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Forschungsprojekt A-DUR: Revitalisierte Auwälder an der Mittleren Isar
von Anna-Katharina Eisen, Korbinian Tartler, Clemens Detsch, Tobias Fuchs, Sophie Feiertag, Johannes Kollmann, Jörg Ewald, Annette Menzel, Monika Egerer und Peter Annighöfer

Person hält im Wald ein gelbes rechteckiges Gerät in die Luft.Zoombild vorhanden

Abb. 1a: Lichtmessung mit dem Solariscope. (© K. Tartler)

Auwälder gehören zu den artenreichsten und zugleich gefährdetsten Lebensräumen Mitteleuropas. Durch ihre Dynamik und Vielfalt sind sie nicht nur von großer ökologischer Bedeutung, sondern auch für den Hoch­wasserschutz, das regionale Klima und die Naherholung unersetzlich. Im Jahr 2020 wurden insgesamt 2.312 ha Staatswald an der Mittleren Isar aus der forstlichen Nutzung genommen und als Naturwald ausgewiesen. Doch wie entwickeln sich diese Flächen unter den neuen Bedingungen? Das 2024 gestartete Forschungsprojekt A-DUR geht genau dieser Frage nach.

Die Isar-Auen sind, wie viele europäische Auwälder, stark durch die historische Nutzung geprägt (Tockner & Stanford, 2002; Glaeser & Volk, 2009). Wasserbauliche und energiewirtschaftliche Eingriffe (u. a. Begradigung, Ableitung, Eintiefung), Landwirtschaft, Siedlungen und Infrastruktur haben die natürliche Dynamik stark verändert (Stammel et al., 2021). Das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Wiederherstellung naturnaher Verhältnisse, um die einzigartigen Ökosystemleistungen dieser Wälder zu bewahren, ist in den letzten Jahrzehnten gestiegen (Kollmann, 2019). Seit der Ausweisung als Naturwald laufen die Prozesse in den Auen an der Mittleren Isar zwischen Münchens Norden und Landshut ohne aktive Waldbewirtschaftung ab. Nur dort, wo es aus Sicherheitsgründen oder zur Verhinderung von Schäden nötig ist, wird noch eingegriffen (Art. 12a Abs. 2 BayWaldG). Diese Wälder leisten nicht nur einen wichtigen Beitrag zur Förderung der Biodiversität, sondern dienen auch als Referenzsystem für die Anpassung an den Klimawandel.

Um diesen langfristig angelegten Prozess zu begleiten, wurde federführend von den örtlich zuständigen Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (ÄELF) der Bayerischen Forstverwaltung (FoV) in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Forstbetrieben der Bayerischen Staatsforsten (BaySF) ein Naturwaldentwicklungskonzept (NEK) erarbeitet. Dieses dient als Planungsinstrument um die Zielvorgaben der Naturwälder zu erfüllen und wird gemeinsam mit den beteiligten Akteuren entwickelt. Neben einer ausführlichen Beschreibung der Naturwaldkulisse werden u. a. wertvolle Lebensräume und Arten, Möglichkeiten des Naturerlebnisses und Gebietsmanage­mentmaßnahmen dargestellt. Doch wie wird sich der Wegfall der aktiven Waldbewirtschaftung auf die Waldstruktur, die Biodiversität und die Resilienz gegenüber klimatischen Veränderungen tatsächlich auswirken? Werden sich die Auwälder von selbst verjüngen oder braucht es gezielte Maßnahmen zur Steuerung?

