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Kathrin Böhling, Helena Eisele und Alexander Rumpel
Natura 2000 in die Fläche bringen - LWF aktuell 125

Bayerns Implementationspraxis im Kontext europäischer Entwicklungen

Die Aufgabe, Natura 2000 in die Fläche zu bringen, betrifft in Bayern knapp 10% der Landesfläche. Die Verpflichtung, hierfür geeignete Maßnahmen festzulegen, hat sich jedoch nicht nur in Bayern als besondere Herausforderung für die Praxis erwiesen. Der vorliegende Beitrag verfolgt das Ziel, die Umsetzungspraxis der FFH-RL in Bayern im Kontext der Erfahrungen aus anderen Bundesländern und EU-Mitgliedsstaaten darzustellen.

Blick auf Bergkiefern-Moorwald in den AlpenZoombild vorhanden

Abb. 1: Blick über einen Bergkiefern-Moorwald (Wald-Lebensraumtyp 91D3) in den Allgäuer Alpen, der Lebensraum für zahlreiche seltene und teils stark gefährdete Arten ist. (Foto: B. Mittermeier)

Derzeit werden in Bayern und anderen Bundesländern die Managementpläne zur Umsetzung der europäischen Fauna- Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) abgeschlossen. Zusammen mit der Vogelschutz- Richtlinie ist mit der FFH-RL der Aufbau des Natura 2000-Schutzgebietsnetzes beabsichtigt, welches dem Erhalt der für Europa charakteristischen biologischen Vielfalt dient.

Bei dem Gemeinschaftswerk handelt es sich um das weltweit größte Schutzgebietsnetz. Mit Inkraftsetzung der FFH-RL in nationales und Länderrecht gilt seit gut zehn Jahren, dass europäische Naturschutzziele in die Fläche zu bringen sind.

Obwohl es sich um eine EU-Richtlinie handelt, wonach die Mitgliedsstaaten festlegen, wie sie die Vorgaben umsetzen, begleitet die EU-Ebene den Prozess der effektiven Umsetzung der RL im Sinne der vollständigen Erreichung des Richtlinienziels wesentlich mit.

Die FFH-RL gilt als zentrales Instrument zur Umsetzung der europäischen Biodiversitätsziele. Mit dem zurückliegenden, unter breiter Beteiligung der Zivilgesellschaft abgelaufenen Natura 2000-Fitness Check wurde unterstrichen, dass die Richtlinie »fit for purpose« sei. Die Umsetzung der FFHRL wird auch in dem »Biogeografischen Prozess« der EU-Kommission (GD Umwelt) adressiert.

In Expertennetzwerken werden Erfahrungsaustausch und Best Practice-Beispiele gefördert. Gleichzeitig gibt es eine über Jahre andauernde Auseinandersetzung zwischen Kommission und Bundesregierung über die rechtskonforme Umsetzung der Richtlinie, die auch erhebliche Auswirkungen für das Verwaltungshandeln von Bundes- und Länderbehörden mit sich bringt.

Ziele der FFH-Richtlinie

1992 wurde in der Europäischen Union die FFH-RL (Richtlinie 92/43/EWG) verabschiedet. Die Umsetzung derselben geht auch heute noch mit Verunsicherungen über die Eingriffstiefe europäischer Regelungen und Diskussionen über deren Folgen für die Waldbewirtschaftung einher.

Um die Ausgangslage zur Implementationspraxis der FFH-RL zu skizzieren, werden in diesem Abschnitt die Ziele der Richtlinie zusammengefasst. In 24 Artikeln sind die Anforderungen an die Mitgliedsstaaten zum Erhalt natürlicher Lebensräume und wildlebender Tier- und Pflanzenarten festgehalten. Das Hauptziel der Richtlinie und des gesamten Natura 2000-Schutzgebietes ist es,
  • die Erhaltung der biologischen Vielfalt zu fördern,
  • die biologische Vielfalt für nachkommende Generationen zu erhalten sowie
  • sozioökonomische und landeskulturelle Anforderungen zu berücksichtigen.
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Dazu müssen die Mitgliedsstaaten besondere Schutzgebiete ausweisen und mit einer Maßnahmenplanung versehen. Teil dieser Schutzgebiete sind auch die im Rahmen der Vogelschutz-Richtlinie ausgewiesenen Gebiete. Die Richtlinie formuliert einige Punkte recht präzise und verknüpft sie mit zeitlichen Angaben, während andere offener gehalten sind und den Mitgliedsstaaten insgesamt viel Spielraum bei Form und Mitteln der Umsetzung lassen.

