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Franz Binder und Sebastian Höllerl
Bayerische Alpen – ein denkbares Rückzugsgebiet für die Fichte im Klimawandel – LWF Wissen 80

Der Klimawandel wird die Baumartenzusammensetzung im bayerischen Alpenraum verändern. Die durch menschliche Einflussnahme stark geförderte Fichte wird langfristig ihre hohen Anteile in der Waldbestockung verlieren. Der Borkenkäfer wird hierzu einen entscheidenden Beitrag leisten.

Gleichzeitig hat die Fichte Schwierigkeiten sich auf flachgründigen, humusarmen Standorten natürlich zu verjüngen. Auf besser nährstoffversorgten Standorten steht ihre Verjüngung in Konkurrenz zum Laubholz. Der Vitalitätsverlust der Fichte könnte die Schutzfunktionen des Gebirgswaldes beeinträchtigen. Die Bayerischen Alpen werden eines der möglichen Rückzugsgebiete der Fichte in Deutschland sein.
Der Anteil Bayerns an den Alpen mit rund einer halben Million Hektar ist eher bescheiden. Die Bayerischen Alpen sind heute zu rund 52 % bewaldet. Dies entspricht einer Waldfläche von circa 250.000 Hektar (ha). Vor der Einflussnahme des Menschen waren wohl über 80 % bewaldet. Spätestens um Christi Geburt, als die Römer den gesamten Alpenraum erobert hatten, dürfte der Mensch die Waldentwicklung beeinflusst und geprägt haben.

Um das Jahr 1100 n. Chr. wurden in den Ostalpen die landwirtschaftlichen Nutzflächen ausgeweitet und die Wälder gerodet. Durch den Menschen, der die Almflächen systematisch nach unten erweiterte, ist auch die Waldgrenze im Alpenraum überall etwa 300 Höhenmeter nach unten gedrückt worden (Bätzing 2015).

Nach der biogeographischen Vegetationsgliederung gehören die Bayerischen Alpen zu den nördlichen Randalpen. Diese sind ozeanisch geprägt und werden von einer Dolomit- und Kalksteinzone und ihnen vorgelagert einer schmalen Flyschzone gebildet. Die höchste Erhebung mit 2.962 m ist die Zugspitze im Wettersteingebirge. Die tiefste Stelle mit 473 m ü. NN liegt im Saalachtal bei Bad Reichenhall (Reger et al. 2014). Damit ergibt sich ein Höhengradient von rund 2.500 m. Mit zunehmender Höhenlage nimmt die Vegetationszeit ab.

Für Mitte des letzten Jahrhunderts ist für die Höhenlage von 700 m ü. NN. eine Vegetationszeit von 140 Tagen (Mitteltemperaturwert 10 °C) verzeichnet, welche bis 1.500 m ü. NN auf 95 Tage zurückgeht (Magin 1959). Die kürzere Vegetationsperiode mit der Höhenlage spiegelt sich in der Vielfalt an beschriebenen Waldtypen wider. Diese reicht von submontanen Laubwaldgesellschaften mit dominierender Buche bis hin zu den, an die Kälte angepassten, hochsubalpinen Lärchen-Zirbenwäldern (Binder et al. 2011).

Verbreitung der Fichte im Bayerischen Alpenraum (k)eine Erfolgsgeschichte

Schneebedeckte Gipfel mit grünem Tal im VordergrundZoombild vorhanden

Abb. 1: Fichtenbestände dominieren das Landschaftsbild. (Foto: F. Binder)

Die seit nahezu 2.000 Jahren anhaltende menschliche Einflussnahme im Naturwald hat die Baumartenzusammensetzung zugunsten der Fichte und zu Lasten der Buche verändert (Tabelle 1). Diese Veränderungen sind auf die Waldnutzung zurückzuführen. Nach Bätzing (2015) wurde das Holz schon früh an Bergwerke, Salinen oder Städte verkauft und über die Flüsse abtransportiert.

Diese Großgewerbe oder »Industrien« bedienten sich flächiger Hiebsformen und waren eher an Nadelholz als an Buchenholz interessiert (Plochmann 1985; Höllerl 2009). Die bäuerliche Waldnutzung entnahm dagegen nur einzelne Stämme (Bätzing 2015), durch die im Privatwald in der Regel ein stufig ungleichmäßiger Waldaufbau erhalten blieb.

