LWF aktuell 148
Strategien für die Rehkitzrettung

Ein Rehkitz liegt im hohen Gras.Zoombild vorhanden

Abb. 1: Rehkitz, versteckt im Gras (© A. Lüpke)

In Bayern gibt es mehr als 1.000.000 ha Grünlandfläche. Der erste Schnitt im Frühjahr findet auf Grund der Witterung in vielen Bereichen Bayerns zu einem ähnlichen Zeitpunkt statt. Dieser und auch der zweite Schnittzeitpunkt überlappen sich mit der Geburt bzw. Aufzucht von Wildtieren wie z. B. Rehkitzen. Bewirtschaftende müssen im Rahmen der Mahd daher Schutzmaßnahmen für Wildtiere ergreifen. Im Rahmen eines großangelegten Verbundprojektes der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), der Technischen Universität München (TUM) und der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) wurde erforscht, welche Faktoren die Nutzung der Mähwiesen durch Rehgeiß und Rehkitz beein­flussen und welche Wildtierrettungsmethoden geeignet sind.

Teilprojekt 1 (TUM): Grüne Welle

Im Teilprojekt 1 lag der Fokus auf den Geburtsterminen von Rehkitzen und deren Abhängigkeit zur raum-zeitlichen Pflanzenentwicklung im Frühjahr.
Darstellung des Studienkonzepts anhand simulierter Daten.Zoombild vorhanden

Abb. 2: Darstellung des Studienkonzepts anhand simulierter Daten: Vergleich der Effekte systematischer Suche und mähbedingter Suche auf die Verteilung der Kitzfunde (© Kauffert et al. 2023, modifiziert)

Wildtierrettende unterstützen Forschende: Für eine bestmögliche und präzise Beschreibung der Verteilung der Geburtstermine von Rehkitzen sind umfangreiche Daten unerlässlich. Dankenswerter­weise haben uns Aktive in der Rehkitzrettung in Bayern bei der Erhebung eines großen Datensatzes unterstützt. Über das Onlineformular „LimeSurvey", das Bürgerportal „Wildtiere in Bayern" sowie per Mail und Fax konnten Rehkitzfunde und rehkitzfreie Flächen gemeldet werden. Im Gegensatz zu systematischen oder zufälligen Stichproben können die so gesammelten Daten Verzerrungen aufweisen: Die Wildtierrettenden erfassten ja nur dann Daten, wenn im Rahmen der Mahd die Flächen abgesucht werden. Dennoch sind diese umfangreichen Daten sehr wertvoll. Um sie optimal für die Untersuchungen zur „Grünen Welle" (der Name des Teilprojekts nimmt Bezug auf Blattaustrieb und Beginn der Vegetationszeit) verwenden zu können, wurden verschiedene moderne statistische Verfahren aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz (Machine Learning) getestet, um die korrekten Rehkitzgeburtstermine und deren Verteilung ableiten zu können.

