei das Stratum »Reisig« die weitaus größte Bedeutung hat. Mit circa 4.100 Keimlingen pro ha zeigt die Mehlbeere bei den Bäumen den besten Saaterfolg – ihr Anteil kann bei zukünftiger Saat daher deutlich reduziert werden. Der Hirschholunder weist beim flächenmäßigen Aufkommen unter »Reisig« mit knapp 2.400 Pflanzen pro ha einen etwas geringeren Auflauferfolg auf als die beiden Baumarten. Da der Hirschholunder aber auch gut im Mineralboden und Humus keimt, bringt er die höchste Keimlingszahl der gesäten Arten hervor. Im Gesamtkontext ergaben sich so über 5.000 Pflanzen pro ha. Vergleicht man diese Zahlen mit Pflanzdichten der Fichte, welche in Burschel und Huss (1987) bei einem Standraum von 2–4 m² mit 2.500–5.000 Pflanzen pro ha oder in Dengler (1990) bei einem quadratischen Pflanzverband mit einem Standraum von 2,25 m² mit 4.444 Pflanzen pro ha angegeben werden, liegen die aufgeführten Keimlingszahlen am oberen Ende.

Fazit

Aus den dargestellten Ergebnissen lassen sich folgende Schlüsse ziehen:

  • Reisig steigert, Vergrasung hemmt den Keimerfolg von ausgesätem Pioniersaatgut
  • Eine schnelle Aussaat nach dem Schadereignis fördert daher den Keimerfolg
  • Die Pioniersaat mittels Drohne funktioniert; sie bringt Pionierpflanzen in genügend hoher Dichte auf die Fläche
  • Für das Aufkommen und das Überleben der Pflanzen ist eine angepasste Wilddichte von essenzieller Bedeutung; die gezäunten Teilflächen werden hierzu Erkenntnisse bringen

Zusammenfassung

Der Beitrag stellt die Keimlingszahlen ein Jahr nach einer Drohnensaat bei der Scharitzkehlalm in Berchtesgaden dar. Die Versuchsfläche wurde nach Mineralboden, Humus, Reisig und Gras stratifiziert. Bis auf die Sandbirke keimten auf den besäten Flächen alle in der Notfallmischung enthaltenden Pflanzenarten. Dies gilt nicht für die vergrasten Teilflächen, dort konnte sich lediglich die Himbeere durchsetzen. Ein einheitliches Bild über die Arten auf den verschiedenen Straten ist nicht erkennbar. Auf den Kontrollflächen ohne Saat waren auf Mineralboden und Humus lediglich Hirschholunder und Himbeere zu finden, auf Reisig und Gras nur noch die Himbeere.

Hochgerechnet auf einen Hektar belaufen sich die Pflanzenzahlen ein Jahr nach der Drohnensaat auf 3.700 Vogelbeeren, 4.100 Mehlbeeren und 5.100 Hirschholunder.

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