Den Weg zur Schutzgebietsausweisung und Managementplanung beschreibt die Richtlinie in vier Schritten. Zunächst müssen die Mitgliedsstaaten alle in ihrem Hoheitsgebiet vorhandenen Lebensraumtypen und Arten umfassend bewerten und innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten der Richtlinie eine Liste vorlegen mit Gebieten, die in das Natura 2000-Netz aufgenommen werden sollten. Die Auswahl der vorgeschlagenen Gebiete erfolgt anhand vorgegebener (naturschutz-)fachlicher Kriterien. Im zweiten Schritt muss innerhalb von sechs Jahren und im Einvernehmen mit den Mitgliedsstaaten die Erstellung einer Liste von Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung erfolgen.

Im dritten Schritt sind die Mitgliedstaaten gefordert, die gelisteten Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung innerhalb von sechs Jahren als besondere Schutzgebiete auszuweisen. Dabei ist auch eine Priorisierung der Wichtigkeit nach dem Gefährdungsgrad oder der Erhaltungsnotwendigkeit vorzunehmen. Im vierten Schritt müssen die Mitgliedsstaaten die nötigen Erhaltungsmaßnahmen für die Schutzgebiete festlegen und die erforderlichen Bewirtschaftungs- oder Wiederherstellungsmaßnahmen ergreifen, um ihren jeweils günstigen Erhaltungszustand in Zukunft sicherzustellen. In diesem Punkt gewährt die Kommission den Mitgliedsländern viel Gestaltungsfreiraum, der in der Vergangenheit durchaus auch zu Unsicherheiten geführt hat. So sollen die Staaten Erhaltungsmaßnahmen festlegen, die »geeignete (…) Bewirtschaftungspläne und geeignete Maßnahmen rechtlicher administrativer oder vertraglicher Art umfassen, die den ökologischen Erfordernissen der natürlichen Lebensraumtypen nach Anhang I und II entsprechen, die in diesen Gebieten vorkommen«.

Die Maßnahmenplanung wird in Artikel 6 der Richtlinie geregelt. Zum einen sind Maßnahmen zu treffen, die eine Verschlechterung des Gebiets vermeiden (Verschlechterungsverbot). Zum anderen müssen für in diesem Gebiet vorgesehene Pläne und Projekte Verträglichkeitsprüfungen mit den Erhaltungszielen durchgeführt werden. Aus Sicht der Kommission sind Managementpläne »nicht obligatorisch«. »Was die Kommission interessiert «, so die Äußerung eines Mitarbeiters von GD Umwelt, »ist, dass die notwendigen Maßnahmen für die ökologischen Bedingungen in den Lebensraumtypen « von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden. »Wenn ein Mitgliedsstaat glaubt, das ohne Managementpläne machen zu können, dann soll er das tun.«a

Implementationspraxis in anderen Bundesländern und EU-Mitgliedsstaaten

Blick über ausgedehnte Buchenmischwälder in einem TalZoombild vorhanden

Abb. 2: Ausgedehnte naturnahe Buchenmischwälder auf Muschelkalk- Standorten im FFH-Gebiet »Taubertal nördlich Rothenburg und Steinbachtal« (Foto: Alexander Rumpel)

In Deutschland gibt es nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz insgesamt 4.544 FFH-Flächen; davon sind etwa zwei Drittel Landesflächen (Abbildung 2). Mit 9,2% (645.891 ha) seiner Landesfläche, die als FFH-Gebiet gemeldet ist, liegt Bayern im Bundesdurchschnitt.