Vom Experiment zum Vorbild: Wissenschaft trifft Praxis

Genau hier setzt das Forschungsprojekt A-DUR an, das die Dynamik, Resilienz und Multifunktionalität dieser Auen un­tersucht. A-DUR ist Teil des groß angelegten Förderprogramms REGULUS des BMBF, also eine der zehn regionalen Innovationsgruppen für eine klimaschützende Wald- und Holzwirtschaft und ein Paradebeispiel für Teamarbeit. Unter Leitung von Prof. Dr. Peter Annighöfer (TUM) und koordiniert durch das Zentrum Wald Forst Holz Weihenstephan sind verschiedene Arbeitsgruppen der TU München und der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) involviert. Die LWF, die FoV und die BaySF sind ebenfalls Projektpartner. Weiterhin sind der Bund Naturschutz e. V. sowie die Unternehmen Scientes Mondium und Green Solutions beteiligt.
Das Ziel: Ein besseres Verständnis für die Wechselwirkungen zwischen Standortbedingungen, Sukzessionsprozessen und gesellschaftlichen Anforderungen der Auwälder an der Mittleren Isar zu gewinnen. Die Ergebnisse sollen dazu beitragen, effektive Strategien für die nachhaltige Entwicklung dieser wertvollen Ökosysteme zu erarbeiten. Hierfür führt das Forschungsteam über fünf Jahre hinweg ein umfassendes Monitoring durch, das den aktuellen Zustand dieser sensiblen Ökosysteme dokumentiert, wobei Forscher und Praxispartner eng zusammenarbeiten, um die Ergebnisse in praxisorientierte Managementpläne zu überführen. Ein tieferes Verständnis der Auswirkungen der forstlichen Nutzung, der Erholungsaktivitäten und der Regenerationspotenziale ist entscheidend, um die positiven Effekte dieser Wälder auf den Klimaschutz und die Gesellschaft zu maximieren. Die Untersuchungen gliedern sich in fünf Teilprojekte: Gehölzverjüngung (TP 1), Walddynamik und Kohlenstoffspeicherung (TP 2), Prozessschutz vs. Artenschutz (TP 3), Erholungsnutzung, Klima- und Gesundheitsleistungen (TP 4) sowie gesellschaftliche Bewertungen (TP 5).

Die große Feldstudie: A-DUR in Aktion

Das Versuchsdesign der Teilprojekte setzt auf einen inter- und transdisziplinären Ansatz, um die komplexen Wechsel­wirkungen zwischen hydrologischen Be­dingungen, Baumartenzusammensetzung, Biodiversität, klimatischen Einflüssen und gesellschaftlicher Nutzung in Auwäldern zu erfassen. Die waldökologischen Felderhebungen erfolgen auf 120 gemäß einer stratifizierten Zufallsauswahl eingerichteten Probeflächen, die die Variabilität der Naturwälder repräsentieren.
Im Mittelpunkt von TP 1 steht die Gehölzverjüngung, insbesondere die Auswirkungen veränderter Überflutungsregime auf die Baumarten. Ein hydrologisches Modell ermöglicht es, Veränderungen im Grundwasserspiegel zu verstehen und bietet eine Datengrundlage für die Standortbewertung und deren Einfluss auf die Baumarten. Ergänzend werden Gewächshausversuche mit Jungbäumen von vier derzeit im Auwald vorkommenden Baumarten, Schwarzpappel (Populus nigra), Flatterulme (Ulmus laevis), Stieleiche (Quercus robur) und Winterlinde (Tilia cordata) durchgeführt. Untersucht wird das Wachstumsverhalten unter verschiedenen Licht-, Boden- und Wasserbedingungen. Zusätzlich werden biotische Interaktionen simuliert, indem Konkurrenzversuche mit dem Drüsigen Springkraut (Impatiens glandulifera) stattfinden.
Hemisphärisches Foto mit Blick in den Himmel.Zoombild vorhanden

Abb. 1b: Hemisphärisches Foto mit Klassifizierung der Vegetationsdeckung anhand von Helligkeitsschwellwerten. (© C. Detsch)

Im Bestand wird (im Verbund mit TP 2) die Verjüngungssituation und die Walddynamik durch eine stichprobenartige Inventarisierung der Gehölze untersucht. An jedem Probepunkt werden fünf Unterpunkte analysiert und die Baumindividuen in Höhenklassen kategorisiert, um eine künstliche Zeitreihe zu generieren. Diese Daten werden mit Aufnahmen eines Solariscopes (Abbildung 1) kombiniert, das hemisphärische Fotos aufnimmt und diese zur Analyse der punktuellen Lichtverfügbarkeit verwendet. Daneben wird der biotische Einfluss durch Altbestand und Konkurrenz erhoben. Diese Parameter liefern wertvolle Einblicke auf die potenzielle zukünftige Waldentwicklung der Auwälder. Die ersten Ergebnisse des Monitorings bestätigen die Auswirkungen des Verlusts der natürlichen Auendynamik durch seltenere Überflutungsereignisse auf die zu erwartende Baumartenzusammensetzung. Während typische Arten der Weichholzaue wie Pappel und Weide unter fehlendem Rohboden leiden und die Esche mit der Pathogenlast durch das Eschentriebsterben zu kämpfen hat, scheinen eher auenuntypische Arten wie der Bergahorn von den veränderten Bedingungen zu profitieren.
Im Fokus von TP 2 steht neben der Walddynamik auch die Kohlenstoffspeicherung: Mit Fernerkundungs- und Waldinventurmethoden wird das Potential unterschiedlicher Baumarten zur Bindung von Kohlenstoff in oberirdischer Biomasse in den Wäldern der Isarauen erforscht. Hierbei kommt die dreidimensionale Erfassung der Waldstruktur mittels mobilem Laserscanning zum Einsatz (Abbildung 2). Diese Methode liefert präzise Daten zur räumlichen Verteilung von Baumkomponenten, aus denen sich Kenngrößen zur Baumhöhe, zum Kronenvolumen und zur Biomasse ableiten lassen. Ergänzend liefern Jahrringanalysen von Bohrkernen wertvolle Hinweise, um das Baumwachstum retrospektiv zu untersuchen.
Person arbeitet mit Mesgeräten am Waldrand.

