26.07.22
Auswirkungen der Pflanzenschutzanwendungsverordnung auf die Waldbewirtschaftung - Blickpunkt Waldschutz 10/2022
von Andreas Hahn und Cornelia Triebenbacher

Pockennarbenfraß an einem Fichtenstämmchen

Abb.1: Pockennarbenfraß des großen braunen Rüsselkäfers (© C. Triebenbacher, LWF)

Der „Blickpunkt Waldschutz 11/2021“ informierte bereits über die 5. Änderung der PflSchAnwV. In diesem Blickpunkt informieren über den Vollzug dieser Vorschrift in Bayern.

Im Wald ist die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (PSM) eher die Ausnahme als die Regel. Trotzdem gibt es Situationen, in denen vorbeugende oder mechanische Regulierungsmaßnahmen nicht wirksam sind und Schäden an Kulturen oder Pflanzenerzeugnissen drohen. In diesen ist der Einsatz von PSM als „letztes Mittel der Wahl“ möglich (§ 3 PflSchG). Für Bayern gelten im Wesentlichen die gesetzlichen Rahmenbedingungen des Pflanzenschutzgesetzes (PflSchG), des Bayerischen Naturschutzgesetzes (BayNatSchG, insbesondere Art. 23a), die Pflanzenschutzanwendungsverordnung (PflSchAnwV) sowie die Anwendungsbestimmungen des jeweiligen Mittels.

Was wurde neu geregelt?

Die Pflanzenschutzanwendungsverordnung wurde seit letztem Sommer zweimal verändert. In der 5. Verordnung zur Änderung 2021 wurden Regelungen zur Einschränkung gylphosathaltiger PSM ergänzt. Zudem wurde die Anwendung von bestimmten PSM in Schutzgebieten und an Gewässern beschränkt. Mit der 6. Verordnung aus diesem Jahr wurden Bußgeldvorschriften bei Verstößen geregelt.

Glyphosathaltige PSM im Wald

Das grundsätzliche Anwendungsverbot glyphosathaltiger Herbizide ab dem 01.01.2024 sollte im Wald nur in einzelnen Fällen eine Einschränkung darstellen (§ 9 i.V.m. § 1 PflSchAnwV), da es durch die Steuerung des Lichtes mit dem Altholzschirm vorbeugende, als auch mechanische Alternativen gibt (Ausmähen, Brombeerrechen u.v.m.). Verstöße dagegen werden dann als Straftat gewertet (vgl. § 8 PflSchAnwV).
Falls im Zeitraum bis 31.12.2023 im Einzelfall der Einsatz glyphosathaltiger PSM dennoch indiziert ist, gilt Folgendes: Jeder/jede AnwenderIn muss vor jeder geplanten Maßnahme über die Notwendigkeit einer Glyphosat-Anwendung selbst entscheiden. Eine behördliche Ausnahmeregelung ist nicht vorgesehen. Ist eine Anwendung notwendig und wird diese erwogen, empfehlen wir eine ausführliche Dokumentation, die über die gesetzlichen Aufzeichnungspflichten hinausgeht. Damit könnte bei einer Kontrolle die Rechtmäßigkeit der Anwendung im Sinne des § 3b Abs. 2 PflSchAnwV nachgewiesen werden. Die Dokumentation könnte z.B. Stichpunkte zur Entscheidungsfindung, schriftliche Ergänzungen, Fotos, etc. enthalten.
Diese Einzelfallentscheidung kann der/die WaldbesitzerIn jedoch nur treffen, wenn die zu behandelnde Fläche nicht durch die Vorschriften des § 3b Abs. 5 oder § 4 PflSchAnwV betroffen ist. Demnach ist die Anwendung glyphosathaltiger Herbizide in Naturschutzgebieten, Nationalparks, Nationalen Naturmonumenten, Naturdenkmälern, gesetzlich geschützten Biotopen, FFH-Gebieten, Wasserschutzgebieten, Heilquellenschutzgebieten sowie in Kern- und Pflegezonen von Biosphärenreservaten grundsätzlich verboten. Ausnahmen sind nicht vorgesehen.
Wurde für die betroffene Fläche eine waldbauliche Förderung nach WALDFÖPR bewilligt, so ist eine Behandlung mit Herbiziden grundsätzlich nicht zulässig. Ist eine Förderung beabsichtigt, so ist deren Anwendung zur Vorbereitung der Pflanzfläche nur dann förderunschädlich, wenn dies vom AELF ausdrücklich für notwendig erachtet und befürwortet wurde.

Anwendungsverbote in Schutzgebieten …

Die umfangreichste Betroffenheit im Wald entsteht durch die Neuregelungen des § 4 PflSchAnwV. Hier werden Gebietskulissen aufgelistet, in denen bestimmte PSM nicht mehr angewendet werden dürfen. Durch die Einführung des Art. 23a Bayerischen Naturschutzgesetz („Verbot von Pestiziden“) gilt in manchen Schutzgebietskategorien bereits ein solches Verbot. Dieses Verbot gilt unabhängig von der PflSchAnwV. Es ist deutlich weitgehender und nach wie vor einzuhalten.