Von den Bundesländern, deren FFH-Gebiete durchweg terrestrisch sind, gibt es in Rheinland-Pfalz mit einem Anteil von 12,9% (258.927 ha) und in Nordrhein- Westfalen mit 5,4% (184.772 ha) im Verhältnis die meisten bzw. die wenigsten FFH-Gebiete. In Bayern gibt es aufgrund der relativ kleinen Flächengrößen in absoluten Zahlen die meisten FFH-Gebiete; gut die Hälfte davon sind Wald. Dies entspricht in etwa auch dem Waldanteil am gesamteuropäischen Natura 2000-Gebietsnetz (Leiner 2015).

Die Gebietsausweisung gilt in Bayern als abgeschlossen. Anders steht es um die Planung der als notwendig erachteten Erhaltungsmaßnahmen. Die Bundesländer nutzen den ihnen übertragenen Spielraum bei der Umsetzung der Richtlinie (Rosenkranz et al. 2012). Anhand der aktuell nur lückenhaften Literatur zur Umsetzung der FFH-RL – es gibt beispielsweise keine veröffentlichten Zahlen zum Bearbeitungsstand in allen Bundesländern – lassen sich bei der Managementplanung und Sicherstellung der festgestellten Maßnahmen gemeinsame Tendenzen feststellen.

Insgesamt zeichnen sich Verzögerungen bei der Managementplanung und der Instrumentenwahl zur Durchsetzung der festgestellten Ziele ab. In Nordrhein-Westfalen lagen Anfang 2019 für 90% der FFH-Waldschutzgebiete Maßnahmenkonzepte vor. Ziel ist, diese Maßnahmenkonzepte bis 2020 auch für die übrigen 10% der FFH-Waldschutzgebiete erstellt bzw. in Bearbeitung zu haben. Baden-Württemberg hat Mitte 2019 gemeldet, dass für gut zwei Drittel der 212 FFH-Gebiete Managementpläne vorliegen (LUBW). Eine zeitnahe Abrundung der Planung wird dort ebenfalls angestrebt.

In Bayern konnten bis zum Jahresende 2019 für knapp 90% der FFH-Gebiete die Managementplanung abgeschlossen werden. Für den Großteil der restlichen Gebiete wird mit dem Abschluss der Managementplanung im Jahr 2020 gerechnet. Demgegenüber sind in Niedersachsen nach Angaben des Landesumweltministers die Planungen für 232 FFH-Gebiete – also knapp zwei Drittel der ausgewiesenen Gebiete – noch nicht abgeschlossen.

Nicht nur in Bayern, sondern beispielsweise auch in Nordrhein-Westfalen sind unterschiedliche Behörden für die Implementierung der FFH-RL in Wald- und in Offenland-Gebieten zuständig. In Bayern sind es die Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und die Unteren Naturschutzbehörden (Arzberger 2018), in Nordrhein-Westfalen der Landesbetrieb Wald und Holz und das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz.

Die Forstverwaltungen beider Bundesländer nehmen eine Sonderstellung bei der Implementierung der Richtlinie ein: i.d.R. sind die Naturschutzbehörden für beide Gebietstypen zuständig (Sotirov et al. 2017). Da die Gesamtverantwortung für die Umsetzung der FFHRL bei den Umweltbehörden liegt und von der Kommission überwacht wird, sind die Forstverwaltungen in Bayern und Nordrhein-Westfalen gegenüber beiden rechenschaftspflichtig (Bichlmeier & Sailer 2009; Borrass 2014).
Tabelle 1: FFH-Gebiete in Deutschland
BundeslandAnzahlFläche terrestrisch [ha]Fläche marin [ha]Fläche, gesamt [ha]Meldeanteil terrestrisch [%]
Baden-Württemberg212417.177 429.37811,7
Bayern674645.891 645.8919,2
Berlin155.478 5.4786,1
Brandenburg595331.846 331.84611,3
Bremen153.3581.6825.0408,3
Hamburg165.87413.45019.3247,8
Hessen583213.063 213.06310,1
Mecklenburg-Vorpommern234285.406288.093573.49912,3
Niedersachsen385325.204284.829610.0326,8
Nordrhein-Westfalen517184.772 184.7725,4
Rheinland-Pfalz120256.927 256.92712,9
Saarland11626.562 26.56210,3
Sachsen270168.665 168.6659,2
Sachsen-Anhalt266179.995 179.9958,8
Schleswig-Holstein271113.768579.551693.3187,2
Thüringen247161.463 161.46310,0
Ausschließliche Wirtschaftszone8 943.984943.98428,6
Deutschland4.5443.325.4482.123.7895.449.2379,3
Quelle: BfN
Die Managementplanung stellt in Deutschland eine Naturschutzfachplanung dar, die in bestimmten Fällen rechtsverbindlich ist. Auf Flächen im Besitz der öffentlichen Hand sind notwendige Erhaltungsmaßnahmen nach herrschender Meinung verpflichtend umzusetzen, auf privaten Flächen jedoch nicht. Von den Bayerischen Staatsforsten heißt es hierzu, dass die Ziele des europäischen Schutzgebietssystems Natura 2000 bei der Waldbewirtschaftung gemäß der gesetzlich geforderten Vorbildlichkeit berücksichtigt werden (Faltl & Riegert 2015).

