Hans-Joachim Klemmt, Wolfgang Falk, Birgit Reger, Christoph Straub, Rudolf Seitz und Wolfgang Stöger
Die Fichte – aktuelle Vorkommen in Bayern und standörtliche Anbaueignung im Klimawandel – LWF Wissen 80

Die Fichte (Picea abies L.) ist die flächen- und massenmäßig betrachtet wichtigste Baumart in Bayern. Sie hat unterschiedliche Verbreitungsschwerpunkte, ist anbaubedingt aber in ganz Bayern zu finden. In vielen Regionen Bayerns wie z. B. den nordostbayerischen Grenzgebirgen und den bayerischen Alpen gehört sie als führende Baumart zur natürlichen Waldgesellschaft, in anderen Regionen ist sie als Nebenbaumart am natürlichen Waldaufbau beteiligt. Im Zuge des sich vollziehenden Klimawandels werden sich auch spürbare Auswirkungen auf das Vorkommen und den Anbau der Fichte in Bayern ergeben.

Die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft hat hierzu in den letzten Jahren wichtige Planungshilfsmittel wie eine satellitendatenbasierte Verbreitungskarte der Fichte sowie standörtliche Anbauempfehlungen für sich ändernde Anbaubedingungen entwickelt. Diese finden Eingang in das digitale Standortinformationssystem BaSIS der Bayerischen Forstverwaltung.

Die Fichte wird als wichtigste Baumart in bayerischen Wäldern sicher erhalten bleiben, wenn auch – je nach Region und Umweltbedingungen – zukünftig häufiger als Mischbaumart in geringerem Umfang bzw. nur noch auf einem Teil der forstlichen Standorte einer Region. Aktuellen Hochrechnungen zufolge sind in Bayern rund 210.000 ha mit mehr als 50 % Fichte bestockt, welche im Jahr 2100 mit einem sehr hohen Risiko eingestuft werden.

Die Fichte in Bayern in Zahlen

Bayernkarte mit violetten PunktenZoombild vorhanden

Abb. 1: Inventurpunkte der Bundeswaldinventur 2012 mit Fichte. (Grafik: Walentowski et al. 2001)

Nach den Ergebnissen der Bundeswaldinventur 2012 (BWI 2012) ist die Fichte die flächen- und massenbedeutsamste Baumart in Bayern. Bei dieser Aussage kann vernachlässigt werden, dass über die BWI 2012 unsere Gemeinen Fichten (Picea abies L.) mit anderen Fichten zu einer Baumartengruppe zusammengefasst wurden, da von den 30.465 aufgenommenen Fichten lediglich drei Bäume nicht Gemeine Fichten waren.

Berechnet man die Standflächenanteile aller Baumarten, so ergibt sich eine absolute Fichtenfläche von 1.017.672 ha in Bayern, was einem Flächenanteil von 41,8 % entspricht (Tabelle 1).

Vergleicht man die absolute Fichtenfläche mit dem bundesdeutschen Vergleichswert (rund 2,76 Mio. ha) so zeigt sich, dass 37 % der Fichtenfläche der Bundesrepublik Deutschland in Bayern zu finden ist. Kein anderes Bundesland hat eine größere Fichtenfläche als Bayern.
weiterlesen

Regionale Unterschiede

Innerhalb von Bayern gibt es Schwerpunkte der Fichtenverbreitung. Abbildung 1 zeigt über der Karte der forstlichen Wuchsgebietsgliederung für Bayern (Walentowski et al. 2001) die Inventurpunkte der Bundeswaldinventur 2012, an denen ein Standflächenanteil der Fichte von über 75 % am Punkt errechnet wurde. Deutlich fichtendominierte Waldbestände sind über ganz Bayern verteilt zu finden. Derartige Waldflächen treten verstärkt dort auf, wo die Fichte als Hauptbaumart Teil der potenziellen natürlichen Verjüngung in Bayern ist.

