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Markus Blaschke und Angela Siemonsmeier
Schnecken im Höhengradienten des Bayerischen Waldes – LWF aktuell 126

Meereshöhe und Baumartenzusammensetzung bestimmen Artengemeinschaften

Schnecken sind mit rund 100.000 Spezies die artenreichste Klasse unter den Mollusken. In unseren mitteleuropäischen Wäldern stellen Schnecken eine wichtige ökologische Gruppe dar. Zudem zeigen sie als äußerst sensible Bioindikatoren Veränderungen im Waldökosystem auf.
Im Rahmen eines Forschungsvorhabens im Bayerischen und Neuburger Wald, das entlang eines Höhengradienten einen Vergleich von Naturwaldreservaten und Wirtschaftswäldern einschließt, wurde zehn Jahre nach der ersten Schnecken-Inventur auch eine Wiederholungsaufnahme dieser Artengruppen durchgeführt.

Höhenprofil des Bayerischen Waldes mit BaumartenvorkommenZoombild vorhanden

Abb. 1: Schematische Darstellung des Höhengradienten (Grafik: LWF)

Nachdem bereits im Jahr 2009 ein Höhengradient in acht Naturwaldreservaten (Abbildung 1) des Bayerischen und Neuburger Waldes angelegt und auf den dortigen Flächen sieben unterschiedliche Artengruppen untersucht werden konnten, wurde im Jahr 2019 im Rahmen des Projekts »Höhengradient« eine Wiederholung dieser Aufnahmen durchgeführt. Zudem konnten zu jeder Fläche auch je zwei Vergleichsflächen in bewirtschafteten Wäldern in das Projekt aufgenommen werden.

Zu jedem der insgesamt 48 Probekreise in den Naturwaldreservaten wurde eine Vergleichsfläche im Wirtschaftswald mit ähnlicher Baumartenzusammensetzung und eine weitere Fläche mit einem erhöhten Nadelholzanteil (i.d.R. Fichte, teilweise Tanne) mit einbezogen. In den Hochlagen des Bayerischen Waldes, wo die Naturwaldreservatsflächen bereits durch fast reine Fichtenbestände geprägt waren, wurde neben Vergleichsflächen mit ähnlicher Baumartenzusammensetzung je eine Vergleichsfläche mit einer Beimischung von Laubholz in das Projekt aufgenommen.

Somit ergaben sich für jeden Punkt in einem Naturwaldreservat ein Punkt im Wirtschaftswald mit dominierender Laubholzkomponente und ein Punkt mit höheren Nadelholzanteilen. Insgesamt umfasst der Höhengradient Flächen am Inn in einer Höhe von 320 m ü.NN bis zu den Probeflächen am Arber-Gipfel auf circa 1.400 m ü.NN.

Artenzahlen im Vergleich mit nationalen und internationalen Untersuchungen

Schwarze Nacktschnecke auf altem BuchenlaubZoombild vorhanden

Abb. 2: Schwarzer Schnegel (Limax cinereoniger) (Foto: M. Blaschke)

Die Schnecken wurden wie bereits 2009 in einer jeweils 30-minütigen Begehung der insgesamt 144 Probepunkte im Herbst 2019 erfasst. Dabei wurden insbesondere Strukturen wie Felsen, Totholzstücke, Pilzfruchtkörper usw. abgesucht, an denen sich Schnecken bevorzugt aufhalten.
Insgesamt wurden 36 Arten auf den Flächen nachgewiesen. In den einzelnen Untersuchungsgebieten um ein Reservat mit 18 Probepunkten schwankte die Artenzahl zwischen drei Arten in den Hochlagen um den Arber (etwa 950–1.250 m ü.NN) und bis zu 23 Arten im Gebiet um das Naturwaldreservat Frauenberg (ca. 460–650 m ü.NN) in der Nähe von Grafenau.

Eine ähnliche Tendenz einer mit der Höhe abnehmenden Artenzahl konnten auch Auvry et al. (2005) und Albano et al. (2014) in zwei Höhengradienten südlich der Alpen beobachten. Aber auch für die Alpen bestätigte Hausdorf (2006) eine solche Situation mit einer maximalen Artenvielfalt zwischen 300 und 500 m ü.NN. Die am weitesten verbreiteten Arten im Bayerischen Wald waren der Schwarze Schnegel (Limax cinereoniger) (Abbildung 2), der Artenkomplex der Braunen Wegschnecke (Arion fuscus/subfuscus) (Boschi 2011) und eine kleinere Gehäuseschnecke, die Glatte Schließmundschnecke (Cochlodina laminata).