Abb. 2a: Georeferenzierung mit dem mobilen Laserscanner. (© A. Reichenbach)

Ausschnitt einer bunten Punktwolke in Baumform.

Abb. 2b: Ausschnitt der Punktwolke auf Plotgröße. (© C. Detsch)

Prozessierte bunte Punktwolke mit Blick von oben auf einen Bestand.

Abb. 2c: Prozessierte Punktwolke auf Plotgröße. (© C. Detsch)

Insektenfalle mit gespannten Netzen und Sensoren.Zoombild vorhanden

Abb. 3: Malaisefalle mit Horchbox und Klimasensor
(© T. Fuchs)

TP 3 befasst sich mit Zielkonflikten zwischen Prozess- und Artenschutz sowie Erholungsnutzung in den Isarauen. Dazu wird die räumliche Verteilung der Biodiversität innerhalb der Aue anhand von ­Moosen, Gefäßpflanzen, Fluginsekten, Tagfaltern und Vögeln analysiert. Das stratifizierte Stichprobennetz ermöglicht dabei die Erfassung von Standort- und Nutzungsgradienten. Über zwei Jahre hinweg werden Vegetationsaufnahmen durchgeführt, wobei die Pflanzendeckung nach der Londo-Skala erfasst wird. Zusätzlich wird der Oberboden auf Nährstoffe analysiert. Stammbewohnende Moose (Epiphyten) werden in Anlehnung an die DIN-Richtlinien zur Luftgütekartierung getrennt nach Baumarten aufgenommen. Zur Untersuchung der Fauna werden unterschiedliche Methoden eingesetzt: Vogelstimmen werden mittels automatisierter Audiorekorder aufgezeichnet. Insekten werden durch Malaise-Fallen erfasst (Abbildung 3) und mittels Metabarcoding analysiert. Ergänzend wird die Tagfalterfauna durch wiederholte Begehungen dokumentiert. Eine Citizen-Science-Kooperation mit dem Bund Naturschutz erweitert die Datenerhebung über die 120 Stichprobenplots hinaus.
TP 4 analysiert die klimatischen Effekte der Isarauen und deren Bedeutung für Erholung und Gesundheit der Waldbesucher. Die großflächige Kühlleistung der Isaraue wird durch die Analyse der Landoberflächentemperatur mittels Land­­sat-9-Satellitendaten ermittelt. Kleinräumige Temperaturmessungen erfolgen mit Drohnen und Thermalinfrarotkameras (Abbildung 4). Ein Messnetz aus Wetterstationen und Klimaloggern sowie Messungen von allergenen Pollen ergänzen die Daten. Um die Erholungswirkung in Abhängigkeit verschiedener Waldstrukturen zu untersuchen, werden Probanden während Spaziergängen mit GPS-Trackern, meteorologischen Sensoren, EEG-Geräten und Pulsuhren ausgestattet. Sogar Speichelproben für Cortisol-Analysen kommen zum Einsatz, um den Stresshormonspiegel zu bestimmen. So können die physiologischen Reaktionen der Besucher erfasst und die Auswirkungen auf das Wohlbefinden bewertet werden. Die Ergebnisse liefern wichtige Erkenntnisse für die Bewertung und Planung klimaangepasster Waldstrukturen, die sowohl ökologische Funktionen als auch menschliche Er­holungsbedürfnisse berücksichtigen. Dies trägt dazu bei, nachhaltige Strategien für die multifunktionale Nutzung und den Schutz der Isarauen zu entwickeln.
Luftaufnahme der Isar mit den Isarauen.