Abbildung 2 zeigt den Vergleich von systematischen und mahdbedingten Erhebungsmethoden und deren Einfluss auf die modellierte Verteilung der Geburtstermine. Unsere Simulationsstudie zeigte, dass mahdbedingt gesammelte Daten die korrekte Verteilung der Geburtstermine im Durchschnitt um fast fünf Tage verzerren können. Mit unseren modernen Ansätzen konnten wir diese Verzerrung reduzieren. Diese Ergebnisse wurden durch Tests an bayerischen Daten und durch den Vergleich mit Setzzeiten von besenderten Rehgeißen bestätigt (Kauffert et al. 2023).
Setzzeitpunkte in Europa: Geburtstermine von Rehkitzen variieren je nach Region. Studien zeigen, dass diese Variationen nicht nur von Breitengrad und Höhenlage, sondern auch von der lokalen Pflanzenphänologie und Nahrungsverfügbarkeit abhängen (Peláez et al. 2020). In unserer großangelegten europäischen Studie haben wir die Setzzeitpunkte in Bezug auf Saisonalität und Variationen von Klima und Pflanzenwachstum untersucht. Neben den zu erwartenden späteren Geburtsterminen in höheren Lagen und in Richtung Norden, konnte erstmals ein Trend zu früheren Geburten von Ost nach West in Europa aufgezeigt werden, der durch das gemäßigtere Klima des Atlantiks bedingt ist.
Die embryonale Diapause als Schlüssel zur Anpassung? Das Reh hat unter allen Huftieren eine einzigartige Fortpflanzungsstrategie. Nach der Blattzeit im Juli/August durchläuft die Blastozyste eine sogenannte Diapause, in der das Zellwachstum stark verlangsamt ist. Erst im Winter (November – Januar) nistet sich der Embryo endgültig ein und beginnt schneller zu wachsen. Diese verzögerte Einnistung könnte die entscheidende Stellschraube für flexiblere Geburtstermine unter sich ändernden Umweltbedingungen sein. Trotz der Variation der Setztermine in Europa ist bis dato ihre kurzfristige Anpassung an Umwelteinflüsse umstritten. Erschwerend kommt hinzu, dass die genauen Ursachen und Abläufe des Endes der Diapause des Rehs noch nicht vollständig verstanden sind (Van der Weijden et al. 2021). In Zusammenarbeit mit der AG Wildbiologie und Wildtiermanagement der TUM konnten wir zum ersten Mal Hinweise dafür finden, dass auf der Populationsebene das Ende der embryonalen Diapause durch Umweltfaktoren bedingt sein kann. Bei einer längeren Vegetationsperiode im Jahr der Blattzeit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Embryo früher im Herbst/Winter implantiert und damit das Kitz auch früher geboren werden könnte.

Teilprojekt 2 (LWF): Geißenverhalten

Wie im ersten Teilprojekt dargestellt, beeinflussen verschiedene Faktoren den Setzzeitpunkt innerhalb einer Popula­tion. Im Rahmen des zweiten Teilprojekts wurden Fragen zum Verhalten der Geißen bearbeitet. Insbesondere haben wir untersucht, wie die Rehgeißen ihr Setz- und Aufzuchthabitat wählen und wo präferierte Kitz-Ablageorte liegen. Weiterhin wurde geprüft, wodurch das Verhalten der Geißen vor, während und nach dem Setzen beeinflusst wird und wie Vergrämungsmethoden wirken könnten.
Das perfekte Liegebett: Durch detailliertes Wissen, wo sich die Liegebetten der Rehkitze im Offenland befinden, könnte die Suche vor der Mahd wesentlich effektiver gestaltet werden. Hierfür wurden in Zusammenarbeit mit der TUM Ökoklimatologie bayernweit Daten auf zwei Ebenen analysiert: auf Landschaftsebene (= Wahl des Aufzuchthabitats der Geiß) sowie auf Feldebene (= Wahl des exakten Liegebetts des Kitzes). Auf der Landschaftsebene zeigte sich unter anderem, dass Kitze häufiger in Wiesen abgelegt wurden, die in strukturreichen Landschaften lagen. Wenn schon viele Felder in der Umgebung gemäht wurden, stieg die Wahrscheinlichkeit eines Kitzfundes in den noch ungemähten Flächen stark an. Auf der Feldebene, also bei der Wahl des konkreten Liegeplatzes innerhalb des Feldes, bevorzugten die Kitze Liege­plätze, die weiter entfernt von Straßen und Wäldern waren. Bevorzugt wurden Plätze mit guter visueller Deckung, so dass die Kitze von Prädatoren schlechter gesehen werden konnten (Baur & Kauffert et al. 2023, LWF-aktuell 3/2024). Verkürzt gesagt: Die Geiß entscheidet über die Wahl des Feldes und bevorzugt dabei strukturreiche Landschaften. Das Kitz entscheidet über den konkreten Liegeplatz innerhalb dieses Feldes und meidet dabei eher Straßen, Wege und Waldränder.
Grafische Darstellung der Veränderung der Streifgebietsgrößen.

Abb. 3: Veränderung der Streifgebietsgrößen (in ha) der besenderten Rehgeißen 20 Tage vor und nach dem Setzen, zentriert um den Setztag (= Tag 0). (© LWF)

Verhaltensänderungen zur Geburt: In drei Studiengebieten in Mittelfranken und Oberbayern wurden Geißen gefangen und mit Telemetriehalsbändern ausgestattet. Diese zeichneten regelmäßig GPS-­Positionen auf, wodurch die Raumnutzung und das Verhalten der Geißen untersucht werden konnten. Dabei zeigten die besenderten Tiere generell – und somit auch zur Setzzeit – eine hohe Individualität in ihrem Verhalten. Dennoch konnten wir zumindest ein Muster erkennen: einige Tage vor dem Setzen bewegten sich die Geißen signifikant weniger. Zum Setzen und in den ersten Tagen danach (Bindungsphase) verkleinerten die Geißen ihr Streifgebiet um fast 70 % (Abbildung 3).