Die im Flachland weit verbreitete Rote Wegschnecke (Arion rufus) (Abbildung 3) war nur in den Wäldern der unteren Höhenlagen in der Nähe von Donau und Inn nachzuweisen. Wohl durch die extreme Trockenheit während des Sommers bis in den Herbst 2019 waren die Artenzahlen geringer als bei der Begehung 2009 und auch geringer als in ähnlichen Untersuchungen in der Rhön (Gerlach & Colling 2018) und im Nationalpark Bayerischer Wald (Rieger et al. 2010). Im Vergleich zur Rhön ist dies auch der besseren Nährstoffversorgung dort geschuldet.

Schnecken-Monitoring

Braun-rote Nackschnecke auf TotholzastZoombild vorhanden

Abb. 3: Rote Wegschnecke (Arion rufus) (Foto: M. Blaschke)

Betrachtet man die Verteilung der Nachweise auf den Probekreisen und die Artenhäufigkeiten, so zeigt sich, dass die Hochlagen sowohl hinsichtlich der Einzelnachweise wie auch der Artenzahlen abfallen und gerade die Lagen bis 600 m Meereshöhe deutlich schneckenfreundlicher erscheinen (Abbildung 4a). Ein wichtiger dafür verantwortlicher Parameter zeigt sich auch bei einem Vergleich zwischen den Nachweisen und der Artenausstattung der verschiedenen Nutzungsformen (Abbildung 4b).

Es sind die nadelholzreicheren Waldbestände, die deutlich weniger Vielfalt bei den Schnecken zeigen. Zu einem analogen Ergebnis kommen Studien in der Rhön (Gerlach & Colling 2018), wo alte, laubholzreiche Prozessschutzflächen sich in der Artenzusammensetzung deutlich von nadelholzreicheren Beständen unterscheiden.

Dagegen waren die Unterschiede zwischen den bewirtschafteten laubholzgeprägten Wäldern und den Naturwaldreservaten im Bayerischen Wald über alle Probeflächen betrachtet nur sehr gering. Im Nationalpark Bayerischer Wald wurden in Urwaldresten deutlich mehr Arten als in bewirtschafteten Flächen gefunden (Rieger et al. 2010).

Ähnlichkeitsanalysen

Zwei Koordiantensysteme, x-Achse mit Anzahl Nachweisen, y-Achse mit Anzahl Arten; darin bunte KurvenZoombild vorhanden

Abb. 4: Artenzahlen und Nachweiszahlen für die Schnecken (Grafik: LWF)

Ähnlichkeitsanalysen wie die Detrended Correspondence Analyse (DCA) (Abbildung 5) machen es möglich, Artenzusammensetzungen auf den Probeflächen untereinander zu vergleichen und die Ergebnisse in grafischer Form zusammenzufassen.

So werden Probeflächen mit ähnlichen Artenzusammensetzungen immer in unmittelbarer Nähe auf dem zweidimensionalen Feld angezeigt, während Flächen mit deutlich unterschiedlichen Artenzusammensetzungen auf gegenüberliegenden Seiten zu liegen kommen. Darüber hinaus können anschließend ökologische Parameter mit der Artenausstattung verschnitten und bei höherer Signifikanz ebenfalls grafisch (hier als Pfeile) dargestellt werden.

Bei den Schnecken im Höhengradienten zeigte sich auf der ersten, horizontalen Achse von links nach rechts eine Anordnung, die in erster Linie mit der Meereshöhe bzw. der Jahresdurchschnittstemperatur auf den Flächen zusammenhängt. Auf der zweiten, vertikalen Achse stellen sich insbesondere Bodenparameter dar.
Grafik mit bunten Kringeln Zoombild vorhanden

Abb. 5: Ähnlichkeitsanalyse der Artenzusammensetzungen der Schnecken (Grafik: LWF)

Entlang dieser Achse nehmen die felsigen bzw. grobkörnigeren Böden nach oben hin zu, dagegen sind die Flächen mit feuchteren und feinkörnigeren Böden im unteren Bereich angeordnet. Weiterhin ordnen sich die Flächen noch nach zunehmendem Anteil der Fichte im Oberbestand an, verdeutlicht durch einen Pfeil zwischen den Achsen, der auf einer Seite wie zu erwarten zu einer höheren Meereshöhe und zum anderen zu feuchteren Böden tendiert.