Die in Abbildung 1 unten aufgeführten relativen Flächenanteile der Fichte in den verschiedenen Wuchsregionen Bayerns verdeutlichen diese Einschätzung noch einmal quantitativ. Während in den nordwestbayerischen Wuchsregionen die Fichte unterrepräsentiert ist, weist sie relativ hohe Flächenanteile in den nordostbayerischen Grenzgebirgen sowie in den Wuchsregionen im Süden der Donau auf.

Die höchsten Fichtenanteile in Bayern finden sich nach der letzten Bundeswaldinventur im Wuchsgebiet 8 »Frankenwald, Fichtelgebirge und Steinwald«, dessen Wuchsbezirk 8.1 »Frankenwald« nicht zuletzt aufgrund der großen Bedeutung der Baumart Fichte und der Notwendigkeit des Waldumbaus im Klimawandel dort im Jahr 2017 zum Waldgebiet des Jahres durch den Bund Deutscher Forstleute (BDF) ausgewiesen wurde (Schmidt 2017).

Diese regionalen, quantitativen Erkenntnisse bestätigen auch die Ergebnisse des LWF-Fernerkundungsprojektes TreeIdent, welches zum Ziel hatte, die an den Klimawandel anpassungsnotwendigen Fichten- und Kiefernbestände in Bayern auf Basis von digitalen Satellitendaten kleinräumig differenziert zu identifizieren. Im Rahmen des Projektes wurde ein zweistufiges Verfahren entwickelt, in welchem mithilfe von World- View- und Landsat-Satellitendaten Fichten- und Kiefernanteile in 100 m × 100 m großen Rasterzellen über ganz Bayern automatisiert mit einer hohen Genauigkeit bestimmt werden können (Immitzer et al. 2015). In Abbildung 2 ist grau hinterlegt das Projektergebnis dargestellt für die Baumart Fichte.

Standörtliche Anbaueignung

Bayernkarte mit Relief mit violetten PunktenZoombild vorhanden

Abb. 2: Punkte der Bundeswaldinventur 2012 mit einem Grundflächenanteil der Baumart Fichte über 75 % über der Fichten- Verbreitungskarte für Bayern. (Grafik: LWF)

Die oben beschriebene Verbreitung der Fichte in Bayern ist neben dem Einfluss des Menschen insbesondere von der Eignung der Standorte für den Anbau geprägt. Grundsätzlich hat die Fichte ein natürliches Verbreitungsgebiet, das weite Bereiche Europas und damit eine weite Spanne an Standorten abdeckt: Von der Baumgrenze in der borealen Zone bis nach Griechenland, von Frankreich bis zum Ural.

Die natürliche Verbreitung wird durch mehrere Faktoren begrenzt (nach Schmidt-Vogt 1977): In ozeanisch getönten westlichen Gebieten wird die Verbreitung durch die Konkurrenz mit den an eine unzureichende Wasserversorgung in den Sommermonaten besser angepassten Laubmischwäldern begrenzt. Trockenperioden im Sommer begrenzen auch in anderen Gebieten wie in kontinentalen Klimaten die Fichtenverbreitung. Wuchsgebiete in Bayern mit warm-trockenen Sommern und daher geringen Fichtenanteilen sind die »Untermainebene« und die »Fränkische Platte« (Abbildung 2).

Zusätzliche klimatische Faktoren, die die Verbreitung bremsen, sind Standorte mit erhöhter Neigung zu Frosttrocknis und spätfrostgefährdete Lagen. Nach Schmidt-Vogt (1977) scheint eine ausreichende Winterkälte zur Vegetationsruhe erforderlich, auch wenn Anbauten in der Bretagne mit Januartemperaturen deutlich über 0 °C zeigen (Mayer 1992), dass damit nicht unbedingt strenge Winterfröste gemeint sein müssen. Die nacheiszeitliche Wanderung der Fichte wurde vermutlich durch Gebirgsbarrieren, edaphische Faktoren und Insekten gestört, wodurch die Fichte im natürlichen Areal nicht ihr ganzes Potenzial ausschöpft.
Weiterlesen

