Forschungs- und Innovationsprojekt
Integrales Schalenwildmanagement im Bergwald
Status: | In Bearbeitung |
Laufzeit | 2016 - 2022 |
Projektleitung: | Alois Zollner, Leiter der Abteilung 6 Biodiversität, Naturschutz, Jagd |
Finanzierung: | Mittel der Bayerischen Forstverwaltung sowie weiterer Kooperationspartner |
Kooperationspartner: | Forstbetriebe Ruhpolding und Bad Tölz der Bayerischen Staatsforsten (BaySF) |
Kurzbeschreibung
Hintergrund und Ziele

Gams
Rot-, Gams- und Rehwild sind die für den Bayerischen Alpenraum charakteristischen Schalenwildarten. Sie stehen in komplexen Wechselbeziehungen mit ihrem Lebensraum und spielen daher beim Erhalt der Multifunktionalität des Ökosystems Bergwald eine entscheidende Rolle. Ein nachhaltiges Schalenwildmanagement kann somit nur dann unterstützend beim Erhalt der Funktionen des Bergwaldes und der angrenzenden Lebensräume wirken, wenn es alle drei Wildarten sowie die Wechselbeziehungen mit ihren Lebensräumen berücksichtigt.
Vor diesem Hintergrund hat die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) in Kooperation mit den Bayerischen Staatsforsten (BaySF) und unter Einbindung externer Experten ein Forschungskonzept ausgearbeitet. Im Kontext des integralen Schalenwildmanagements verfolgt das Projekt das übergeordnete Ziel, die Populationsgröße, den Populationszustand an Hand erlegter Tiere und die Raumnutzung von Gams, Rot- und Rehwild zu erfassen und die potentiellen Wechselwirkungen mit anthropogenen Landnutzungen (z. B. Forstwirtschaft, Tourismus, Jagd, Naturschutz) darzustellen. Das Hauptprojekt wurde um die ergänzenden Untersuchungen "Gamstelemetrie in Bayern" (ab 2018) und "Auswirkungen von Witterungsextremen und anthropogenen Einflüssen auf die Populationsparameter und das Raum-Zeit-Verhalten von Schalenwild im Bayerischen Alpenraum" (ab 2019) erweitert. Die Ziele der mehrjährigen Forschungsinitiative bestehen insbesondere darin, in zwei ausgewählten und für den Bayerischen Alpenraum repräsentativen Modellgebieten folgende Aspekte zu untersuchen, Teilerkenntnisse zu verschneiden und vergleichend gegenüberzustellen:
Es sollen die Populationsgrößen und das Geschlechterverhältnis der drei Schalenwildarten bestimmt und daraus Erkenntnisse für ein praxisnahes Monitoring der drei Schalenwildarten abgeleitet werden.

Losungszählung, Dichteverteilung und Populationsgröße
Die Losung der drei Schalenwildarten wurde in den Projektgebieten jeweils einmal im Frühjahr und einmal im Herbst systematisch gesammelt und über die Kotgenotypisierung die Anzahl der verschiedenen Individuen der Tierart, deren Geschlecht sowie die Anzahl der Detektionen pro Individuum bestimmt. Neben den Populationsgrößen lassen sich also auch Aussagen über das Geschlechterverhältnis treffen. Aus den im Freiland gesammelten Losungsproben wird zunächst mit speziellen Verfahren DNA extrahiert. Die körpereigene DNA des zu untersuchenden Tieres befindet sich dabei in abgestorbenen Darmepithelzellen, die der Losung anhaften. Die Populationsgröße wird letztlich mittels der räumlichen Fang-Wiederfang-Methode berechnet.
Bei den Erstaufnahmen im Projektgebiet Karwendel wurden für alle drei Schalenwildarten zusammen mehr als 2000 Proben gesammelt. Nach den genetischen Untersuchungen konnten bei der Gams beispielsweise 408 Individuen nachgewiesen werden. Nach ersten Schätzungen mittels Bayerischen Analyseansätzen konnte unter Berücksichtigung der Suchpfade der Losungssammler und der Fundpunkte der individuellen Gämsen für das Projektgebiet Karwendel ein Sommerbestand von ca. 650 Tieren ermittelt werden. Auch liefert der räumlich-explizite Ansatz Informationen über die Verteilung und damit zur Raumnutzung der jeweiligen Wildart. Zusammen mit Zähldaten des Forstbetriebes kann auf einen stabilen Bestand geschlossen werden. Die Auswertungen für das Projektgebiet Geigelstein-Kampenwand laufen derzeit.
Die Darstellung und Analyse der räumlich-zeitlichen Lebensraumnutzung der drei Schalenwildarten im jahreszeitlichen Verlauf soll mittels verschiedener Methoden erfolgen. Hierbei kommen die Auswertung der räumlichen Verteilung von Fundpunkten von Schalenwildlosung, ein Fotofallenmonitoring und die Telemetrie zum Einsatz.
So wurde der geschlechtsspezifischen Habitatnutzung bei der Gams im Frühjahr nachgegangen. Dabei konnte eine höhere Spezialisierung bei den Geißen beobachtet werden. Diese nutzen unter anderem stärker die höher gelegenen Flächen sowie Bereiche mit hoher Nahrungsqualität.

