Wald kompakt - LWF aktuell 144

Divergierende Zuwachstrends in Europa – Beschleunigung im Norden, Reduktion im Süden

Wälder bedecken etwa ein Drittel von Europa und sind essentiell für den Klimaschutz und viele andere ökonomische, ökologische und sozioökonomische Leistungen. Berichte über den Zustand und Zuwachs der Wälder variieren zwischen schwarz und weiß, zwischen Katastrophenmeldungen und Beschwichtigungen, sogar wenn es um die Lage in derselben Region geht.

Zur Versachlichung der Diskussion werteten wir die Zuwachsentwicklung von 415 langfristigen Versuchsflächen mit 642 Parzellen aus, die über ganz Europa verteilt liegen. Die Versuche decken die sieben wichtigsten Baumarten ab. Die Beobachtungsdauer reicht von 1878 bis 2016. Die Aufzeichnungen zeigen, dass die Zuwächse aller Baumarten seit den ersten Aufnahmen durchschnittlich deutlich zugenommen haben. Am Beispiel der Kiefer, die mit 189 Parzellen vertreten war, zeigt nebenstehende Abbildung klare regionale Unterschiede im Zuwachsverhalten auf, die sich auch für die anderen Baumarten abzeichneten. Demnach nimmt der Bestandeszuwachs der Kiefer in Nordeuropa stark zu, während er sich in Südeuropa abschwächt. In großen Gebieten von West-, Mittel- und Osteuropa zeichnet sich ein moderater Zuwachsanstieg ab. Die identifizierten großregionalen Unterschiede im Zuwachsverhalten tragen zu einer differenzierten Sichtweise bei und sprechen gegen die weit verbreitete Schwarzweißmalerei des Waldzustandes.

Karte von Europa mit der Verteilung der in die Untersuchung einbezogenen 189 Kiefernbestände

Verteilung der in die Untersuchung einbezogenen 189 Kiefernbestände und Trendklassen des gemessenen Zuwachses in der Periode 1975-2016. Bestände anderer Arten sind als rote Kreuze eingezeichnet. Die Trendklassen zeigen rückläufigen, neutralen, ansteigenden und stark ansteigenden Zuwachstrend an. (© Pretzsch et al 2023; Karte: EuroGeographics)

Die aufgedeckten Trends lassen Veränderungen im regionalen Holzaufkommen erwarten und empfehlen standortspezifische waldbauliche Anpassungen an den Klimawandel. Die Ergebnisse unterstreichen die besondere Bedeutung von langfristigen Versuchsflächen. Gerade auch im Hinblick auf die in letzter Zeit gehäuft auftretenden Trockenjahre und deren Auswirkungen auf das zukünftige Waldwachstum werden diese Flächen auch in Zukunft und mehr denn je wertvolle Fakteninformationen bereitstellen.

Hans Pretzsch und Peter Biber, Lehrstuhl für Waldwachstumskunde der Technischen Universität München

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Natürliche Mortalität und Vorratsverluste innerhalb des Bestandeslebens ohne Bewirtschaftung

Balkendiagramm des Ausfalls im Verhältnis zur GesamtwuchsleistungZoombild vorhanden

Stehender Vorrat, natürlicher, konkurrenzbedingter Ausfall und Verhältnis zwischen Ausfall und Gesamtwuchsleistung innerhalb des Bestandeslebens am Beispiel von Fichtenbeständen guter Bonität. (© LWF)

Angesichts der Diskussion über großflächige Flächenstilllegungen wurde in einer europaweiten Studie quantifiziert, wieviel Holzvolumen in unbehandelten Beständen durch natürliche, konkurrenzbedingte Mortalität ausfällt. Datenbasis waren 476 langfristige Versuchsflächen (Fichte, Tanne, Kiefer, Lärche, Douglasie, Eiche, Buche) von 10 europäischen Forschungsinstitutionen zwischen Frankreich und Polen, Schweden und Spanien; die Bayerischen Versuchsflächen liegen etwa in der Mitte. Analysiert wurden Gesamtwuchsleistung, Vorrat und ausscheidender Vorrat über bis zu 150 Jahre des Bestandeslebens.

