Ragnar Wende und Sebastian Schlenz
"Seilakt" im Moorwald – LWF aktuell 115
Böden, die so nass sind, dass sie ausschließlich bei langen und strengen Frösten mit Spezialmaschinen befahren werden können. Fichten, die auch mit hundert Jahren kaum 25 Meter hoch werden.
Willkommen im Moorwald des bayerischen Alpenvorlandes! Wäre das nicht schon genug – zusätzlich noch das Vorkommen seltener, hochspezialisierter Tier- und Pflanzenarten. Bedeutet diese Ausgangssituation zwangsläufig das »Aus« selbst einer naturnahen Waldwirtschaft auf diesen Standorten im Privatwald? Wie kann dem legitimen Anliegen der Waldbesitzer, ihre Wälder nachhaltig zu bewirtschaften, Rechnung getragen werden?
Abb.1: Die bearbeitete Pilotfläche mit den beiden Seiltrassen (Foto: R. Wende)
Doch wie können diese sensiblen Waldflächen so bodenschonend wie möglich bewirtschaftet werden und ist das auch im Privatwald möglich oder rentabel? Zur Klärung dieser Frage wurde das Projekt »Moorwald Nantesbuch« im Rahmen der »Initiative Zukunftswald Bayern (IZW)« mit zweijähriger Laufzeit ins Leben gerufen. Projektmanager Ragnar Wende betreute es als eines von insgesamt drei IZW-Projekten im Amtsbereich.
Als Projektgebiet wurde die Region zwischen den Orten Königsdorf, Bad Heilbrunn und Penzberg gewählt, da hier mehrere hundert Hektar Moorwald stocken. Die Stiftung Nantesbuch gGmbH ist im Besitz großer Moorwaldflächen im Projektgebiet und unterstützte das Vorhaben als Projektpartner in dankenswerter Weise sehr aktiv. Auf einer ausgewählten Pilotfläche wurde das eingeschlagene Holz mit einer Horizontal-Seilbahn gebracht – tatkräftig unterstützt durch den weiteren Projektpartner: die Waldbesitzervereinigung (WBV) Wolfratshausen e.V. Bei der Planung und Umsetzung der Pilotmaßnahme ergaben sich wertvolle, praxisbezogene Erkenntnisse, die im zukünftigen Umgang mit den regionalen Moorwäldern von Bedeutung sein werden.
Forstwirtschaft in Schutzgebieten
Grundsätzlich muss im Einzelfall immer die Frage gestellt werden, ob die betreffende Waldfläche überhaupt bewirtschaftet werden kann oder aus Naturschutzgründen besser nicht angerührt wird. Es ist gutes Recht der Waldbesitzer, ihre Moorwälder im gesetzlichen Rahmen zu bewirtschaften und es wurde auch im Fall der Pilotfläche für die forstliche Bewirtschaftung entschieden. Demzufolge sollten dort auch etwaige Eingriffe nicht als »finale« Maßnahmen mit anschließendem Nutzungsverzicht zum Beispiel im Rahmen einer Renaturierung verstanden werden. Vielmehr sollte der Grundstein für eine naturnahe und extensiv-wiederkehrende Waldwirtschaft gelegt werden.
Ortstermin mit dem Naturschutz
Die Pilotfläche ist Teil eines 13 ha großen Moorwaldkomplexes der Stiftung Nantesbuch gGmbH, auf dem die VNP-Wald- Maßnahmen »Erhalt von Biotopbäumen « und »Belassen von Totholz« finanziell gefördert wurden. Dass auf ein und derselben Fläche eine Waldnutzung bei gleichzeitigem Schutz besonders wertvoller Waldstrukturen stattfinden kann, war Kernthema der Projektvorstellung für die Vertreter des Naturschutzes.
Eine angeregte, stets sachliche und für beide Seiten informative Diskussion beschloss den ersten gemeinsamen Flächenbegang. Ein weiterer Begang folgte nach Abschluss der Maßnahme, begleitet von intensiver Öffentlichkeitsarbeit mit positivem Presseecho.
Mit Sprühdose und Köpfchen
Abb. 2: Die grün markierten Birken werden gefördert. (Foto: R. Wende)
Dieses Vorgehen orientierte sich an einer für wuchsschwache Standorte wie dem Moorwald typischen Gruppen- bzw. Rottenstruktur und ermöglichte die Ausformung stabiler Bestandesteile. Gleichzeitig konnten mit diesem Pflegemodell die Mischbaumarten im Altbestand durch Freistellung gefördert werden. In den Teilflächen mit Vorausverjüngung fanden sich neben der vorherrschenden Fichte mehr Anteile von Birke, Kiefer, aber auch Spirke als zunächst vermutet.
Entscheidend war hier die Steuerung der Lichtgabe auf den Boden. Ein weiteres waldbauliches Ziel der Hiebsmaßnahme war es, den lichtbedürftigen Mischbaumarten in der Naturverjüngung durch die stellenweise verstärkte Lichtgabe einen Wachstumsvorsprung gegenüber der Baumart Fichte zu ermöglichen. Es wurden gezielt die pflegedringlichen, einförmigen von der Fichte geprägten Bereiche mit stärkeren Dimensionen bearbeitet.