Herausforderung Klimwandel

Bunte DeutschlandkarteZoombild vorhanden

Abb.3: Marginalität (Flächige Farbe) und Site-Index (Punkte) der Fichte in Deutschland. (Grafik: LWF)

Ungewöhnlich trockene Jahre wie der Sommer 2003 geben einen Hinweis darauf, welchen Risiken die Fichte im Klimawandel auf warm-trockenen Standorten ausgesetzt ist: »In der Folge des ungewöhnlich trockenen Jahres 2003 erreichten im westlichen Teil Mittelfrankens die beiden Borkenkäferarten Buch drucker und Kupferstecher eine sehr hohe Dichte. Dies führte in den Folgejahren zu einem großflächigen Befall auch jüngerer (ca. 35-jähriger) Fichtenbestände« (Ammer et al. 2006). ++

Das standörtliche Risiko wird nicht allein durch das Klima bestimmt (Biermayer 2017), warm-trockene Bedingungen sind aber ein zentraler Aspekt. Abschätzungen, in welchen Regionen das Klima für einen Fichtenanbau riskant ist, können über den grundsätzlichen Zusammenhang aus Verbreitung und Klima gewonnen und in Form von Karten dargestellt werden. Der Bayerischen Forstverwaltung stehen dafür Anbaurisikokarten (Falk et al. 2013) im Standort informationssystem BaSIS zur Verfügung. Das Anbaurisiko ist dabei abgeleitet aus europäischen und bayerischen Vorkommen der Fichte und setzt sich aus der klimatischen Risikobewertung und den in Tabelle 2 dargestellten besonderen Standortfaktoren zusammen.

Dabei »sticht« der Boden das Klima, das heißt es erfolgt in jedem Fall die ungünstigere Einwertung, wenn die Anbaurisikoeinwertung ungünstiger ausfällt als die Klimarisikoeinwertung. Die bisherigen Ansätze wurden in den letzten Jahren noch weiter entwickelt (Mellert et al. 2015): Der Abstand zu einem Schwellenwert der Verbreitung wird berechnet und als Maßzahl angegeben. Je weiter die Art an einem Standort mit seinen konkreten klimatischen Bedingungen vom Verbreitungsrand entfernt ist, desto eher kann sie Veränderungen ertragen. Der Abstand zum warm-trockenen Verbreitungsrand ist also wie ein Sicherheitspuffer im Klimawandel.

In Abbildung 3 ist die Marginalität – die quantitativ bestimmte Entfernung zum Verbreitungsrand – der Fichte in Deutschland dargestellt. Grün sind die Bereiche eingefärbt, die sich relativ zentral im Nischenraum der Fichte befinden und daher auch bei Realisierung des Klimawandels noch längere Zeit als geeignet erscheinen. Je weiter sich die Standorte dem Nischenrand nähern, desto gelber wird die Karte.

Im orangen und roten Bereich befindet sich die Fichte bereits außerhalb der Nische und damit typischen Verbreitung. Hier ist das Ausfallrisiko erhöht und Ausfälle wie von Ammer et al. (2006) beschrieben, können in besonders warm-trockenen Jahren oder als Folge davon auftreten. Im Klimawandel werden sich je nach Ausmaß der Temperaturerhöhung die Risikobereiche ausweiten, und der Fichtenanbau wird im Flachland schwieriger. Die Fichte wird hier die teils führende Stellung einbüßen. In klimatisch geeigneten Mittelgebirgs- und Gebirgslagen wird sie jedoch weiterhin eine zentrale Rolle spielen.
weiterlesen

Waldumbaupotenzial der Fichte in Bayern

BalkendiagrammZoombild vorhanden

Abb. 4: Flächenstatistik des Anbaurisikos der Fichte 2100 in Bayern mit einem Überschirmungsanteil von ´ 50 % Fichte. (Grafik: LWF)

Der Klimawandel gefährdet den Fichtenanbau nicht nur am warm-trockenen Rand der Fichtenverbreitung, sondern im Laufe der Zeit auch auf den bisherigen Optimalstandorten. Die Risiken fichtenreicher Bestände zeigen sich bereits heute schon in einem im langjährigen Mittel deutlich höheren Anteil an Zwangsanfällen beim Holzeinschlag vor allem durch Sturm und Borkenkäfer (Biermayer und Tretter 2016).