Einblicke in die Habitatnutzung: Durch die Verknüpfung der GPS-Positionen mit Geodaten, die den Lebensraum beschreiben, wurden Präferenzen in der Habitatnutzung identifiziert. Es konnten hier nur geringe Unterschiede in drei untersuchten Phasen vor, während und nach dem Setzen festgestellt werden. Die Geißen setzten bevorzugt innerhalb ihres üblichen Kern-Streifgebiets, tendierten also dazu, ihre Kitze in einem ihnen vertrauten Habitat zu setzen. Das bedeutet also in der Praxis: Falls vor der Setzzeit eine Geiß regelmäßig auf einer Fläche beobachtet wird, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie diesen Bereich auch zur Aufzucht nutzt und Kitze in diesen Flächen abgelegt sind. Diese Standorttreue deutet darauf hin, dass dort schon vor der Setzzeit alle Schutz- und Nahrungsansprüche seitens der Geißen erfüllt werden. Am häufigsten hielten sich die besenderten Rehgeißen vor, nach und während der Setzzeit im Wald auf. Vor dem Setzen waren die Geißen häufiger im Offenland anzutreffen als nach der Geburt ihres Kitzes. Dies ist erstaunlich, denn das Deckungspotential war im Offenland theoretisch besser als im Wald.
Ein Reh vor einem offenen Holzkasten.Zoombild vorhanden

Abb. 4: Um das Verhalten der Geißen zur Setzzeit zu untersuchen, wurden sie z.B. mit einer solchen Kastenfalle gefangen, um ihnen dann ein Telemetriehalsband umlegen zu können. Die Geiß hier war etwas skeptisch und sicherte erst noch einmal die Umgebung. (© LWF)

Die Kunst der Fürsorge: Ein Faktor, der das Überleben und die Entwicklung des Kitzes beeinflusst, ist neben der Auswahl des Aufzuchthabitats die Fürsorgestrategie der Rehgeiß. Das Rehkitz ist ein Abliegetyp, was eine Trennung von Geiß und Kitz bedeutet. Für die Geiß ist die Kunst dabei, das Liegebett gegenüber Prädatoren nicht zu verraten und dennoch nah genug beim Kitz zu sein, um es ggf. zu verteidigen. Basierend auf aufgezeichneten Telemetriedaten von Geißen und ihren Kitzen (siehe drittes Teilprojekt) wurde die Fürsorgestrategie erstmalig untersucht. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Kontakte zwischen Geiß und Kitz sich stark an den Aktivitätsmustern der Geißen orientierten und vornehmlich zu den Morgen- und Abendstunden stattfanden. In den ersten 14 Lebenstagen hielten sich Kitze zudem häufiger im ungemähten Grasland auf als ihre Mütter. Die Geißen hielten sich dagegen im Vergleich zu ihren Kitzen mehr im Wald auf. Daher empfehlen wir bei der Mahd auch Flächen abzusuchen, auf denen zuvor keine Geiß beobachtet wurde. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie das Kitz im Offenland abgelegt hat und selbst in geringer Entfernung im Wald steht.

Reaktionen auf Vergrämungsmethoden: Trauen sich Geißen noch auf Flächen mit Scheuchen um das Kitz abzuholen? Die Experimente (n = 34) zeigten, dass die Geißen, bezogen auf den Abstand zur bescheuchten Fläche, nicht reagierten. Die Streifgebiete der Geißen vergrößerten sich nur kurzfristig geringfügig. Doch schon nach 24 Stunden waren keine Unterschiede mehr erkennbar. Das gibt Anlass zu der Vermutung, dass nicht die Scheuchen selbst, sondern die menschliche Anwesenheit beim Auf- und Abbau störend wirkte. Eine gänzliche Meidung der bescheuchten Flächen durch das Rehwild konnten wir nicht bestätigen.