Nach Höllerl (2009) haben der ablaufende Entmischungsprozess und die Entstehung der reinen Fichtenbestände verschiedene anthropogene Ursachen, die u. a. im großen Holzbedarf, in der Kahlflächenwirtschaft (z. T. mit nachfolgender Fichtensaat oder -pflanzung), in übermäßiger Weidenutzung und in überhöhten Wildbeständen zu suchen sind. Den größten Beitrag zur Förderung der Fichte in den letzten Jahrzehnten dürfte das Schalenwild geleistet haben, das die Konkurrenten der Fichte in ihrer Entwicklung deutlich hemmte.

Burschel et al. (1990) bringen dies wie folgt zum Ausdruck: »Für den fast vollständigen Ausfall von Tanne, Ahorn und sonstigen Laubhölzern sowie die erhebliche Reduktion des Buchenanteils ist das Schalenwild in weit höherem Maße verantwortlich als das Weidevieh« (vgl. auch El Kateb et al. 2009).
       
       
       
       
       
       
       
       
Tabelle 1: Baumartenzusammensetzung des Bergwaödes im Wuchsgebiet Bayerische Alpen (Binder und Stiegler 2016); Zahlen sind arithmetisch gerundet; BWI = Bundeswaldinventur
Baumartenanteile/Jahr in % Naturwald (nach Mayer 1974) Staatswald 1860 Großrauminventur 1970/71 BWI I 1986 BWI II 2002 BWI III 2012
Sonst. Laubholz - - 6 9 12 13
Lärche - - 2 1 1 1
Kiefer - - - 1 2 2
Buche 29 15 15 16 17 19
Tanne 29 25 8 8 7 7
Fichte 42 60 69 65 60 58
Summe 100 100 100 100 100 100

Natürliche Verbreitung der Fichte im bayerischen Alpenraum

Den Ergebnissen der Inventuren in Tabelle 1 kann man die tatsächlichen Mischungsverhältnisse nicht entnehmen. Es wird die durchschnittliche Baumartenzusammensetzung des gesamten, in den Bayerischen Alpen stockenden, Waldes berechnet, die sich in den lokalen Mischungen in den Beständen des Gebirgswaldes so nicht wieder findet. Tatsächlich gibt es erhebliche Flächen mit nahezu reinen Fichtenbeständen.

Auswertungen der Bundeswaldinventur 2 zeigen auf, dass auf nahezu dreiviertel der Waldfläche in den Bayerischen Alpen Bestände mit führender Fichte stocken. Diese sind vor allem in den Altersklassen 2 bis 4 zu finden (Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft 2005; Höllerl 2009). Dies entspricht circa dem fünffachen Flächenanteil, an den von Natur aus vorkommenden Waldtypen mit führender Fichte, die vor allem ab Höhe von 1.200 m ü. NN zu finden sind (Tabelle 2). In tieferen Lagen ist die Fichte zwar noch vertreten, besitzt aber von Natur aus seltener eine vorherrschende Stellung. Die Waldtypen wurden auf Grundlage der herrschenden Umweltbedingungen im Bergwald modelliert (Reger und Ewald 2011).
     
     
     
Tabelle 2: Anteil in % der Waldtypen an der Waldfläche (aus Binder et al. 2011, verändert)
Waldtyp Anteil in % Höhenlage [m] Klima-Kennwert T in °C
mit vorraussichtlich dominierender Fichte subalpine Fichtenwälder 4,84 1.300-1.650 ca. 3,5
mit vorherrschender bis mitherrschender Fichte hochmontanr Bergmischwald 9,02 1.200-1.450 ca. 4,5

Zukünftige Verbreitung der Fichte im bayerischen Alpenraum

Nach dem 2013 vom IPCC publizierten Bericht ist die Erwärmung des Klimas eindeutig (Glaser 2014). Für den Klimawandel besonders anfällig sind die Alpen. Die Erwärmung fiel in jüngster Zeit ungefähr dreimal so stark aus wie im weltweiten Durchschnitt (Agrawala 2007). Das regionale Klimamodell COSMO-CLM (CCLM) liefert für das Szenario »A1B« eine Abschätzung für Temperatur, Niederschlag und Dauer der Schneebedeckung.

Demnach ist mit einem Temperaturanstieg von knapp 2 °C bezogen auf die Referenzperiode 1961 – 1990 zu rechnen. Nebe (1968 zitiert nach Röhle 1995) gibt für die Fichte als optimales Großklima Jahresmitteltemperaturen zwischen 5 °C und 7,5 °C an. Für die Fichte würde das bedeuten, dass sie in den subalpinen und hochmontanen Lagen ihre dominierende Stellung behalten könnte (Tabelle 2). Allerdings wird sie in diesen Höhenlagen voraussichtlich einer stärkeren Konkurrenz durch die klassischen Mischbaumarten des Bergmischwalds, Tanne und Buche, ausgesetzt sein.

