Nachrichten aus dem AWG - LWF aktuell 134

Das Bayerische Amt für Waldgenetik (AWG) verfolgt das Ziel, die Vielfalt der Genressourcen in Bayerns Wäldern zu erhalten. Zu den zentralen Aufgaben des Amtes gehören demzufolge die Herkunftssicherung, die Umweltvorsorge und die Erhaltung der genetischen Vielfalt.

Die neuesten Erkenntnisse und Informationen aus der Landesstelle, den Bereichen Herkunftsforschung, Forschung und allgemeine Nachrichten des AWG finden Sie auf dieser Seite. Die Nachrichten aus dem AWG erscheinen auch stets in der jeweiligen Ausgabe von LWF aktuell.

Erhaltungsplantage für die Elsbeere

Foto einer Elsbeere von unten nach oben in die Krone am Stamm entlangZoombild vorhanden

Plusbaum der Elsbeere in Sailershausen (© M. Šeho, AWG)

Hitze, Trockenheit, Sturm und invasive Schadorganismen erhöhen zunehmend das Ausfallrisiko für unsere heimischen Hauptbaumarten. Für die Erweiterung der Baumartenpalette und die Risikostreuung auf mehrere Mischbaumarten rücken vermehrt seltene heimische Baumarten in den Fokus. Die Elsbeere weist viele Eigenschaften auf, die im Klimawandel eine wichtige Rolle spielen: Trockenheits- und Frosttoleranz sowie geringe Anfälligkeit gegenüber Schadorganismen.

Das AWG hat bereits 2016 Elsbee­renpopulationen in Süddeutschland untersucht und ihre Eignung als Ernte- und Erhaltungsbestände bewertet. Angesichts des Klimawandels besteht ein hoher Bedarf an hochwertigem und anpassungsfähigem Vermehrungsgut der Elsbeere bei Waldumbaumaßnahmen in ganz Europa. Im Rahmen des Konzepts zum Erhalt und zur nachhaltigen Nutzung forstlicher Genressourcen in Bayern begründet das AWG deshalb in Zusammenarbeit mit den Bayerischen Staatsforsten (BaySF) und dem Forstbetrieb München eine Klon-Samenplantage im Garatshauser Wald auf einer Gesamtfläche von 2 ha. Diese soll dem Erhalt und der Förderung der Baumart Elsbeere dienen.

Die Zusammenstellung ausgewählter Einzelbäume zu einer Re­­pro­duktionseinheit ge­währleistet sowohl die Erhaltung des wertvollen genetischen Materials als auch die Erzeugung von hochwertigem und anpassungsfähigem Forstvermehrungsgut. Die genetischen Parameter (Struktur, Vielfalt, Diversität) und die phänotypischen Merkmale von Samenplantagen schneiden überdurchschnittlich ab und liegen in der Regel über den Werten von einzelnen Beständen.

Für die Erhaltungsplantage wurden in Zusammenarbeit mit der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) 90 Einzelbäume im süddeutschen Hauptvorkommensgebiet der Elsbeere (nördliches Baden-Württemberg, nordwestliches Bayern) sowie zwei Bäume vom Ammersee-Ostufer ausgewählt. Nach der arbeitsaufwendigen Pfropfreiserwerbung und Pfropfung durch die FVA erfolgte die vegetative Anzucht. Es ist geplant, die 90 Klone auf rund 300 Pflanzplätze zu verteilen und so eine optimale Bestäubung zu gewährleisten. Um das Landschaftsbild positiv zu gestalten, wurde ein weiter Pflanzverband von 8 x 8 m gewählt. Die lockere Struktur und die Pflanzung einer insektenbestäubten Baumart fördern zudem die biologische Vielfalt.

Die Umsetzung der Anlage erfolgt durch die AWG-Mitarbeiter J. Eckel, R. Jenner und A. Zaiser. Unser Dank gilt allen an der Pflanzung Beteiligten.

