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Tannenhäher und Zirbe – LWF aktuell 120

Ohne »ihn« kann »sie« so gut wie nichts. Und umgekehrt ist es kaum anders. Der Tannenhäher der Alpen ist ohne Zirbe fast nicht denkbar, und ohne Tannenhäher hat die Zirbe kaum ein Fort- bzw. Vorwärtskommen. Eine ganz normale Symbiose in einer ganz besonderen Welt.

Von der großen »waldbaulichen« Leistung, die unser einheimischer Eichelhäher für die Ausbreitung unserer schwersamigen Baumarten, allen voran der Eichen, aber auch der Walnuss, der Edelkastanie und der Buche erbringt, sind unterdessen viele Förster und Waldbesitzer unterrichtet. In noch stärkerem Maße stehen aber der Tannenhäher und die Zirbelkiefer in einer fruchtbaren, ja symbiotischen Beziehung.

Die Zirbe – Königin der Alpen

Ein braun-grau-schwarzer Vogel sitzt in einer KieferZoombild vorhanden

Abb. 1: Eine klassische Symbiose (Foto: K. Weber)

Die Zirbe, Zirbelkiefer oder Arve [i](Pinus cembra)[/i] besitzt ein kleines, zersplittertes Areal in den Alpen, Karpaten und den Transsilvanischen Bergen. Sie kommt hauptsächlich in Höhenlagen zwischen 1.600 und 2.400 Meter vor. In Bayern begegnen wir der Zirbe vor allem im Wettersteingebirge und im Berchtesgadener Land (Reiteralpe, Steinernes Meer). Ihre sibirische Unterart [i]Pinus cembra var. sibirica[/i] hat hingegen ein riesiges Verbreitungsgebiet, das sich östlich des Urals bis weit östlich des Baikalsees, also von West- nach Ostsibirien, erstreckt. Aufgrund ihres knorrigen und malerischen Wuchses und des hohen Alters, das die Zirbe im Alpenraum erreichen kann (bis 700 Jahre), gilt sie als »die Königin der Alpen«. Mindestens 40, meist 50 Jahre oder länger dauert es, bis Zirben die ersten Zapfen tragen, die erst im dritten Jahr reifen. Ihre aufrechtstehenden, eiförmigen 7 bis 8 cm langen Zapfen sind anfangs violett, später zimtbraun gefärbt. Im Gegensatz zur Waldkiefer und zur Latsche sind die Samen (»Zirbelnüsse«) der Zirbe ungeflügelt und relativ schwer. Während Kiefernsamen ein Tausendkorngewicht von 4 bis 6 Gramm, Fichtensamen ein solches von 7 bis 10 Gramm erreichen, wiegen 1.000 Zirbensamen zwischen 300 und 400 Gramm (Tabelle 1).

Anders als die geflügelten Samen der Waldkiefer [i](Pinus silvestris)[/i], der Fichte (Picea abies) oder der Lärche [i](Larix decidua)[/i] werden die deutlich schwereren Samen der Zirbelkiefer fast ausschließlich vom Tannenhäher verbreitet (Närmann et al 2017).

Im Energiegehalt sind die Samen der Nadelbaumarten pro Gewichtseinheit durchaus mit Haselnüssen und Eicheln vergleichbar (Tabelle 1). Die großen Samen der Zirbe sind daher für Tierarten wie beispielsweise Eichhörnchen, Fichtenkreuzschnabel und den Tannenhäher von großem Interesse. Ja selbst der Mensch nutzt die Zirbelnüsse zur Ernährung.