Teilprojekt 3 (TUM): Kitzverhalten

Um Maßnahmen zur Reduktion des Mähtods ableiten zu können, ist ein besseres Verständnis des Verhaltens der Kitze unerlässlich.
Grafische Darstellung der kumulierten Prozentsätze der Geburtstermine 2020 bis 2023.Zoombild vorhanden

Abb. 5: Kumulierte Prozentsätze der Geburtstermine 2020 bis 2023. Die rote Linie markiert die Hälfte aller Geburten (50%). Der grüne Balken zeigt den mittleren Geburtstermin der aktuellen Studie, die blauen Balken die Termine vergleichbarer Studien in Relation zu der aktuellen Untersuchung aus Stehr et al. 2024 (in review). (© LWF)

Setzzeitpunkt und Wachstum: Um den Setzzeitraum in Bayern zu bestimmen, wurden zwischen 2020 und 2023 bei 1.500 Rehkitzen Alter und Geschlecht erfasst, Körpermaße vermessen, das Gewicht bestimmt sowie die Zahl der Geschwister dokumentiert. Das Alter der Kitze am Fundtag kann bei Kitzen in der ersten Lebenswoche exakt anhand des Zustandes der Nabelschnur bestimmt werden (Jullien et al. 1992). Bei älteren Kitzen kann das Alter nur anhand ihres Verhaltens und ihrer Fellfärbung geschätzt und damit kein genauer Geburtstermin zugeordnet werden. Um das Alter von diesen Kitzen ermitteln zu können, wurden sie mit Ohrmarken und 148 Kitze zusätzlich mit GPS-Ortungshalsbändern markiert. Die Telemetriehalsbänder ermöglichten ein gezieltes Aufsuchen und eine erneute Erfassung ihrer Gewichte und Körpermaße, um die Entwicklung zu dokumentieren. Anhand von Wiederfunden (2022) wurde mittels eines linearen Models (GLMM) das Wachstum der Rehkitze ausgewertet. Der mittlere Geburtstermin – Tag an dem 50 % der Kitze geboren sind – war in den Untersuchungsjahren der Tag 135 im laufenden Kalenderjahr, also der 15. Mai. Im Vergleich zu früheren Studien in den selben Gebieten kamen die Rehkitze im Zeitraum 2020–2023 rund zwei Wochen früher zur Welt als noch von Rieck (1955) angegeben (Abbildung 5). Rieck (1955) ermittelte für den Zeitraum von 1938 bis 1945 den 1. Juni als mittleren Setzzeitpunkt (Tag 152). Aus unseren Ergebnissen geht hervor, dass am 1. Juni bereits 95 % der Rehkitze geboren waren (vergleichende Studien in Abbildung 5 dargestellt).
Grafische Darstellung Vergleich des Scheuchenerfolgs zwischen den VersuchsmethodenZoombild vorhanden

Abb. 6: Vergleich des Scheuchenerfolgs zwischen den Versuchsmethoden (© LWF)