Der Klimawandel zwingt deshalb zu einer waldbaulichen Neuorientierung und Abwägung zwischen Risiken und Chancen der Fichte. Unter dem Gesichtspunkt eines notwendigen Waldumbaus hin zu anpassungsfähigen und klimatoleranten Wäldern liegt ein besonderes Augenmerk auf einem, den standörtlichen Möglichkeiten angepassten, Forstwirtschaftskonzept insbesondere auch für klimaempfindliche Fichtenreinbestände außerhalb der Hochlagen.

An der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft wird aktuell auf der Grundlage der flächenmäßigen Einschätzung des Anbaurisikos und der fernerkundungsbasiert ermittelten, aktuellen Verbreitung der Fichte ein Planungshilfsmittel für den Waldumbau entwickelt. Dabei wird die Anbaurisikokarte für die Fichte im Jahr 2100 (BaSIS, Taeger und Kölling 2016) mit der TreeIdent-Verbreitungskarte der Fichte (Immitzer et al. 2015) verschnitten und ein Waldumbaupotenzial für die Fichte abgeleitet.

Bereits eingeleitete Umbaumaßnahmen durch Voranbau bzw. Verjüngung unter Schirm werden in der Verbreitungskarte allerdings in der Regel nicht erfasst. Das Waldumbaupotenzial wird auf Flächen als »hoch« bewertet, wenn die Flächen für 2100 ein sehr hohes Anbaurisiko aufweisen und gegenwärtig mit º 50 % Fichte überschirmt werden. Die zahlenmäßige, summarische Einwertung der Fichtenfläche nach Anbaurisikoklassen ist in Abbildung 4 dargestellt. Hiernach ergibt sich ein Waldumbaupotenzial auf ca. 207.000 ha.
weiterlesen

Ausblick

Die Fichte (Picea abies L.) ist die wichtigste Baumart in Bayern. Sie spielt auch im bundesweiten Kontext insbesondere für die Rohholzversorgung eine zentrale Rolle. Im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern gehört die Fichte als Haupt- oder Nebenbaumart in Bayern in vielen Regionen zur natürlichen Waldgesellschaft. Aktuell ist sie in Bayern anbaubedingt mit unterschiedlichen Verbreitungsschwerpunkten zu finden, wobei die Anteile insbesondere in Regionen, in denen sie von Natur aus vorkäme, besonders hoch sind.

Im Zuge des sich vollziehenden Klimawandels werden sich auch spürbare Veränderungen für das Vorkommen und den Anbau der Fichte in Bayern ergeben. Auch in Bayern ist ein weiterer Rückgang der Fichtenfläche zu erwarten. Dies wird insbesondere dort erfolgen, wo aktuell fichtendominierte Bestände zu finden sind und gleichzeitig das standörtliche Anbaurisiko in der Zukunft als sehr hoch angesehen wird.

Die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft hat hierzu in den letzten Jahren wichtige Planungshilfsmittel wie eine satellitendatenbasierte Verbreitungskarte sowie standörtliche Anbauempfehlungen für sich ändernde Anbaubedingungen entwickelt. Diese finden Eingang in das digitale Standortinformationssystem BaSIS der Bayerischen Forstverwaltung. Aktuellen Hochrechnungen zufolge sind in Bayern rund 210.000 ha mit mehr als 50 % Fichte bestockt, welche im Jahr 2100 mit einem sehr hohen Risiko eingestuft werden.

Die Fichte wird als wichtigste Baumart in bayerischen Wäldern sicher erhalten bleiben, wenn auch – je nach Region und Umweltbedingungen – zukünftig häufiger als Mischbaumart in geringerem Umfang bzw. zukünftig nur noch auf einem Teil der forstlichen Standorte einer Region.

Beitrag zum Ausdrucken

Weiterführende Links

Autoren