Dr. Muhidin Šeho, AWG

Forschungsaktivitäten bei Rotbuche

Vier Blätter der Rotbuche in ihrer jeweiligen jahreszeitlichen Färbung in grün gelb und rotZoombild vorhanden

Blätter der Rotbuche (© D. Kavaliauskas)

Im Jahr der Buche werden die Forschungsaktivitäten am Bayerischen Amt für Waldgenetik (AWG) beim Baum des Jahres intensiviert. Sowohl bei der Erhaltung als auch der Nutzung forstlicher Genressourcen ist der Fokus auf die wichtigste Laubbaumart im Mitteleuropa gerichtet. Im Klimawandel gerät die Mutter des Waldes zunehmend unter Druck. Die Umweltveränderungen vollziehen sich so schnell, dass sich viele Waldpopulationen aus eigener Kraft nicht anpassen können und absterben. Die Schäden in den Buchenbeständen der letzten Jahre haben viele Forstakteure überrascht, da die Rotbuche als »sichere Bank« galt. Erste Ergebnisse aus Herkunftsversuchen in Süddeutschland zeigen, dass es Unterschiede (Šeho et al. 2022) zwischen den untersuchten Buchenherkünften gibt und Forschung in diesem Bereich eine wichtige Rolle im Klimawandel spielt.

Daneben stellen die nach Herkunftsregionen aufgesplitteten Nischenmodelle eine wichtige Grundlage für weitere Untersuchungen dar (Mellert et al. 2021). Sie erlauben eine Aufgliederung der Herkunftsregionen nach dem dort herrschenden klimatischen Selektionsdruck. Dadurch kann die potentielle Umweltanpassung auf Ebene des Ökotyps erfasst und dargestellt werden.

Bei beiden Forschungsansätzen zeichnet sich ab, dass Buchenherkünfte aus anderen Regionen Europas heimische Wälder mit Saat- und Pflanzgut anreichern können, das an die Klimaerwärmung besser angepasst ist. Daneben wird deutlich, dass die Forschung zu klimaplastischen Herkünften aus Süddeutschland verstärkt werden muss. So wird im Rahmen des Projektes »sensFORclim« in vier Bundesländern untersucht, ob es unter den heimischen Herkünften besonders klimatolerante Lokalanpassungen gibt. Die Kombination der verschiedenen Disziplinen wie Forstgenetik, Standortskunde, Modellierung, waldwachstumskundliche Resilienzforschung, physiologische Studien an Alt- und Jungpflanzen ist vielversprechend und wird einen wichtigen Beitrag zum Erkenntnisgewinn leisten.

In Zeiten des Klimawandels ist es wichtiger denn je, die Erhaltung forstlicher Genressourcen sowie die Förderung der Biodiversität zu intensivieren. Die genetische Vielfalt der Erbanlagen ist die erste und wichtigste Ebene der Biodiversität und Grundlage der Anpassungsfähigkeit von Waldpopulationen. Das oberste Ziel ist die Erhaltung der genetischen Information am Ort ihres Vorkommens über möglichst viele Waldgenerationen hinweg. Es ist geplant, mehrere Bestände der Generhaltungszone 4 und 5 auszuweisen.

Dr. Muhidin Šeho, AWG

Anbauwürdigkeit der Orientbuche in Bayern

Zum Vergleich wurde jeweils ein Zweig von Rotbuche und Orientbuche bereitgelegt.Zoombild vorhanden

Zweige von Rotbuche (oben) und Orientbuche (unten) (© J. Geiger, AWG)

Die Orientbuche (Fagus orientalis Lipsky) ist eine Schwesterart unserer Rotbuche, scheint aber etwas mehr Trockenheit und Wärme zu vertragen. Im Klimawandel dürfte diese Baumart auf einigen Standorten in Bayern eine interessante Ergänzung sein. Die Orientbuche hat ein großes natürliches Verbreitungsgebiet und wächst von Nordost-Griechenland und Bulgarien, über die Türkei vor allem entlang des Schwarzen Meeres bis zum Kaukasus sowie im Norden des Iran. Sie kommt in Höhenlagen von 200 bis 2.200 m ü. NN unter anderem vergesellschaftet mit Abies bornmülleriana, Abies nordmanniana, Pinus sylvestris und Pinus nigra vor. Sie wächst auf leichten bis mittleren Lehmböden sowohl auf sauren als auch auf basischen Standorten.

Unterschieden werden kann die Orientbuche von der Rotbuche anhand der Blätter und des Rindenbilds. Die Blätter sind 8–17 cm groß, meist oberhalb der Mitte am breitesten und relativ kurz gestielt. Sie haben 8 bis 12 Nervenpaare (F. sylvatica: 6 bis 9 Nervenpaare). Die graue, glatte Rinde ist oft etwas heller als die von F. sylvatica. Die Orientbuche kann bis 40 m (vereinzelt bis 50 m) hoch werden und Brusthöhendurchmesser (BHD) bis 120 cm erreichen. Das Holz ist ähnlich dem von F. sylvatica und wird auch so verwendet. Sie ist schattenertragend wie die Rotbuche und zeigt ein vergleichbares Verjüngungsverhalten. Somit hat diese Baumart ein hohes Potential, in heimische Waldökosysteme integriert zu werden.