Bis zum Alter 100–150 beläuft sich das Volumen des ausscheidenden Bestandes bei Fichte beispielsweise auf 500–1000 m3/ha, das entspricht 30–40 % der Gesamtwuchsleistung (s. Grafik). Der Ausfall beträgt durchschnittlich 0,8–2,1 t/ha Biomasse oder 0,4–1,1 t/ha Kohlenstoff pro Jahr; und das mit der Rangfolge Douglasie > Fichte > Buche > Eiche > Tanne > Lärche >Kiefer. Der Ausfallanteil am laufenden Zuwachs steigt mit zunehmen­dem Alter auf lange Sicht bis auf 100 % an; das heißt, es findet dann keine zusätzliche Kohlenstoffspeicherung im lebenden Bestand mehr statt, der Zuwachs geht durch den ausfallenden bzw. ausscheidenden Bestand wieder verloren. Ohne aktive Entnahmen wird demnach über 100–150 Jahre etwa ein Drittel der Gesamtwuchsleistung zu Totholz, das langfristig als Bodenkohlenstoff gespeichert oder wieder veratmet wird.

Die Ergebnisse zeigen, dass bei Flächenstilllegung ein essentieller Anteil der Primärproduktionsmenge in das ausscheidende Holzvolumen, sprich in das Totholz, fließt. Der davon noch ausgehende Klimaschutz hängt davon ab, in welchem Ausmaß das ausscheidende Holz zu einer Erhöhung der im Totholz und im Boden gespeicherten Kohlenstoffmenge beitragen kann.

Hans Pretzsch und Peter Biber, Lehrstuhl für Waldwachstumskunde der Technischen Universität München

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Fachstelle Waldnaturschutz trifft Naturschutzbehörden

Exkursion im FFH-GebietZoombild vorhanden

Exkursion im FFH-Gebiet Illerdurchbruch (© J. Becker, Regierung von Schwaben)

Natura 2000 in Bayern umzusetzen obliegt im Offenland der Umwelt-, im Wald der Forstverwaltung. In den letzten 20 Jahren ist bei dieser gemeinsamen Aufgabe ein gewinnbringender fachlicher Austausch und eine oftmals enge und über Verwaltungsgrenzen hinausgehende vertrauensvolle Zusammenarbeit entstanden.

Um in diesem Sinne den Kolleginnen und Kollegen der Umweltverwaltung einen Blick »durch die forstliche Brille« zu ermöglichen, hat die Fachstelle Waldnaturschutz Schwaben am 11.07.2023 einen ganztägigen Erfahrungsaustausch organisiert. Bei dem mit ca. 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus allen schwäbischen unteren Naturschutzbehörden sowie der Regierung von Schwaben gut besuchten Fortbildungstreffen bei Bad Grönenbach lag der Fokus am Vormittag auf forstlich-ökologischen Themen. So wurden in mehreren Vorträgen beispielsweise die nach §30 BNatSchG geschützten Waldbiotope (wie z. B. Schlucht- und Auwälder) und die wichtigsten Waldschutzgüter der FFH-Richtlinie vorgestellt (u. a. Gelbbauchunke, Frauenschuh und Bechsteinfledermaus). Auf großes Interesse stieß auch die praktische Umsetzung des sog. Bautzen-Beschlusses im Wald – beispielsweise anhand der von den Waldbesitzern ausfüllbaren Checkliste – und die Vorstellung praxisnaher naturschutz-integrierter Forsteinrichtungsplanungen, wie sie mit Unterstützung der Fachstelle aktuell in mehreren schwäbischen Kommunalwäldern umgesetzt werden.

Nach einer Brotzeit bei bestem Wetter und tollem Ausblick auf das FFH-Gebiet »Illerdurchbruch« ging es nachmittags auf eine kleine Exkursion in das Naturwaldreservat »Rotensteiner Rain«. Dort wurden Themen wie Verkehrssicherung, die Ansprache von Biotopbäumen und die Zusammenarbeit zwischen Naturschutz- und Forstverwaltung etwa beim VNPWald-Programm angeregt diskutiert. Als Höhepunkt wurde von den begeisterten Teilnehmern sogar noch ein kleiner Tümpel mit mehreren Gelbbauchunken entdeckt, die in diesem Teil des FFH-Gebietes noch nicht bekannt waren.