Relativer Abundanz Index (RAI)
Fotostory "Kamera, Action! Fotofallenmonitoring für die Wissenschaft"
Ein integrales Schalenwildmanagement berücksichtigt den umfassenden Schutz des Grundeigentums, als auch Belange des Allgemeinwohls und die Ansprüche der Wildtiere. Die erhobenen räumlich-expliziten Daten zur Verteilung der lebenden Population können mit Daten zur anthropogenen Landnutzung verschnitten werden. Daraus sollen Handlungsempfehlungen für das örtliche jagdliche Management sowie andere mit dem Bergwald in Zusammenhang stehende Fachplanungen abgeleitet werden.
Eines der vorrangigen Ziele dieses Arbeitspaketes ist es, die Alters- und Geschlechterverteilung innerhalb der Jagdstrecke zu erheben. Zudem werden von den Jagenden vor Ort neben dem Körpergewicht auch die Hinterfußlänge sowie das geschätzte Alter für jedes erlegte Stück notiert und der Unterkieferast sowie die Nieren entnommen. Beim Gamswild wird zusätzlich die Länge des Jährlingsschlauchs gemessen. So können a) die Kondition (aktuelle körperliche Verfassung des Tieres) und b) die Konstitution (der Entwicklungszustand eines Tieres im Mutterleib und der ersten Wachstumsphase) dargestellt werden. Diese Werte können nach Abschluss der Datenaufnahmen zwischen den beiden Gebieten und anderen Regionen im Alpenraum verglichen werden.
Methodik und Untersuchungsgebiete

Gamswildlebensräume (Foto: T. Kudernatsch)
Die Methodik umfasst konventionelle und bereits implementierte Verfahren, wie die Auswertung von Jagdstrecken nach Geschlecht und Altersklassen, verknüpft mit neuesten Untersuchungsmethoden, wie die Fang-Wiederfang-Methodik (Capture-Mark-Recapture; CMR) über die Kotgenotypisierung. Aus diesen Daten werden mittels geeigneter statistischer Verfahren die Populationsgröße sowie das Geschlechterverhältnis in der Population ermittelt.
Über die Kartierung der Losung in Verbindung mit weiteren Raum-Zeit-Daten, empirischen Daten zum Lebensraum (z. B. Vegetationsaufnahmen) und Daten des Geographischen Informationssystems (GIS) können somit Informationen über die Verteilung und die Lebensraumnutzung der Wildarten abgeleitet werden. Bei diesem integrativen Ansatz werden insbesondere die verfügbaren Fachinformationen zur Situation der Waldverjüngung sowie der Schutzwaldsanierung und der Natura 2000-Managementplanung mit einbezogen.

Fotostory "Jagd auf Gamslosung"
Feldaufnahmen für Schalenwildprojekt im Karwendel gestartet
Durch die Aufnahmen im Gelände – bei denen mäandernd ein 200 m x 200 m Quadrat nacheinander abgesucht wird – taucht man intensiv in den Bergmischwald ein. Während an den Unterhängen an der Isar noch üppige krautige Vegetation die Sucherei erschwert, dominieren weiter oben weiche Grasmatten. Totholz, Moos- und Farnepiphyten auf knorrigen Bergahornen wechseln sich mit faszinierenden Ausblicken ab.
Weiterführende Links und Veröffentlichungen
Interessante Informationen zum Thema im Wildtierportal Bayern