Für die insgesamt 246.000 ha FFH-Waldgebiete in den Staatsforsten wird die Managementplanung in die Forsteinrichtung integriert und um Regionale Naturschutzkonzepte ergänzt. Gegenüber Privatwaldbesitzern setzen Bayern und andere Bundesländer auf Freiwilligkeit und Kooperation, insbesondere durch ökonomische Anreize und Sensibilisierung. Sofern es sich dabei um gesicherte Maßnahmen des Vertragsnaturschutzes handelt, sind diese von Privatwaldbesitzern verpflichtend umzusetzen.

Für die als FFH-Gebiet ausgewiesenen Wald-Lebensraumtypen bestimmt die Operationalisierung von Erhaltungszielen und -maßnahmen die konkreten forstwirtschaftlichen oder waldbaulichen Konsequenzen. In Deutschland werden vorwiegend Bewirtschaftungspläne als Instrument zur Festlegung der notwendigen Erhaltungsmaßnahmen angewendet. So lässt sich für Bayern und Baden-Württemberg festhalten, dass mit Ausnahme von Altholz, Totholz und Habitatbäumen Maßnahmen vor allem qualitativ beschrieben, jedoch weniger quantifiziert sind, was deren Überprüfung erschwert (Borrass 2014; Rosenkranz et al. 2012). Über die Kartieranleitungen zur Managementplanung und zum Monitoring wurde darüber hinaus ergänzend ein auf weitgehend quantitativen Schwellenwerten basierendes Planungs- und Umsetzungswerkzeug eingeführt.

Natura 2000 gilt als integratives Schutzkonzept. Wie auch im Leitfaden der EUKommission »Natura 2000 und Wälder« betont, sollen bei der Bewirtschaftung von FFH-Gebieten Synergien zwischen Naturschutz und Forstwirtschaft befördert werden (EU-Kommission 2016). Maier und Winkel (2017) stellten fest, dass in verschiedenen Landesforstbetrieben der integrative Ansatz durchwegs befürwortet wird, angesichts der verfügbaren personellen und zeitlichen Ressourcen sowie der insbesondere in urbanen Räumen wahrgenommenen kritischen Öffentlichkeit aber konfliktträchtig in der Umsetzung ist.

In der Praxis zeigt sich, dass einzelne Zielkonflikte mehr öffentliche Aufmerksamkeit erfahren als die zahlreich vorhandenen Zielharmonien. Das Leitbild der integrativen Forstwirtschaft erfordert vor Ort einen Balanceakt und die Verständigung zwischen unterschiedlichen Interessen (Arzberger 2018). Ob beides gelingt, bestimmt nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Mitgliedsstaaten, wie die FFH-RL in die Fläche gebracht wird und die Akzeptanz für die vorgesehenen Maßnahmen ausfällt.