Nach diesem lohnenden ersten Austauschtreffen waren sich alle Anwesenden einig, dass solche Veranstaltungen nicht nur zur Fortbildung, sondern besonders auch zur Vertrauensbildung zwischen den Kolleginnen und Kollegen der beiden Verwaltungen dienen und daher im Hinblick auf eine effektive Zusammenarbeit unbedingt verstetigt werden sollten. Es wurde vereinbart, auch im kommenden Jahr wieder eine gemeinsame Veranstaltung durchzuführen, bei der uns Förstern auch waldrelevante Offenland-Themen wie z. B. die Ansprache von Quellen vorgestellt werden könnten.

Boris Mittermeier, Fachstelle Waldnaturschutz Schwaben, AELF Krumbach-Mindelheim

Pilz des Jahres 2024: Der Schopftintling

Pilze mit grauen Pilzhauben und weiß-schuppigen StielenZoombild vorhanden

Vom unteren Hutrand aus fängt der Schopftintling an, sich nach der Sporenreife selbst zu verdauen. (© Markus Blaschke, LWF)

Tief im Wald wird man den Pilz des Jahres 2024 kaum finden, aber entlang von Forststraßen, auf Waldwiesen und entlang von Waldrändern ist der Schopftintling (Coprinus comatus), der auch als Spargelpilz bezeichnet wird, weit verbreitet. Er kommt vom Flachland bis in die montanen Lagen und auch auf stickstoffreichen Böden vor, die viele Mykorrhizapilze meiden. So manche Gartenbesitzerinnen und Gartenbesitzer werden den anfangs schneeweißen Pilz an Sommer- oder Herbsttagen aus dem Boden sprießen sehen und später eine tintenähnliche Flüssigkeit beobachten. Diese schwarze Tinte entsteht, wenn sich der Pilzhut zersetzt und nur der lange spargelförmige Stiel zurückbleibt. Der junge Schopftintling hat einen ovalen, gestreckten weißen Hut mit auffälligen abstehenden weißen Schuppen. Dank dieser Merkmale ist der Pilz gut von anderen Tintlingen zu unterscheiden. Als Speisepilz ist – gut gegart – nur der junge Pilz geeignet, bevor sich Rottöne oder gar schwarze Farben zeigen. Allerdings sollten die Fruchtkörper möglichst rasch zubereitet werden, denn lagerfähig ist der Schopftintling nicht: Schon nach ein bis zwei Tagen kann sich der gesamte Hut »selbst verdaut« haben. Dann verbleiben die schwarzen Sporen, die in der schwarzen Tinte schwimmen. Diese Flüssigkeit wird gern von Insekten verzehrt und dient somit der Sporenverbreitung. Sie lässt sich aber auch mit einer Feder auf Papier verstreichen und wie zu »Großmutterzeiten« als Schreibtinte verwenden. Allerdings ist die unbehandelte Tinte nicht sehr dauerhaft und bleicht in der Sonne bald wieder aus. Deshalb machte man sie durch Zugabe von Gummiarabikum und Phenol früher dauerhafter. Der »Speiseplan« des Pilzes ist vielfältig: Neben Pflanzenresten ernährt sich der Schopftintling auch von winzigen Fadenwürmern im Boden, den Nematoden. Er lähmt diese durch ein Gift und mit Hilfe von Enzymen, die der Pilz aus seinen Zellen absondert und verdaut sie direkt vor Ort. Anschließend werden die so umgesetzten Kohlenstoffverbindungen wieder über die Zellwände des Pilzes als Nahrung aufgenommen. Seit 1994 wählt die Deutsche Gesellschaft für Mykologie den »Pilz des Jahres«. Den Schopftintling stellte sie als Pilz des Jahres 2024 bei der Deutschlandtagung im Herbst 2023 in Lehesten/Thüringen der Öffentlichkeit vor.

Markus Blaschke, LWF

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