Im INTERREG Projekt »Waldinformationssystem Nordalpen« wurden für die häufigsten Baumarten Habitatmodelle berechnet und auf regionalisierte Klimaszenarien für das Jahr 2100 angewandt (Ewald et al. 2011). Verwendet wurde das moderate Szenario WETTREG B1, welches von einem Temperaturanstieg in der Vegetationsperiode von 1,5 °C und 3,2 °C ausgeht. Daraus lässt sich ableiten, wie sich der Klimawandel auf die Vitalität der Fichte in verschiedenen Waldtypengruppen auswirkt (Tabelle 3).
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Im gesamten montanen Bereich, das heißt auf mehr als der Hälfte der Gebirgswaldfläche, wird die Fichte in Zukunft an Vitalität und damit an Flächenpräsenz verlieren. In der subalpinen Stufe könnte ihre Vitalität zunehmen. Dies bringt allerdings nicht zum Ausdruck, wie lange hier die Fichte noch das Alleinstellungsmerkmal »Hauptbaumart« besitzt.

Für die Zunahme der Vitalität in den Hochlagen sprechen auch die Untersuchungen von Hartl-Meier und Rothe (2014). Sie haben anhand von Jahrringanalysen die Zuwachsreaktionen von Baumarten des Bergwalds auf Trockenjahre innerhalb der verschiedenen Höhenstufen untersucht. Demnach weist die Fichte in den tieferen Lagen (< 1.000 m ü. NN) die verhältnismäßig stärksten Zuwachseinbußen nach Trockenperioden im Vergleich zu den anderen Baumarten dieser Höhenstufe auf.

Hingegen zeigt sie über 1.400 m ü. NN überwiegend positive Zuwachsreaktionen. Diese Ergebnisse lassen sich mit dem Fazit von Dobbertin und Giuggiola (2006) in Einklang bringen, die aufgrund ihres Literaturstudiums festhalten, »Extreme warm-trockene Sommer reduzieren den Stammzuwachs in den Tieflagen erheblich, in den Hochlagen kann er dagegen ansteigen. Fichten erwiesen sich als besonders empfindlich «.

Das bestätigt letztendlich die Aussage von Köhl et al. (2017). Sie stellen fest: »In Mitteleuropa wird der Eichenwald zunehmen, beginnend in den Tieflagen. Der Buchenwald wandert von den Tieflagen in die Mittelgebirge. Dort werden sich die Kiefern- und Fichtenwälder allmählich zurückziehen«. Daraus ist zu folgern, dass das Hochgebirge das Rückzugsgebiet der Fichte werden kann.

In den Fichten betonten Beständen wird künftig der Fichtenanteil nicht nur aufgrund des Klimawandels zurückgehen, sondern auch aufgrund waldbaulicher Maßnahmen. Nachdem die Wälder im Alpenraum in vielen Fällen wichtige Schutzfunktionen erfüllen und die reinen Fichtenbestände aber gleichzeitig sehr anfällig für Kalamitäten sind, ist das schon 1861 formulierte Ziel durch das Bayerische Forstbüro: »Die Erhaltung beziehungsweise Erziehung von Mischbeständen aus Fichten, Tannen und Buchen, welche den Schnee-, Duft- und Windbrüchen sowie anderen nachtheiligen Einflüssen (Insectenbeschädigungen) erfolgreicheren Widerstand bieten als reine Fichtenbestände« [aus Burschel et al. (1990)], oberstes Gebot der Stunde.
    
    
    
    
    
    
    
Tabelle 3: Anteil in % ausgewählter flächenmäßig bedeutsamer Waldtypengruppen an der Waldfläche und die mögliche Reaktion der Fichte auf die Klimaerwärmung. "+ bedeuted profitiert"; "– bedeutet leidet"; "0 ist unbeeinflusst" (aus Binder et al. 2011, verändert)
Waldtypengruppe Hauptbaumarten Flächenanteil [%] Reaktion Fichte im Klimawandel
montaner Carbonat-Bergmischwald Buche/Fichte/Tanne 32,2 -
montaner Silikat-Bergmischwald Buche/Fichte/Tanne 19,6 -
hochmontaner Carbonat-Bergmischwald Fichte/Tanne/Buche 6,5 0
hochmontaner Silikat-Bergmischwald Fichte/Tanne/Buche 2,5 0
subalpiner Fichtenwald Fichte 3,1 +
Summe 63,9

Spätfrostgefahr, Borkenkäfer, Nährstoffmangel, mangelnde Konkurrenzkraft – die Fichte hat es heute und in Zukunft nicht leicht