Laut einer Literaturstudie des European Forest Institute (EFI) ist die Umsetzung der FFH-RL außer in Deutschland auch in Frankreich, Österreich, Finnland, Irland und einigen osteuropäischen Ländern stockend angelaufen (Sotirov et al. 2017). Nicht zuletzt in Deutschland war hierfür die anfänglich stark an naturschutzfachlichen Kriterien angelehnte Gebietsausweisung und Planung sowie die in den ersten Jahren der Umsetzung zu geringe Einbeziehung der Grundstückseigentümer ausschlaggebend. Auffällig ist aber auch, dass die Konflikte zu einem Umlenken in Deutschland, Frankreich und Österreich hin zu einem stärker auf Kooperation setzenden Implementationsstil geführt haben.
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Frankreich und die Niederlande werden regelmäßig als Positivbeispiele angeführt, wie Natura 2000 erfolgreich in die Fläche gebracht werden kann. In Frankreich gibt es seit einigen Jahren Gebietsbetreuer (Animateur Natura 2000) und Begleitkomitees für die Managementplanung und -durchführung. In den Komitees sind alle direkt Betroffenen in der Region vertreten, um unter der Leitung der Gebietsbetreuer Lösungen für die partnerschaftliche und transparente Umsetzung des Schutzgebietsnetzes zu erarbeiten. »Natura 2000 ist ein Netz von Gebieten. Und wir sind der Meinung, dass wir ein Netz von Menschen brauchen« – so die Einschätzung aus der Kommission zum französischen Gebietsmanagement. Für die Einrichtung dieser Strukturen werden in Frankreich LIFE+ -Mittel genutzt.

In Österreich gibt es Schutzgebietsbetreuer, deren Managementkompetenzen unter anderem aus ELER-Mitteln gefördert werden (Umweltdachverband). Ein Beispiel aus Deutschland ist das Netzwerk der insgesamt zwölf Natura 2000-Stationen in Thüringen. Diese regional verankerten und staatlich geförderten Kompetenzzentren beraten Landnutzer und führen Erstpflegemaßnahmen durch. Sie werden von den örtlich tätigen Verbänden und Vereinen unterstützt. In den Beispielen zeigt sich, dass Kompetenzen in dezentrale Gebietsstrukturen verlagert, ein »empowerment « der betroffenen Grundstückeigentümer bei Planung und Umsetzung von Erhaltungsmaßnahmen vollzogen sowie finanzielle Anreize genutzt wurden.

Im Unterschied zu Frankreich und anderen EU-Staaten knüpft die Umsetzung der FFH-RL in Großbritannien an bestehende Schutzgebietskategorien und Verwaltungsstrukturen an. So sind die in Anhang I der RL aufgeführten Wald- Lebensraumtypen sehr ähnlich dem dort etablierten »Sites of special scientific interest « (SSSI)-System. Betroffene Eigentümer sind verpflichtet, einen günstigen Erhaltungszustand der ausgewiesenen Flächen zu gewährleisten. Planung und Monitoring des Gebietsmanagements erfolgt durch die britische Naturschutzbehörde. In Großbritannien zeichnet sich bereits seit den 1980er Jahren ein Paradigmenwechsel zu einer stärker an Naturschutzzielen orientierten Forstwirtschaft ab. Die Umsetzung der FFH-RL hat den bereits eingeschlagenen Weg verstärkt (Borrass 2014).

Im Bundesländervergleich und im Vergleich mit anderen Mitgliedsstaaten wird deutlich, dass Entscheidungen über Zuständigkeiten und konkretes Verwaltungshandeln, ebenso wie die Frage, ob vorhandene Strukturen genutzt oder neue aufgebaut werden, zentral für die Umsetzung der FFH-RL sind. Die auf EUEbene definierten Vorgaben und Best Practices werden perspektivisch die Implementationspraktiken in den Mitgliedsstaaten weiter angleichen. Nicht zuletzt von Frankreich und den Niederlanden, aber auch von anderen Bundesländern lässt sich lernen, dass für die mit der FFH-RL einhergehenden Interessenskonflikte regional und lokal Antworten gefunden werden müssen. Wie sich Bayern hierauf einstellt, wird im nächsten Abschnitt abrundend dargestellt.

Natura 2000 in Bayern: Was steht an?

