Waldlaubsänger – typisch im Buchenwald - LWF aktuell 135
von Olaf Schmidt
Abb. 1: Waldlaubsänger (© M. Gläßel, https://mhwg.jimdofree.com)
Die Bestände des Waldlaubsängers sind seit Jahrzehnten rückläufig. Dafür gibt es mehrere Ursachen, unter anderem ist der Populationsrückgang auch auf den Verlust an Bruthabitaten zurückzuführen. Deshalb trägt die Forstwirtschaft eine besondere Verantwortung für diese typischen Buchenwald-Bewohner.
Der Waldlaubsänger (Phylloscopus sibilatrix), rund 13 cm groß und 8–12 g schwer, ist ein Charaktervogel mitteleuropäischer Buchenwälder (Abbildung 1). Reine Nadelwälder meidet er. Er nutzt dort aber auch vorhandene Buchenhorste. In vielen Buchenwäldern war der Waldlaubsänger bis vor 2–3 Jahrzehnten eine häufige und typische Vogelart. Sein markanter Gesang, den er im Singflug vorträgt, wird lautmalerisch mit »sip sip sip sip sirrrrr« umschrieben. Deswegen erhielt der Waldlaubsänger regional weitere Namen, die sich auf diesen Gesang beziehen, so z. B. »Mopedvogel« oder »Waldschwirrvogel«.
Rückgang und Bestandsschwankungen – mögliche Gründe
Abb. 2: Mittelalter Buchenbestand mit schwach ausgeprägter Strauchschicht der typische Lebensraum des Waldlaubsängers (© Y. Hoffmann, AWG)
Ein Einflussfaktor ist der erhöhte Stickstoffeintrag in unsere Wälder, dieser wirkt sich vor allem auch auf die Artenzusammensetzung der Bodenvegetation aus. Günstig für den Waldlaubsänger sind mäßig mit Bodenvegetation bewachsene Waldböden, die Areale mit offener Laubstreu besitzen. Durch den erhöhten Stickstoffeintrag verändert sich die Bodenvegetation aber in vielen Waldgebieten hin zu einer nitrophilen Vegetation, z. B. aus Brombeere oder Brennnessel, die für den Waldlaubsänger nicht mehr nutzbar ist.
Unter den im Bestand rückgängigen Waldvogelarten befinden sich sieben Arten, die Langstreckenzieher sind und deren Überwinterungsgebiete im tropischen Afrika südlich der Sahara liegen. Unter den waldbewohnenden Singvogelarten sind das z. B. Fitis, Baumpieper, Pirol, Gelbspötter, Trauerschnäpper und eben Waldlaubsänger. Vermutlich gibt es in den Durchzugs- und Überwinterungsgebieten Einflussfaktoren, die die jährlichen Bestandsschwankungen dieser Vogelarten beeinflussen. Der Waldlaubsänger überwintert aber sogar noch weiter südlich. Scheinbar leiden dessen Bestände besonders unter dem Landnutzungswandel dort in Westafrika.
Bei vielen bodenbrütenden Vogelarten haben Beutegreifer einen großen Einfluss auf den Bruterfolg. Beim Waldlaubsänger kommen als Nesträuber z. B. Fuchs, Dachs, Marder, Waschbär, Marderhund, Schwarzwild, Eichhörnchen, Eichelhäher und auch Mäuse in Frage. Bei verschiedenen Untersuchungen, vor allem in der Schweiz, konnte festgestellt werden, dass knapp die Hälfte der Bruten erfolgreich waren, was umgekehrt bedeutet, dass circa die Hälfte der Bruten verloren ging. Die wichtigste Ursache waren hier Verluste durch Fressfeinde. Überraschend spielt der Fuchs als Nesträuber eine eher untergeordnete Rolle. Auch die Mäuse treten als direkte Prädatoren kaum in Erscheinung. Trotzdem meiden Waldlaubsänger Waldbereiche mit vielen Mäusen. Dies hängt vermutlich mit einem indirekten Einfluss der Beutegreifer zusammen, die in mausreichen Jahren die Nahrungsressource »Mäuse« nutzen und bei der Jagd nach Mäusen auch auf Nester der Waldlaubsängers stoßen. Am Boden brütende Vogelarten sind Fressfeinden stärker ausgesetzt als z. B. Höhlenbrüter. Die in ihrem Bestand rückgängigen Vogelarten Baumpieper, Fitis und Waldlaubsänger sind Bodenbrüter und zugleich Langstreckenzieher, während die ebenfalls am Boden brütenden Arten Zilpzalp, Rotkehlchen und Nachtigall in ihrem Bestand zunehmen, aber Stand- und Kurzstreckenzieher sind. Gelege- und Brutverluste durch Fressfeinde können also nicht die alleinigen Rückgangsursachen für waldbewohnende und bodenbrütende Vogelarten darstellen.
Abb. 3: Nest des Waldlaubsängers (© F. Hecker, www.Naturfoto-Hecker.com)
Im Zuge einer naturnahen Forstwirtschaft wird häufig der gesamte Bestand »unterverjüngt«, so dass der für den Waldlaubsänger notwendige schüttere Bodenbewuchs und die offene Laubstreu verschwinden. Die Naturverjüngung wächst dann zu dichten Stangenhölzern heran, die der Waldlaubsänger ebenfalls nicht nutzen kann (Hillig 2009). Ebenso meidet er alte und sehr alte Laubwaldbestände.
Der Waldlaubsänger benötigt bestimmte Waldstrukturen in geschlossenen Laub- bzw. Buchenwäldern mit ausreichender Beastung im unteren Stammraum sowie nur lückigen Bodenbewuchs. Er kann als einer der wenigen Vogelarten gelten, deren Ansprüche mit einem naturnahen Waldbau allein nicht optimal erfüllt werden können.
Forstwirtschaft und Waldlaubsänger
Literatur
- Begehold, H. & Schumacher, H. (2017): Einfluss unterschiedlicher Bewirtschaftung und unterschiedlicher Dauer von Nutzungsruhe auf die Brutvogelgemeinschaft von Buchenwäldern in Nordostdeutschland, Vogelwelt 137, S. 227 – 235
- Grendelmeier, A., Pasinelli, G., Mollet, P., Feller, K., Graf, R., Lanz, M., Strebel, N., Sattler, T. & Knaus, P. (2020): Entwicklung der Brutvögel im Schweizer Wald: Gewinner und Verlierer, Forum für Wissen WSL Berichte, Heft 100, S. 89 - 97
- Hillig, F. (2009): Der Bestandsrückgang des Waldlaubsängers – Bleibt er noch oder geht er schon? Der Falke 56, S. 60 – 63
- Lippek, W. (2009): Zur Brutbiologie und Ortstreue des Waldlaubsängers Phylloscopus sibilatrix in Westfalen-Lippe, Vogelwelt 130, S. 165 – 174
- Pasinelli, G., Feller, K. & Grendelmeier, A. (2017): Kann der Waldlaubsänger durch gezielte forstliche Massnahmen gefördert werden? Schweiz. Z. Forstwes. 168, 1, S. 49 -51
- Reinhardt, A. & Bauer, H.-G. (2009): Analyse des starken Bestandsrückgangs beim Waldlaubsänger Phylloscopus sibilatrix im Bodenseegebiet, Vogelwarte 47, S. 23 – 39
- Reinhardt, A. & Bauer, H.-G. (2009): Analyse des starken Bestandsrückgangs beim Waldlaubsänger Phylloscopus sibilatrix im Bodenseegebiet, Vogelwarte 47, S. 23 – 39