Nadelwald am BerghangZoombild vorhanden

Abb. 2: Borkenkäfernest (Foto: F. Binder)

Fichten aus den Hochlagen, die in Tieflagen angepflanzt werden, das heißt von der Kälte in die Wärme kommen, treiben in der Regel früher aus als Tieflagenfichten. Das zeigen Untersuchungen von Burger (1926 zitiert nach Dobbertin und Giuggiola 2006). Bei einer raschen Erwärmung der Hochlagen könnte dieser Effekt möglicherweise auch dort eintreten. Würden die Hochlagenfichten früher austreiben, wären sie im Vergleich zu heute einer höheren Spätfrostgefahr ausgesetzt – zumindest für eine Übergangsphase, bis sie sich den veränderten klimatischen Verhältnissen angepasst haben.

Des einen Freud, des anderen Leid: Parallel zur nachlassenden Vitalität der Fichte im montanen Bereich, wird die Vitalität des Buchdruckers gestärkt, der auch in den Hochlagen der Bayerischen Alpen Fuß gefasst hat und in der Lage ist, mehr als eine Generation zu bilden. Er kann im Hochgebirge mittlerweile vom Sekundärschädling zum Primärschädling werden. Dies wird den Rückgang der Fichte in der Bestockung eher beschleunigen. Sichtbares Zeugnis dafür sind die Borkenkäfernester, die mittlerweile nahezu in allen Höhenlagen auftreten können.

Gleichzeitig hat die Fichtenverjüngung auf den flachgründigen, humusarmen Standorten Schwierigkeiten anzukommen. Dieser Standort hat einen Schwerpunkt im montanen, mäßig trockenen Carbonat-Bergmischwald und ist in den Bayerischen Alpen mit einem nicht unerheblichen Flächenanteil von knapp 5 % vertreten (Binder et al. 2011).

Nach Baier (2006) führte u. a. Kahlschlagwirtschaft auf diesen von Natur aus armen Standorten zu einer Degradation der Böden. Es kam zu einem massiven Humusschwund. Das Schwinden der ernährungsphysiologisch günstigen, da sauren organischen Auflage bedingte eine Abnahme der Verfügbarkeit der Elemente Phosphor, Kalium und Mangan.
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Nadelwald am BerghangZoombild vorhanden

Abb. 3: Borkenkäfernest (Foto: F. Binder)

Folge ist nach Baier (2006) eine Mangelversorgung an diesen Nährelementen in Fichtenreinbeständen, die zu starken Schäden an den Fichten führt bzw. führen kann. Die Wiederherstellung langfristig stabiler Schutzwälder mit der der Klimaxbaumart Fichte kann nach Baier (2006) daher nur durch den Wiederaufbau des Auflagehumus gelingen. Dieser Aufbau sollte auf degradierten Standorten durch die Aufforstung mit den Pionierbaumarten Lärche und Kiefer erfolgen. Danach müsste sich Fichtennaturverjüngung wieder von alleine einstellen. Dies könnte nach Baier et al. (2006) 30 bis 50 Jahre dauern.

Ein gehäuftes Auftreten von mit Stickstoff und Phosphor unterversorgten Beständen im mittleren Bereich der Bayerischen Kalkalpen stellten bereits Dalhäuser und Neuerburg (1989) fest. Dies bestätigen die Ergebnisse der Bodenzustandserhebung II. Danach kommt es zu einer Häufung sehr geringer Stickstoffversorgung und Phosphorernährung im Bereich der Alpen (Stetter 2015) Auch Binder (1992) wies an gelblich verfärbten, 6-jährigen Fichtenpflanzen auf einer Versuchsaufforstung im Hauptdolomit Phosphor- und Stickstoffmangel nach. Laut Ewald und Mellert (2013) sind allein die Nährelemente Stickstoff und Phosphor begrenzend für das Wachstum der Fichte. Um ein weiteres Absinken der Wuchsleistung zu vermeiden, fordern sie, den Humusvorrat aufzubauen, aus dem künftig Stickstoff und Phosphor mineralisiert werden kann.

Das Ziel der Humuspflege, das heißt Liegenlassen von Totholz, Reisig und Rinde, muss auf schwach wuchskräftigen Kalkböden Vorrang vor der Ganzbaumnutzung haben. Dieses Ziel der Humuspflege ist von grundsätzlicher Bedeutung für den ganzen Alpenraum, insbesondere im Zeichen des Klimawandels. Prietzel und Christophel (2013) wiesen unter anderem auf Untersuchungsflächen im Berchtesgadener Land einen mittleren Humusschwund der Böden zwischen 1976 und 2011 von 17 % nach. Nachdem auf diesen Flächen in diesem Zeitraum mehrheitlich keine forstliche Nutzung stattfand, folgern sie, dass der Humusschwund vermutlich eine Folge des Klimawandels ist.