Reaktion auf Wildscheuchen: Um Rehkitze aus zu mähenden Flächen zu scheuchen, wird auch auf Wildscheuchen vertraut. In der Praxis gibt es eine Vielzahl von Wildscheuchmodellen. Um die Wirkung der Scheuchen zu untersuchen, wurden insgesamt 107 Versuche durchgeführt. Die meisten fanden auf Grünland statt, gefolgt von Getreidefeldern, Ganzpflanzensilagen und Stilllegungen/Wildäckern. Als Vergrämungsmethoden wurden über 24 Stunden „Plastiksack" (siehe Abbildung 7), „LARS-Wildretter", „Rauch­melder" und „Heraustragen/Herausscheuchen" getestet. Insgesamt waren 36 % der Versuche erfolgreich: Hier hat das Kitz die Fläche dauerhaft verlassen. Der Plastiksack erzielte eine Erfolgsquote von 32 %, LARS-Wildretter 35 % und der Rauchmelder zeigte mit 50 % die beste Erfolgsrate. Allerdings: Die Kitze verließen häufig kurzfristig die bescheuchten Flächen, sie kehrten jedoch innerhalb der Versuchslaufzeit schon wieder zurück (Abbildung 6). 12 Stunden nach Versuchsende waren bereits 50 % der Kitze wieder auf der bescheuchten Fläche. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass Scheuchen vor allem unterstützend eingesetzt werden können und unmittelbar vor der Mahd aufgestellt werden müssen. Das Alter der Kitze, die Vegetation oder die Anzahl der Scheuchen zeigten keinen Einfluss auf den Versuchserfolg oder den Zeitpunkt, an dem die Kitze die Versuchsfläche zum ersten Mal verließen.
Verhaltensänderungen der Rehkitze: In den ersten Lebenswochen werden Rehkitze von den Geißen abgelegt. Um den Zeitpunkt zu bestimmen, ab dem Rehkitze ihren Bewegungsradius vergrößern, haben wir die Schrittlängen (Entfernung zwischen zwei GPS-Punkten) erstmalig mit Daten GPS-besenderter Kitze untersucht. Die Halsbänder der Kitze nahmen in den ersten 8 Lebenswochen jede Stunde eine Position auf. Um die Verteilung der Schrittlängen über die Zeit zu analysieren, wurden diese in Wochenintervalle zusammengefasst. Ab der vierten Lebenswoche nahmen die Schrittlängen signifikant zu und die Rehkitze begannen, ihren Bewegungsradius zu erweitern und sich aktiver zu verhalten. Dies liefert Erkenntnisse über Verhaltensveränderungen von Rehkitzen in den gefährlichen ersten Lebenswochen zur Frühjahrsmahd.

Teilprojekt 4 (LfL): Detektion und Vergrämung

Neben den wildbiologischen Fragestellungen rund um das Verhalten der Rehe zur Setzzeit beschäftigte sich die LfL im Projektteam mit der Erprobung und dem Einsatz von technischen Hilfsmitteln im Rahmen der Wildtierrettung.

Rechtlicher Hintergrund: Sowohl auf Bundesebene als auch teils ergänzend in einzelnen Bundesländern gibt es gesetzliche Vorgaben zum Rehkitz- und Wildtierschutz beim Mähen. Die Vorgaben sind in den Rechtsgebieten Tierschutzrecht, Jagdrecht und Naturschutzrecht zu finden. Zunächst ist im Tierschutzgesetz (TierSchG) bundeseinheitlich geregelt, dass das Töten von Wirbeltieren ohne vernünftigen Grund verboten ist, wozu das Vermähen zählt. An zweiter Stelle regelt das Bundesjagdgesetz (BJagdG) bundeseinheitlich, dass Aufspüren, Nachstellen und Fangen bereits Bestandteile der Jagdausübung darstellen. Daher ist bei der Rehkitzsuche und -rettung in jedem Fall die Zustimmung des Jagdausübungsberechtigten erforderlich. Beim Naturschutzrecht gibt es derzeit keine bundeseinheitliche Regelung, sondern länderspezifische Vorgaben, die in der Regel das Mähen von außen nach innen ab bestimmten Flächengrößen verbieten. In Bayern gilt dies z. B. für Flächen, die größer als 1 ha sind.
Toolbox Maßnahmen: Daher sollte der Bewirtschafter beim Mähen von Grünland- und Feldfutterbauflächen entsprechende Maßnahmen zum Rehkitz- und Wildtierschutz ergreifen und gegebenenfalls auch beim Mähen noch nachsteuern. Die aktuell verfügbaren Maßnahmen werden im Mäh-Knigge der LfL (online verfügbar) zusammengefasst.
Ein blauer Plastiksack auf einer Metallstange steht auf einer Wiese.Zoombild vorhanden

Abb. 7: Vergrämungsmethode „Plastiksack" (© S. Baur, LWF)

Toolbox Maßnahmen: Daher sollte der Bewirtschafter beim Mähen von Grünland- und Feldfutterbauflächen entsprechende Maßnahmen zum Rehkitz- und Wildtierschutz ergreifen und gegebenenfalls auch beim Mähen noch nachsteuern. Die aktuell verfügbaren Maßnahmen werden im Mäh-Knigge der LfL (online verfügbar) zusammengefasst.