Tausendkorngewicht und Energiegehalte

Tabelle: Tausendkorngewicht (TKG) und Energiegehalte ausgewählter Baumarten
BaumartTKG [g]Energiegehalt [kcal/g]
Fichte [i](Picea abies)[/i]7–106,1
Zirbe [i](Pinus cembra)[/i]300–4005,6
Kiefer [i](Pinus sylvestris)[/i]4–64,7
Buche [i](Fagus sylvatica)[/i]210–2706,3
Stieleiche [i](Quercus robur)[/i]3.400–5.0005,1
Hasel [i](Corylus avellana)[/i]800–1.7006,4

Der Tannenhäher und seine europäische Häherverwandschaft

Im Mitteleuropa kommen zwei Häherarten vor: Der Eichelhäher [i](Garrulus glandarius)[/i] und der weniger bekannte und heimlichere Tannenhäher [i](Nucifraga caryocatactes)[/i]. In unregelmäßigen Abständen fliegen manchmal im Winterhalbjahr nordeuropäische Unglückshäher (Perisoreus infaustus) nach Mitteleuropa ein. Der Tannenhäher hat ein riesiges Verbreitungsgebiet, das sich von Mitteleuropa über Russland und Sibirien bis nach Ostasien in den fernen Osten und auf die Halbinsel Kamtschatka erstreckt. In Bayern besiedelt er vor allem die Nadelwälder der Mittel- und des Hochgebirges.

Tannenhäher und Zirbe: Symbiose auf hohem Niveau

Ein brauner, mit weißen Punkten versehener Vogel stitzt auf einem umgesägten StammZoombild vorhanden

Abb. 2: Der Tannenhäher (Foto: L. Hlasek)

Ein reichliches Samen- oder Mastjahr tritt bei der Zirbe nur alle 5 bis 7 Jahre auf. Dann kann man den Tannenhäher bei seiner Tätigkeit, Zirbenzapfen zu ernten und sie zu einem geeigneten Ort, wo er sie bearbeiten kann, zu tragen, besonders gut beobachten. Dort in der »Zirbenschmiede« meiselt der Tannenhäher mit seinem kräftigen Schnabel die Schuppen vom Zirbenzapfen weg, um die Nüsschen herauszupicken und in seinem Kehlsack zu verstauen (Brupbacher 2011). Aus dieser Tätigkeit schlossen die Forstleute und Waldbesitzer in früheren Jahren eine schädliche Auswirkung des Tannenhähers auf die Verjüngung der Zirbe. Man bezeichnete ihn sogar als »gefährlichsten Feind der Zirbe«, als »schlimmen Räuber« und »unmöglichen Gesellen« (Hess 1916). Aber es gab bereits auch im 19. Jahrhundert Forstleute, die sehr genau die Natur beobachteten und erkannten, dass der Tannenhäher für die Verjüngung der Zirbe im Hochgebirge von größter Bedeutung ist (Pechtold 1879). 100 Jahre später zeigten die Untersuchungen von Mattes (1982) eindrucksvoll, welche forstliche Bedeutung der Tannenhäher für die Verjüngung der Zirbe besitzt. Die Zirbe ist bei ihrer Ausbreitung aufgrund ihrer schweren Samen auf den Tannenhäher angewiesen, insbesondere entgegen der Schwerkraft bergauf!

Ein einzelner Tannenhäher kann bei schlechter Samenernte im Durchschnitt 47.000 und bei guter Samenernte etwa 109.000 Zirbensamen in 6.000 Depots verstecken. Dabei konnten als größte Transportbilanz 15 Kilometer festgestellt werden. Selbst unter einer Schneedecke von bis zu 50 cm finden die Tannenhäher Dreiviertel aller ihrer Nahrungsvorräte wieder. Wie viele andere Vögel aus der Familie der Rabenvögel besitzt auch der Tannenhäher ein ausgeprägtes räumliches Vorstellungsvermögen. Neuere Untersuchungen zeigen jedoch, dass der Tannenhäher die Zirbensamen meist an Stellen versteckt, die für die Keimung der Samen eher ungünstig sind (Närmann et al. 2017). Dank seines exzellenten Erinnerungsvermögens geht man davon aus, dass der Tannenhäher 80 Prozent der von ihm versteckten Zirbensamen wieder findet. Obwohl der Beitrag des Tannenhähers an der Verjüngung der Zirbelkiefer damit geringer ist als bisher angenommen (Neuschulz 2014), ist er nach wie vor der einzig wirkungsvolle Ausbreitungsvektor für diese Baumart. Der relativ geringe Anteil von Zirbensamen, der vom Tannenhäher in günstige Ökohabitate ausgebreitet wird, reicht offensichtlich aus, um eine nachhaltige Verjüngung und Ausbreitung der Zirbelkiefer sicherzustellen