Mit der »Gemeinsamen Bekanntmachung « vom 4. 8. 2000 fand die Wahrnehmung des Gebietsmanagements Natura 2000 im Wald durch die Forstverwaltung eine formale Regelung. Um dem Arbeitspensum bei der verantwortungs- und fachlich anspruchsvollen Managementplanung zu begegnen, wurden im Zuge der Forstreform (2005) zusätzliche Stellen für das neue Arbeitsfeld geschaffen und Regionale Natura 2000-Kartierteams in den Regierungsbezirken gebildet.

Mit dem anstehendem Abschluss der Managementplanung werden die Kartierteams in eine Folgestruktur, die sogenannten »Fachstellen für Waldnaturschutz«, überführt. Tätigkeitsschwerpunkte der Fachstellen sind: Überregionaler Waldnaturschutz, Verträglichkeitsabschätzungen/-prüfungen im Rahmen des Gebietsmanagements, Fortschreibung der Managementpläne, Kartierungen und Monitoring, Umsetzung aktiver Erhaltungsmaßnahmen (z. B. als LIFE-Projekte), Schulung und Beratung in Naturschutzfragen sowie regionale Öffentlichkeitsarbeit und Beteiligungsprozesse. In Mittelfranken und Niederbayern sind die ersten Fachstellen bereits etabliert. Die dortigen Teams sorgen dafür, dass die ÄELF Natura 2000 und weitere Aspekte des angewandten Waldnaturschutzes im Rahmen ihrer Aufgaben sachgerecht umsetzen können.

Hinzu kommt, dass die Aufgaben aus dem Bereich Natura 2000 noch konsequenter vor Ort in der täglichen Revierarbeit wahrgenommen werden sollen, wie etwa die entsprechende Beratung und Sensibilisierung von Waldbesitzenden, die Umsetzung integrativer Erhaltungsmaßnahmen (z. B. WALDFÖPR, VNPWald) sowie die Mitarbeit bei den von den Fachstellen für Waldnaturschutz verfassten Gebietsberichten als laufendes Überwachungswerkzeug im Rahmen des Gebietsmanagements.

Ziel der Reform ist es, die Verantwortlichkeiten vor Ort zu stärken. Nach außen soll vor allem der Revierdienst als zentraler Ansprechpartner für die FFH-RL agieren, was sich angesichts der zumeist hohen Auslastung als besondere Herausforderung für die Umsetzung der FFH-RL auf der Fläche erweisen könnte.

Fazit

In Bayern wurden jüngst die ersten regionalen »Fachstellen für Waldnaturschutz « eingerichtet und der Revierdienst mit zusätzlichen Aufgaben betraut. Diese Maßnahmen dienen auch dafür, die Umsetzung der FFH-RL zu verstetigen und Belange des Waldnaturschutzes gemäß EU-Vorgaben sicherzustellen.

Vorausgegangen sind Kartierung, Zielbestimmung, Maßnahmenplanung sowie vielfältige Abstimmungsprozesse mit betroffenen Grundstückseigentümern und Naturschutzbehörden. Europäischer Naturschutz ist somit in der Fläche angekommen. Wie in anderen Ländern auch, werden in Bayern auf lokaler Ebene Lösungen gefunden, um Erhaltungsmaßnahmen für die spezifizierten Wald-Lebensraumtypen durchzuführen.

Die für die Umsetzung der FFH-RL unternommenen Anstrengungen lassen den Schluss zu, dass die Richtlinie forstliche Praxis beeinflusst, ihre Eingriffstiefe jedoch kaum quantifiziert werden kann. Gleichwohl ist die EU auf ein entsprechendes Berichtswesen für Monitoring und Bewertung der Richtlinie angewiesen. Damit widerspricht die Logik der FFH-RL den gewachsenen Strukturen im bayerischen Forstsektor.

Ein auf Zusammenarbeit setzendes Gebietsmanagement kann helfen, die Auseinandersetzungen um die rechtskonforme Umsetzung der FFH-RL zu mindern. Ganz vermeiden lassen werden sich die Konflikte zwischen regulativem EU-Naturschutzrecht und forstlicher Praxis aber nicht.