Bei der Anwendung geeigneter Methoden zum Rehkitz- und Wildtierschutz ist darauf zu achten, dass sie für die auf der Fläche vorkommenden Wildtiere, die Fläche selbst, den zu mähenden Pflanzenbestand und den vorgesehenen Mähzeitpunkt geeignet sind sowie die zur Verfügung stehenden Ressourcen wie Anzahl vorhandener Scheuchen oder verfügbarer Personen berücksichtigt. Einer der entscheidenden Erfolgsfaktoren für den erfolgreichen Wildtierschutz ist die rechtzeitige und klare Kommunikation zwischen allen Beteiligten.
Tabelle zur Bewertung verschiedener Maßnahmen zum RehkitzschutzZoombild vorhanden

Abb. 8: Bewertung verschiedener Maßnahmen zum Rehkitzschutz (© LWF)

Phasen der Setzsaison: Die Setzsaison der Rehkitze teilt sich in drei Zeiträume auf, in denen unterschiedliche Maßnahmen und -kombinationen erfolgversprechend sein können. In der ersten Phase (bis etwa Mitte Mai) befinden sich hauptsächlich junge, sich noch drückende Tiere in den Flächen. Dagegen kommen in der dritten Phase (ab etwa Mitte Juni) vor allem bereits flüchtende Tiere vor. Daher sind für die erste Phase eher Maßnahmen zum Aufspüren, Sichern und Bergen erfolgsversprechend und in der dritten Phase eher zum Vertreiben beim Mähen. Die zweite Phase (Ende Mai bis Anfang Juni) stellt sich für den Wildtierschutz als die schwierigste Phase dar, da in den Flächen Rehkitze mit beiden Verhaltensweisen vorkommen. Zielführend ist es, verschiedene Maßnahmen nicht nur vor dem Mähen anzuwenden, sondern auch eine Maßnahmenkaskade vorzuhalten, um bei einem Zwischenfall während des Mähens nachsteuern zu können.

Generell gilt jedoch, dass keine Maßnahme zu einhundert Prozent den Mähtod von Wildtieren vermeiden kann. Eine Bewertung bezüglich verschiedener Kriterien erfolgt in Abbildung 8. Wichtig ist, wenn trotz aller Maßnahmen ein Rehkitz vermäht wurde, dass im näheren Umkreis (Radius ca. 50–80 m) nach weiteren Rehkitzen gesucht wird, da Rehgeißen in der Regel Zwillinge setzten und das zweite Rehkitz sich häufig in der Nähe befindet.

Zusammenfassung

Obwohl die Kitze in einem kurzen Zeitfenster geboren werden, stellt ihre Entwicklung und die damit einhergehenden Verhaltensänderungen die Wildtierrettung zu verschiedenen Zeitpunkten vor Herausforderungen. Gerade in reich strukturierten Landschaftsräumen und dichter Vegetation ist mit Kitzen zu rechnen und es sollten geeignete Maßnahmen bei der Mahd eingeplant werden. Das Forschungsprojekt der LfL, LWF und TUM konnte wichtige Einblicke in das Verhalten der Wildtiere liefern und technische Methoden untersuchen. Zusätzlich darf nicht vergessen werden: Rehkitze sind nicht die einzigen Jungtiere – Wildtierrettung betrifft auch andere Arten. Die erhobenen Daten könnten auch für zukünftige Analysen und Anwendungen wie die Erstellung einer Gefährdungskulisse genutzt werden. Neben dieser Übersicht wurden und werden weitere Ergebnisse in Fachjournalen veröffentlicht und auf den jeweiligen Webseiten der Projektpartner verlinkt.

Projekt

Das Projekt „Reduktion von Mähtod bei Rehkitzen – Wildbiologische Gefährdungskulisse und Effektivität von Detektions- und Vergrämungsmaßnahmen" wurde vom Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus finanziert (Laufzeit: 01.01.2020 bis 30.06.2024, Förderkennzeichen A/19/17) und in Kooperation mit der Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, der Technischen Universität München und der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft durchgeführt.

Literatur

Beitrag zum Ausdrucken

Weiterführende Informationen

Autoren

  • Teilprojekt 1: Johanna Kauffert und Prof. Dr. Annette Menzel
  • Teilprojekt 2: Sophie Baur und Dr. Wibke Peters
  • Teilprojekt 3: Ferdinand Stehr und Prof. Dr. Andreas König
  • Teilprojekt 4: Stefan Thurner, Tamara Wiesel und Dr. Juliana Mačuhová