Tannenhäher und Haselnuss

Tannenhäher kommen in Mitteleuropa aber nicht nur in den Hochgebirgslagen vor, sondern treten in weiten Bereichen außerhalb des Verbreitungsgebiets der Zirbelkiefer, vor allem in großen zusammenhängenden Nadelwaldgebieten auf. Damit stellt sich die Frage, was frisst der Tannenhäher in diesen Gebieten?

Hier ist die wichtigste Nahrungspflanze für den Tannenhäher die Haselnuss, deren Früchte er in Nahrungsdepots versteckt. Wie eng das Verbreitungsgebiet des Tannenhähers an die Verbreitung der Haselnuss gebunden ist, hat sehr schön Guest 2016 für den Landkreis Kronach im Frankenwald beschrieben. Bei außergewöhnlichen Fichtenmasten nutzt auch der Tannenhäher die sonst für ihn aufgrund der Größe nicht so attraktiven Fichtensamen als Nahrungsquelle (Pfeifer 1992).

Tannenhäher und Zirbe gehören zusammen

Die Samen der Zirbelkiefer stellen die wichtigste Nahrungsquelle der im Alpenraum lebenden Tannenhäher dar, die gleichzeitig die bedeutendsten Samenausbreiter der Zirbe sind (Närmann et al. 2017). Für den Forstmann und den Naturfreund ist es faszinierend zu beobachten, wie unsere beiden Häherarten, der Tannen- und der Eichelhäher, als einzige Vogelarten in Europa, Samen in die Erde verstecken, um sie später wieder auszugraben und zu fressen. Ein Verhalten, das man sonst nur von Nagetieren kennt.

Literatur

  • Brupbacher, M. (2011): Der gefiederte Förster – der Tannenhäher. Ornis, S. 16–18
  • Guest, J. (2016): Der Landkreis Kronach: ein avifaunistisches Perfil von 2007 bis Herbst 2015. Ornithol. Anz. 54, S. 121–276
  • Hess, A. (1916): Der Tannenhäher in forstwirtschaftlicher Beziehung. Schweizer Zeitschrift Forstwesen, S. 30–34
  • Mattes, H. (1982): Die Lebensgemeinschaft von Tannenhäher, Nucifraga caryocatactes (L.), und Arve, Pinus cembra (L.), und ihre forstliche Bedeutung in der oberen Gebirgswaldstufe. Ber. Eidg. Anst. forstl. Versuchswesen (Birmensdorf/Zürich) 241, 74 S.
  • Närmann, F.; Küfmann, C.; Neuschulz, E.L. (2017): Präferenzen des Tannenhähers Nucifraga caryocatactes beim Anlegen von Samenverstecken. Ornithologischer Anzeiger, Heft 2/3, S. 89–98
  • Neuschulz, E.L. (2014): Vorratshaltung beim Tannenhäher: Samenverstecke nutzen dem »gefiederten Förster« mehr als den Bäumen. BiK-PM v. 18.9.14
  • Pechtold, F. (1879): Zur forstlichen Bedeutung des Tannenhähers. Centralbl. f. d. Ges. Forstwesen 5, S. 195–197
  • Pfeifer, R. (1992): Saisonale und mehrjährige Häufigkeitsschwankungen des Tannenhähers (Nucifraga c. caryocatactes). Anz. Ver. Thüring. Ornithol., S. 59–63

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