Die Artenzusammensetzungen der einzelnen Nutzungsformen überschneiden sich in weiten Teilen. Erst eine genaue Betrachtung der Daten macht deutlich, dass die höheren Nadelholzanteile eine Verschiebung der Artenzusammensetzung in Richtung einer höheren Meereshöhe ergeben.

Die Ergebnisse der wichtigsten ökologischen Parameter für die Schnecken ähneln Daten aus Frankreich für Untersuchungen auf Weideland. Auch hier wird die erste Achse von der Höhenlage, die zweite Achse durch Felsen geprägt (Labaune & Magnin 2002). Weiterhin bestätigen auch die Ergebnisse aus dem Nationalpark Bayerischer Wald die Parameter Höhenlage, Wasserhaushalt und Baumartenzusammensetzung als entscheidende Treiber für die Artenzusammensetzung der Schneckengemeinschaften (Rieger et al. 2010).

Antreffenswahrscheinlichkeiten

Vier Koordiantensysteme mit jeweils grüner, blauer, roter und dunkelgrüner Kurve; immer unterschiedlichZoombild vorhanden

Abb. 6: Antreffenswahrscheinlichkeiten einzelner Schneckenarten im Höhengradienten in Abhängigkeit von der Meereshöhe (Grafik: LWF)

Betrachtet man die Wahrscheinlichkeiten für das Antreffen einzelner häufigerer Arten zum einen in den Naturwaldreservaten im Vergleich von 2019 zu 2009 und zum anderen zwischen den Nutzungsformen, so zeigen sich einige Besonderheiten (Abbildung 6).

War der Artkomplex um die Waldwegschnecke (Arion silvaticus agg.) 2009 nur bis in Höhenlagen von 600 m ü. NN zu finden, trat er 2019 auch in Lagen über 800 m Meereshöhe häufiger auf. Es scheint sogar, dass sie in den nadelwaldbetonten Beständen ihren Schwerpunkt der Verbreitung in etwas höheren Lagen hat.

Auch bei der Glatten Schließmundschnecke (Cochlodina laminata) wird eine Verschiebung in den Reservaten nach oben sichtbar. Noch deutlicher ist diese Verschiebung bei der Gefältelten Schließmundschnecke (Macrogastra plicatula).
Bei der Rötlichen Laubschnecke (Monachoides incarnatus) hingegen ist eine Höhenverschiebung nicht zu erkennen. Dafür wird ihre Vorliebe für laubbaumreiche Bestände verdeutlicht.

Insgesamt konnte bei sechs von elf analysierten Arten eine Verschiebung in höhere Lagen beobachtet werden. Bei zwei Arten erscheint es so, als würden die Schnecken nicht mehr ganz die Höhenverbreitung von 2009 erreichen. Bei den übrigen drei Arten war keine Veränderung bzw. eine Verteilung über den ganzen Gradienten auszumachen.

Schnecken, bei denen mit zunehmendem Nadelholzanteil die Wahrscheinlichkeit zurückgeht, diese aufzufinden, waren neben der Rötlichen Laubholzschnecke auch die Gefleckte Schüsselschnecke (Discus rotundatus), die Bauchige Schließmundschnecke (Macrogastra ventricosa) und die Maskenschnecke (Isognomostoma isognomostomos).

Schlussfolgerung

Der Vergleich der Schneckendaten über einen Zeitraum von nur zehn Jahren macht deutlich, dass eine Ausbreitung einzelner Arten im Rahmen des Klimawandels in höhere Lagen bereits angedeutet sichtbar ist. Auch die enge Beziehung zwischen der Artenzusammensetzung und der Höhenlage unterstreicht die Abhängigkeit der Artareale von den klimatischen Bedingungen. Auf der anderen Seite zeigt sich, dass durch eine Beimischung von Laubholz die Auswirkungen von Witterungs- und Klimaeinflüssen auf die Artengemeinschaften etwas gepuffert werden können.