Die Regelungen des § 4 PflSchAnwV gelten für

  • Naturschutzgebiete
  • Nationalparke
  • Nationale Naturmonumente
  • Naturdenkmäler
  • gesetzlich geschützte Biotope im Sinne des §30 BNatSchG, sowie in
  • FFH-Gebiete (mit Ausnahmen, die den Forstbereich jedoch nicht betreffen).

… für folgende PSM

Nach § 4 PflSchAnwV gelten in den genannten Schutzkategorien folgende Einschränkungen:

  • Wirkstoffe, die in den Anlagen 2 oder 3 gelistet sind, dürfen nicht mehr verwendet werden. Im Forstbereich sind hiervon PSM auf Basis Glyphosat und Zinkphosphid betroffen.
  • Die Anwendung von Herbiziden ist generell untersagt.
  • Die Anwendung von Insektiziden, die mit den Bienenschutzanlagen B1 (NB6611), B2 (NB6623) oder B3 (NB663) oder mit Auflage NN410 als bestäubergefährlich eingestuft sind, ist nicht zulässig.

Für den Forstbereich gilt daher (Stand Juli 2022):

  • Wildschadensverhütungsmittel: Von den derzeit zugelassenen PSM ist keines durch §4 PflSchAnwV betroffen.
  • Insektizide: Derzeit ist keines der verfügbaren Insektizide mit aktiver Zulassung für das Einsatzgebiet „Forst“ von § 4 PflSchAnwV betroffen. Alle Mittel sind als ungefährlich für Bienen (B4) eingestuft und nicht mit der Auflage NN410 versehen. PSM in der Abverkaufs- oder Aufbrauchsfrist könnten jedoch unter das Anwendungsverbot fallen! Bitte überprüfen Sie das in den Anwendungsbestimmungen!
  • Herbizide: Die Anwendung von Herbiziden ist grundsätzlich verboten. Ausnahmen können beantragt werden. Für glyphosathaltige Herbizide gibt es keine Ausnahmen.
  • Rodentizide: Da alle verfügbaren Rodentizide auf dem Wirkstoff Zinkphosphid basieren, ist in den betroffenen Schutzgebieten eine Mäusebekämpfung mit PSM prinzipiell nicht mehr möglich. Es besteht die Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung im Einzelfall.

Ausnahmegenehmigungen

Die zuständige Behörde kann Ausnahmen zulassen (§ 4 Abs.2 PflSchAnwV). Solche Ausnahmen von müssen beispielsweise der Abwendung erheblicher forstwirtschaftlicher Schäden oder dem Schutz der heimischen Tier- und Pflanzenwelt vor invasiven Arten dienen (ausgenommen bleibt die Glyphosat-Anwendung).
In Bayern können Sie den Antrag auf Ausnahmegenehmigung nach § 4 Abs.2 PflSchAnwV an das zuständige Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten – Bereich Forsten – senden, wenn die angedachte Maßnahme in einem FFH-Gebiet liegt. Für die nationalen Schutzgebietskategorien soll die Zuständigkeit mittelfristig auf die Untere Naturschutzbehörden übertragen werden; aktuell liegt die Zuständigkeit noch bei der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL).
Ein Antrag sollte die Fläche mit Flurnummer, das betroffene Schutzgebiet, das vorgesehene Pflanzenschutzmittel mit der BVL-Zulassungsnummer und BVL-Anwendungsnummer, sowie die Kontaktdaten der Ansprechperson enthalten.
Als Schadschwelle für eine „Abwendung von erheblichen land- und forstwirtschaftlichen Schäden“ können Sie gängige Schadschwellen und Prognoseverfahren heranziehen (z.B. bei der Mäusebekämpfung). Je Antrag darf nur ein PSM beantragt werden.
Die Erwartung erheblicher forstwirtschaftlicher Schäden muss vom zuständigen AELF bestätigt werden. Ein Einsatz ist erst nach Erhalt der schriftlichen Ausnahmegenehmigung erlaubt.

Gewässerabstand

Bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln an Gewässern ist – unabhängig von den Anwendungsbestimmungen – grundsätzlich ein Abstand einzuhalten.
Zu oberflächlich wasserführenden Gewässern darf bis zu einem Abstand von 10 m zur Böschungsoberkante oder – sofern diese nicht erkennbar ist zur Linie des Mittelhochwassers – kein Pflanzenschutzmittel angewendet werden. Wenn eine geschlossene, ganzjährig begrünte Pflanzendecke vorhanden ist, reduziert sich der einzuhaltende Abstand auf 5 m.
Unberührt von dieser Reduktion der Gewässerabstandes sind jedoch auch die weiteren gesetzlichen Grundlagen (u.a. § 38 WHG; Art. 21 BayWG; Art. 16 BayNatSchG) sowie die Anwendungsbestimmungen der PSM zu beachten.

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