Aber auch auf besser mit Nährstoffen versorgten Standorten hat die Fichte Probleme, in der Verjüngung Fuß zu fassen und sich zu etablieren. So ist die Fichtenverjüngung in Bereichen, wo die Konkurrenzkraft der Mischbaumarten nicht durch überhöhten Wildverbiss herabgesetzt ist, tendenziell der Buchen-, Ahorn- und Tannenverjüngung unterlegen, wie Ammer (1998) aus Ergebnissen des Bergmischwaldversuchs des Lehrstuhls für Waldbau der Technischen Universität München ableitet. Durch entsprechende waldbauliche Maßnahme kann hier der Fichte jederzeit geholfen werden.

Auswirkungen des Fichtenrückgangs auf die Funktion als Lawinenschutzwald

Kleine TannenZoombild vorhanden

Abb. 4: Die Tanne könnte die Schutzfunktionen der Fichte im Schutzwald übernehmen. (Foto: F. Binder)

Der allmähliche Rückzug der Fichte aus dem montanen Bereich der Bayerischen Alpen hat langfristig Einfluss auf die Schutzfunktion des Gebirgswalds vor Lawinen. Die Funktion des Lawinenschutzes erfüllen immergrüne Nadelwälder besser als winterkahle Laub- und Lärchenwälder. Die Schneeinterzeption in immergrünen Nadelwäldern ist höher. Durch den herabfallenden Schnee aus den Kronen wird das Entstehen homogener Schneeschichten verhindert. Die Wahrscheinlichkeit des Abgangs eines Schneebretts verringert sich. Der Anteil von Laubholz oder Lärche sollte daher in Lawinenschutzwäldern einen Anteil von 30 % nicht überschreiten (Suda, 1989; Binder et al. 2011).

Der immergrünen Fichte kommt im Lawinenschutz aufgrund ihrer weiten Verbreitung im Alpenraum besondere Bedeutung zu. Um langfristig die Lawinenschutzfunktion des Bergwalds zu erhalten, ist es sinnvoll, dort wo sich die Fichte aufgrund klimatischer Änderungen auf dem Rückzug befindet, die klimatolerantere Tanne als immergrüne Nadelbaumart stärker zu beteiligen. Vor dem Hintergrund der bereits gemessenen Erwärmung ist zwar zu erwarten, dass sich der Anteil des als Schnee fallenden Niederschlags in Zukunft zugunsten von Regenniederschlag verschiebt.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Lawinengefahr gebannt ist. Dazu sind die Aussagen zu den Folgen des Klimawandels für die Schneelawinenaktivität zu unterschiedlich. Es ist davon auszugehen, dass es Extremniederschlagsereignisse mit entsprechenden Lawinenabgängen durchaus weiter geben wird (Glade et al. 2017).

Schlussfolgerungen

Von allen Baumarten des Bergmischwalds wird die Fichte vom Klimawandel am stärksten betroffen sein. In den montanen Bereichen wird ihr Vorkommen wohl deutlich abnehmen. Hier sollte bereits heute an Alternativen für die Baumart gedacht werden. Am besten könnte wohl die Tanne ihre Rolle einnehmen. In den höheren Lagen wird die Fichte ihre Anteile halten. Um in den Bayerischen Alpen ihre Vitalität zu stärken, ist eine konsequente Bekämpfung des Borkenkäfers nötig.

Zum Erhalt und Förderung ihrer Naturverjüngungskräfte, ist es dringend notwendig dem Bodenhumusverlust entgegenzuwirken bzw. nach Möglichkeit den Humusvorrat zu steigern. Dies gilt ganz allgemein wegen der Folgen des Klimawandels und im besonderen Maße für verlichtete Wälder auf flachgründigen Standorten. Hiebsreste sollten hier unter Beachtung der Vorgaben des Waldschutzes im Bestand verbleiben. Der Verzicht auf Ganzbaumnutzung sollte eine Selbstverständlichkeit sein.

Nicht zuletzt müssen diese Wälder möglichst rasch wieder mit standortgemäßen Baumarten in volle Bestockung gebracht werden. Verjüngung sollte daher ständig flächig vorhanden sein. Dies scheint möglich, sobald die Rahmenbedingungen z. B. angepasste Wildbestände stimmen, wie Ergebnisse aus Inventuren der Schutzwaldsanierung zeigen (Binder und Stiegler 2016).

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