Im Rahmen dieser Untersuchungen zeigte sich eine Schwierigkeit bei der Erfassung in Form geringer Individuenzahlen durch die extreme Trockenheit im Untersuchungsjahr 2019. Diese war selbst in den Hochlagen des Bayerischen Waldes besonders ausgeprägt. Die durch den Klimawandel verursachte Zunahme von Dürreperioden dürfte eine Anpassung der Erfassungsmodi, sowohl der Kartierungszeitpunkte als auch der Anzahl an Wiederholungen, für einige Artengruppen notwendig machen, die sensitiv auf zurückgehende Niederschläge und/oder steigende Durchschnittstemperaturen reagieren.

Die Schnecken gehören zu den wissenschaftlich bislang eher stiefmütterlich behandelten Artengruppen und werden daher auch als »forgotten species« bezeichnet. So werden sie zum Beispiel im Rahmen von Natura 2000 nur mit wenigen Arten berücksichtigt. Als einzige Art des Laubwaldes ist hier die Weinbergschnecke im Anhang V gelistet.

Im Projekt zeigen die Schnecken aber durchaus eine Bindung an ökologische Parameter und können somit als Zeigerarten für Veränderungen in Waldökosystemen herangezogen werden. Von Vorteil ist auch die an sich gute Erfassungsmöglichkeit der Arten, sodass der Einbindung dieser klimasensiblen Artengruppe in Monitoring-Programme zur Biodiversität von Waldökosystemen, insbesondere mit einem Fokus auf die Auswirkungen des Klimawandels, nichts entgegensteht.

Zusammenfassung

Nach dem Schnecken-Monitoring entlang eines Höhengradienten im Bayerischen Wald aus dem Jahr 2009 wurde im Herbst 2019 eine erste Wiederholungsaufnahme durchgeführt. Es zeigte sich, dass sich die Klimaerwärmung bereits innerhalb eines Jahrzehnts auf die Artenzahlen und die Artvorkommen der vielfach klimasensiblen Schneckenfauna auswirkte. Wärmeliebende Schneckenarten wanderten durchaus um 200 Höhenmeter weiter nach oben. Auch zeigt sich ein deutlicher Einfluss der Artenzahlen in Abhängigkeit der Art der Waldbewirtschaftung.

Projekt

Das Projekt »Höhengradient« wird vom Waldklimafonds durch Mittel des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft sowie des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit finanziert.

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Literatur

  • Albano, P.G.; D‘occhio, P.; Strazzari, G.; Succetti, F.; Sabelli, B. (2014): Land-mollusc forest communities along an altitudinal transect in Norhern Italy. Journal of Molluscan Studies, 80: S. 55–61
  • Aubry, S.; Magnin, F.; Bonnet, V.; Preece, R.C. (2005): Multi-scale altitudinal patterns in species richness of land snail communities in south-eastern Frane. Journal of Biogeography, 32: S. 985–998
  • Boschi, C. (2011): Die Schneckenfauna der Schweiz. Haupt-Verlag, Bern-Stuttgart-Wien, 624 S.
  • Gerlach, T.; Colling, M. (2018): Die Weichtierfauna in Kernzonen des UNESCO-Biosphärenreservats Rhön und die Bedeutung der Naturnähe dieser Waldlebensräume. Mitt. Dtsch. malakozool. Ges. 99: S. 21–28
  • Hausdorf, B. (2006): Latitudinal and altitudinal diversity patterns and Rapoport effects in north-west European land snails and their causes. Biological Journal of the Linnean Society, 87(2), 309–323
  • Labaune, C.; Magnin, F. (2002): Pastoral management vs. land abandonment in Mediterranean uplands: Impact on land snail communities. Global Ecology & Biogeography, 11: S. 237–245
  • Rieger, A.; Schmidberger, G.; Stelz, V; Müller, J.; Strätz, C. (2010): Ökologische Analyse der Molluskenfauna im Nationalpark Bayerischer Wald. Waldökologie, Landschaftsforschung und Naturschutz, 9: S. 65–78
  • Siemonsmeier, A.; Blaschke, M.; Förster, B. (2019): Waldstrukturen im Höhengradienten. LWF aktuell 121, S. 58–62

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