Die Sicherung des europäischen Naturerbes kann nur gelingen, wenn Landnutzung, Naturschutz, Interessensverbände und Politik intensiv zusammenarbeiten und sich die partnerschaftliche Weiterentwicklung des Netzwerkes Natura 2000 als tragendes Prinzip etabliert.

Zusammenfassung

Die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) soll auf dem Gebiet der EU das weltweit größte Schutzgebietsnetz Natura 2000 schaffen. In Bayern betrifft dies 9,2% der Landesfläche, wovon die Hälfte Wald sind. Die FFH-RL ist vor gut zehn Jahren in Kraft getreten. Die Diskussionen über die rechtskonforme Umsetzung dauern jedoch an.

Der vorliegende Artikel verfolgt deshalb das Ziel, die bayerische Umsetzungspraxis in den Kontext europäischer Erfahrungen zu setzen und damit zum Verständnis über die Relevanz des Verwaltungshandelns beizutragen.

Bezogen auf die Umsetzung der FFH-RL in Bayerns Wäldern kommt der Artikel zu dem Schluss, dass der von der EU eingeforderte regulative und auf Berichtspflichten setzende Naturschutz nicht ohne weiteres mit der forstlichen Praxis vereinbar ist. Dies führt zu Konflikten, die durch eine partnerschaftliche Weiterentwicklung des Netzwerkes Natura 2000 gelöst werden können.
Literatur
  • Arzberger, M. (2018): Gefangen zwischen objektivem Ziel und subjektiven Interessen. Konfliktdynamik 4/2018, S. 264–273
  • Bichlmeier, F.; Sailer, W. (2009): Natura 2000 – Eine Gemeinschaftsaufgabe. LWF aktuell 69, S. 3–5
  • Borrass, L. (2014): Varying practices of implementing the Habitats Directive in German and British forests. Forest Policy and Economics 38, S. 151–160
  • EU-Kommission (2016): Natura 2000 und Wälder. Teil I-II. http:// ec.europa.eu/environment/nature/natura2000/management/docs/ Final%20Guide%20N2000%20%20Forests%20Part%20I-II-Annexes_de.pdf (zuletzt aufgerufen: 05.02.2019)
  • Faltl, W.; Rieger, C. (2015): Forstbetriebsplanung der Bayerischen Staatsforsten in Natura 2000-Gebieten. Umsetzung der Natura 2000-Erhaltungsziele in der Forsteinrichtung. LWF aktuell 104, S. 8–11
  • Kompetenzzentrum Natura 2000-Stationen: Natura-2000-Stationen in Thüringen. https://www.natura2000-thueringen.de/ (zuletzt aufgerufen: 22.11.2019)
  • Leiner, S. (2015): Natura 2000 im Wald – Was sagt Brüssel? LWF aktuell 106, S. 7–9
  • LUBW – Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg: MaP Bearbeitungsstand. https://www.lubw.baden-wuerttemberg.de/ natur-und-landschaft/map-bearbeitungsstand (zuletzt aufgerufen: 21.11.2019)
  • Maier, C.; Winkel, G. (2017): Umsetzung von integrativem Naturschutz auf operativer Ebene. AFZ-Der Wald 11, S. 35–37
  • Rosenkranz, L.; Wippel, B.; Seintsch, B. (2012): FFH-Impact: Teil 1: Umsetzung der FFH-Richtlinie im Wald in den Bundesländern. Arbeitsbericht Nr. 04. Zentrum Holzwirtschaft, Universität Hamburg
  • Sotirov, M. (Hg.) (2017): Natura 2000 and forests – Assessing the state of implementation and effectiveness. EFI – What science can tell us. 155 S.
  • Umweltdachverband: Veranstaltungen für SchutzgebietsbetreuerInnen. https://www.umweltdachverband.at/themen/naturschutz/ biodiversitaet/veranstaltungen-fuer-schutzgebietsbetreuerinnen/ (zuletzt aufgerufen: 12.02.2019)

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Weiterführende Informationen

Autoren

  • Kathrin Böhling
  • Helena Eisele
  • Alexander Rumpel