Dadurch konnte selbst auf dem mattwüchsigen Moorstandort ein hohes Stück-Masse-Verhältnis erzielt werden, ohne dass das Ergebnis einer Art »100% Fichtenauszug« glich, da eben auch die Fichte als natürliche Baumart des Moorwaldes in stabilen Gruppen erhalten blieb. Vorkommendes stehendes oder liegendes Totholz wurde aus Gründen der Biodiversität auf der Hiebsfläche belassen.
Die Umsetzung – der Teufel steckt im Detail
Abb. 3: Einer der drei "Totmänner" mit dem Abspannseil. (Foto: R. Wende)
Schon bei der Festlegung der beiden Seiltrassen war Fingerspitzengefühl gefragt. Zum einen sollten vor allem die stärker dimensionierten, gleichförmigen Fichtenbereiche bearbeitet werden, andererseits war es selbst in derartigen Zonen schwierig, ausreichend dimensionierte End- und Stützmasten zu finden. Zusätzlich war es – anders als im Gebirge – nicht ausreichend, die Stützmasten nur zweifach abzuspannen.
Der weiche Moorboden erforderte eine zum Teil vierfache Verankerung der Stütz- und Endmasten an lebenden Bäumen, um ausreichend Stabilität zu gewährleisten. Doch damit nicht genug. Die LKW-befahrbaren Forstwege verlaufen in Moorgebieten häufig entlang der Wald-Feld-Grenze. Das Problem: Der Kranmast der Maschine auf dem Forstweg muss trotzdem rückverankert werden.
Da in diesem Fall für die Maschine aber nur eine landwirtschaftliche Fläche ohne Baumbestand zur Rückverankerung in Frage kam, musste mit sogenannten »Totmännern« gearbeitet werden, um ein Umkippen der Maschine in Richtung des Endmastes zu verhindern. Totmänner sind circa 4 m lange, 30 bis 40 cm starke Baumstämme, an denen die Abspannseile befestigt werden, ehe sie in 40 m Entfernung mit einem Kleinbagger rund 3 m tief eingegraben werden. Diese Rückverankerung diente dazu, eine ausreichend hohe Tragseilspannung bis zum Kranmast aufzubauen.
Fällordnung – das "A und O"
Abb. 4: Schlepper mit Seilkranmast (Foto: R. Wende)
Die gerückten Stämme glitten auf ihren den Druck abfedernden Kronen über die armierte Seiltrasse, wodurch nur sehr geringe Bodenverwundungen entstanden. Erst zum Schluss wurden die Bäume der Trassenarmierung an den Forstweg gerückt, wo sie nach Abschluss der Seilbringung von einem Radharvester aufgearbeitet wurden. Die Maßnahme dauerte insgesamt rund eine Woche. Der verbleibende Bestand wies nach der Hiebsmaßnahme kaum Fäll- oder Rückeschäden auf, was für das gruppenbetonte waldbauliche Vorgehen in Kombination mit einer konsequenten Einhaltung der Fällordnung spricht. Auf der Pilotfläche mit 2,5 ha Größe wurden insgesamt 200 Festmeter Fichte inklusive dem Trassenholz eingeschlagen, davon 50 % Stammholz und 50 % Industrie- bzw. Hackholz.
Was bleibt nun übrig?!
Dass dieser unter den gegebenen Voraussetzungen überschaubar geblieben ist, sollte sich der aufmerksame Leser des Artikels selbst erschließen können. Das bedeutet aber im Umkehrschluss, dass selbst in diesen wirtschaftlichen Randbereichen auf Sonderstandorten eine Forstwirtschaft ermöglicht wird, deren Mehrwert sich unter Umständen erst zukünftig und nachhaltig zeigt: beispielsweise durch eine höhere Stabilität des Waldes, Annäherung an eine natürliche Waldzusammensetzung und eine höhere Baumartenvielfalt.
Wirtschaftlicher Erfolg abhängig von der Flächengröße
"Moorwald Nantesbuch" – ein Praxisbeispiel für Nachahmer
Abb. 5: Im Vergleich der Jahrestriebe profitiert die Waldkiefer deutlich stärker vom Eingriff als die Fichte. (Foto: R. Wende)
Dieser Termin war vor allem für den zuständigen Revierleiter von hohem Wert, da sich aus der Projektvorstellung einige Folgeberatungstermine mit Waldbesitzern ergaben, die ähnliche Moorwaldflächen besitzen. Das Interesse an einer neuartigen Bewirtschaftung dieser Flächen wurde geweckt. Dieses Praxisbeispiel konnte zeigen, dass eine Waldnutzung auf sensiblen Moorstandorten mit dem Waldnaturschutz sehr gut vereinbar ist und dass die moderne Forsttechnik hierbei ein unerlässlicher Wegbegleiter ist.
Regionale Projekte für Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer
Ziel der IZW ist es, »möglichst viele Waldbesitzer für einen gemischten, stabilen und dadurch ökonomisch wie ökologisch wertvollen Wald zu begeistern und für die dazu nötigen Anpassungsmaßnahmen zu gewinnen«. Das an dieser Stelle vorgestellte Projekt »Moorwald Nantesbuch « ist ein Beispiel, wie dieses Ziel in die Praxis umgesetzt wurde.
Beitrag zum Ausdrucken
Weiterführende Informationen
Autoren
- Ragnar Wende
- Sebastian Schenz