In einer Pilotstudie bewertet das AWG die Anbaueignung von F. orientalis auf Waldrandstandorten von F. sylvatica in Süddeutschland. Erste Ergebnisse zeigen eine große Überschneidung bei den klimatischen Parametern und ein gutes Ersatzpotential der Orientbuche vor allem auf Marginalstandorten der Rotbuche. Der Jahresniederschlag sollte mindestens 500 mm betragen. Die Winterfrosthärte liegt bei - 20 °C. Die Orientbuche treibt eher aus als die Rotbuche und beginnt etwa zwei Wochen früher mit der Herbstfärbung. Es gibt einige Bestände der Orientbuche in Franken und Baden-Württemberg. Forstleute vor Ort berichten, dass sie die Trockenjahre 2018 bis 2020 vitaler als die Rotbuche überstanden hat. Das AWG erstellt derzeit ein Kurzportrait der Orientbuche für die Praxis. In Herkunftsversuchen sollte geklärt werden, welche Herkünfte für Bayern geeignet sind. Das AWG hat bereits ausgewählte Saatguterntebestände der Orientbuche eruiert, die für Praxisanbauversuche verwendet werden können.

Johann Geiger und Dr. Muhidin Šeho, AWG

Beprobung Spitzahorn und Sommerlinde

Bild eines Laub-Mischwald-Bestandes in der jahreszeitlich laublosen PeriodeZoombild vorhanden

Zahlreiche vitale Sommerlinden in einem Laub-Mischwald bei Gräfenberg (© B. Rau)

Baumarten wie Spitzahorn, Hainbuche oder Sommerlinde spielten bisher eine untergeordnete Rolle oder wurden als dienende Baumarten genutzt, weshalb deren Anpassungspotential an den Klimawandel bislang nicht detaillierter untersucht worden ist. Die Ausweisung von Saatguterntebeständen erfolgte ausschließlich anhand des Phänotyps. Im Rahmen des Projekts »AcCarTi« werden die Herkunftsempfehlungen und Herkunftsgebiete für die Baumarten Spitzahorn (Acer platanoides L.), Hainbuche (Carpinus betulus L.) und Sommerlinde (Tilia platyphyllos Scop.) überarbeitet, um die Erntebasis zur Deckung des zukünftigen Bedarfs an Vermehrungsgut zu verbessern. Nach dem ersten Jahr konnten bereits 20 Populationen des Spitzahorns sowie 16 Populationen der Sommerlinde beprobt werden.

Vor der Beprobung wurden die BaySF sowie die Ämter für Ernährung Landwirtschaft und Forsten (ÄELF) gebeten, neue Bestände zu melden, die für die Untersuchung und bei einer gegebenen Eignung für die Zulassung in Frage kommen. Unser Dank gilt den Revierleiterinnen und Revierleitern, die uns viele Bestände gemeldet und uns bei der Beprobung wertvolle Informationen bereitgestellt haben. So konnten bei beiden Baumarten neuen Bestände identifiziert und beprobt werden. Daneben wurden in allen Beständen Plusbäume ausgewählt, die für die Anlage von geplanten Samenplantagen genutzt werden.

In Regionen mit unzureichendem Umfang an zugelassenen Erntebeständen oder Samenplantagen sollte die Zulassung weiterer Erntebestände erfolgen. Um dies zu erreichen, werden die räumlich-genetischen Strukturen der Projektbaumarten in Bezug auf die für Bayern relevanten Herkunftsgebiete ermittelt. Die gewonnenen Erkenntnisse lassen eine Überarbeitung der Herkunftsempfehlungen auf genetischer und phänotypischer Grundlage zu. Es ist geplant, nach Abschluss des Projekts geeignete Erhaltungsbestände auszuweisen und dadurch die wertvollen genetischen Ressourcen zu sichern. Bei der dritten Projektbaumart, der Hainbuche, konnten im Auftrag des AWG und des Thünen-Instituts erfolgreich neue genetische Marker entwickelt werden, die bei der geplanten Untersuchung eingesetzt werden. Durch die Verwendung der gleichen Marker können die bayerischen Bestände im Rahmen von Forschungsarbeiten mit weiteren Beständen aus anderen Bundesländern verglichen werden. Die gewonnenen Ergebnisse werden zeitnah in praxisrelevanten Zeitschriften publiziert.

Dr. Muhidin Šeho und Bernhard Rau, AWG

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