Abb. 4a: UAV-Aufnahme der Isarauen bei Moosburg im Juli 2024 (© S. Feiertag)

Luftaufnahme der Isarauen in Gelb- Rot- und Violettönen, die die Oberflächentemperatur zeigen

Abb. 4b: UAV-Aufnahme der Isaraue bei Moosburg mit Thermalkamera (© S. Feiertag)

TP 5 startet im Jahr 2026 und erforscht die gesellschaftliche Wahrnehmung und Nutzung der Auwälder. Mit Geoinformatik und Citizen-Science-Ansätzen werden Erholungs- und Freizeitnutzungen entlang der Isaraue in Bezug auf die Wahrnehmung der Auwaldstruktur und -eigenschaften erfasst. GPS-Tracking, Besucherbefragungen und Kamera- und Zählsysteme ermöglichen die Modellierung menschlicher Einflüsse auf Ökosystemleistungen über Raum und Zeit.

Ausblick: Chance für die Isar-Auwälder – Forschung und Lehre, die vor Ort wirken!

Das Forschungsprojekt A-DUR zeigt schon jetzt, dass eine wissenschaftlich fundierte Begleitung der Auwaldentwicklung unerlässlich ist, um langfristige Strategien für deren Schutz, Entwicklung und Nutzung zu erarbeiten. Durch die enge Verzahnung von Feldforschung, modernen Fernerkundungsmethoden und experimentellen Ansätzen gelingt es, die Dynamik und Resilienz dieser besonderen Ökosysteme ganzheitlich zu erfassen. Besonders hervorzuheben ist der transdisziplinäre Ansatz, der ökologische wie gesellschaftliche Aspekte miteinander verbindet. Die Kombination aus praxisnaher Forschung und innovativen Methoden liefert wertvolle Impulse für ein nachhaltiges Auwaldmanagement. Die gewonnenen Erkenntnisse fließen nicht nur in das bestehende NEK ein, sondern auch in bundesweite Schutzkonzepte und bereichern die Lehre und Öffentlichkeitsarbeit, die das Bewusstsein für die Bedeutung von Auwäldern fördern. Damit bietet das Projekt eine zukunftsweisende Grundlage für den Schutz und die nachhaltige Entwicklung dieser wertvollen Lebensräume an der Mittleren Isar und darüber hinaus.

Zusammenfassung

Auwälder gehören zu den gefährdetsten Lebensräumen Mitteleuropas. 2020 wurden entlang der Mittleren Isar, Bayerns größtem Auwaldgebiet, 2.312 ha Staatswald aus der Nutzung genommen. Das 2024 gestartete Forschungsprojekt REGULUS: A-DUR untersucht die Dynamik, Resilienz und Multifunktionalität dieser Flächen. Wissenschaftler analysieren Standortveränderungen, Nutzungsverzicht und Freizeitnutzungen, um nachhaltige Managementstrategien zu entwickeln. Die Forschung gliedert sich in fünf Teilprojekte, die Gehölzverjüngung, Walddynamik, Artenschutz, Klimaleistungen und gesellschaftliche Wahrnehmung untersuchen. Modernste Methoden wie Laserscanning, hydrologische Modellierungen und Citizen Science kommen zum Einsatz. Die Ergebnisse sollen langfristige Strategien für den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Isar-Auen liefern.

Literatur

  • Fang, H., Baret, F., Plummer, S., & Schaepman‐Strub, G. (2019): An overview of global leaf area index (LAI): Methods, products, validation, and applications. Reviews of Geophysics, 57, S.739-799.
  • Glaeser, J., & Volk, H. (2009): Die historische Entwicklung der Auenwälder in Deutschland – Ein Überblick. Allg. Forst- u. J.-Ztg. 180 (7/8), S. 140-151.
  • Kollmann, J. (2019): Fließgewässer. Renaturierungsökologie (Hrg. J. Kollmann, A. Kirmer, N. Hölzel, S. Tischew & K. Kiehl), S. 125–170. Springer Spektrum Verlag, Berlin
  • Stammel, B.; Fischer, C.; Cyffka, B. et al. (2021): Assessing land use and flood management impacts on ecosystem services in a river landscape (Upper Danube, Germany). River Res. Appl. 37, S. 209–220.
  • STEMELF (2022): Naturwald "Auwälder an der mittleren Isar". – Online unter: https://www.stmelf.bayern.de/wald/waldnaturschutz_biodiversitaet/naturwald-isaraue/index.html
  • Tockner, K.; Stanford, J. A. (2002): Riverine flood plains: present state and future trends. Envir. Conserv. 29 (3), S. 308–330.

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