Dr. Alexandra Wauer
Verehrt, geschätzt, vielseitig verwendet - LWF Wissen 85

Eine belaubte Stechpalme steht in dem ansonsten noch unbelaubten Eichen-WaldZoombild vorhanden

Abb. 1: Eine etwa 15 m hohe Stechpalme unter Eichen im Naturschutzgebiet Hasbruch (Landkreis Oldenburg) im atlantisch geprägten Nordwesten Deutschlands
(© A. Wauer, LWF)

Die Stechpalme Ilex aquifolium kommt als einzige Vertreterin der Familie der Aquifoliaceae in atlantisch bzw. mediterran getönten Klimaregionen Europas vor. Ihr botanischer Name lässt sich auf die Ähnlichkeit ihrer Blätter zu denen der Steineiche Quercus ilex zurückführen. Der deutsche Name Stechpalme weist auf die Verwendung am Palmsonntag hin. Regional existieren viele weitere Trivialnamen. Die aus ihren zahlreichen Inhaltsstoffen resultierenden Heilwirkungen waren bereits in der Antike bekannt und wurden viele Jahrhunderte lang genutzt. Heute spielt die Stechpalme in der Pflanzenheilkunde kaum noch eine Rolle.

Aus den Blättern der in Südamerika beheimateten Ilex paraguariensis wird der bekannte Mate-Tee hergestellt. Das dichte schwere Ilex-Holz wurde vielfältig verwendet, z. B. für Intarsien und Furniere, aber u. a. auch für Peitschenstiele und Spazierstöcke. Kelten und Germanen schmückten ihre Wohnstätten zur Wintersonnenwende mit Ilex-Zweigen, um Haus und Hof zu schützen und Böses fernzuhalten. Bei Griechen und Römern symbolisierte die Stechpalme das ewige Leben. Bei verschiedenen Festen wurden die Häuser mit Ilex-Zweigen geschmückt. Zunächst als »heidnischer Brauch« verschrien, dann aber in die christliche Symbolik integriert, eroberte sich die Stechpalme ihren Platz im Weihnachts- und Osterbrauchtum.

Lebensraum und Lebensweise

kleine Stechpalmen unter großen EichenZoombild vorhanden

Abb. 2: Stechpalmenunter- und Zwischenstand unter Eichen-/Buchenhauptbestand im Hasbruch (© A. Wauer, LWF)

Die Stechpalme ist keine Palme im eigentlichen Sinne, sondern gehört zur Familie der Aquifoliaceae mit circa 400 Arten vor allem in den Subtropen und Tropen. In Europa kommt nur eine Art, Ilex aquifolium, vor. Sie lebt in der atlantischen Klimaregion mit ihren feuchten und milden Wintern, außerdem im Mittelmeergebiet und auf dem Balkan. Die Stechpalme wächst als Strauch oder bis 15 Meter hoher Baum (Abbildung 1), meist als Unterholz in Laubmischwäldern (Abbildung 2). Die langsam wachsende Schattbaumart kann bis zu 300 Jahre alt werden. Auf Grund ihrer ausgeprägten Fähigkeit zur vegetativen Vermehrung ist sie in der Lage, dichtes Unterholz zu bilden. Der deutsche Wald­ und Naturforscher Roßmäßler (1881) bezeichnete sie sogar als »Wald unter dem Walde«.

Vor allem alte Bäumen bilden neben den stacheligen auch eben ausgebreiteten, stachellose Blätter. Die Pflanze ist zweihäusig, Geschlechtswechsel kommt vor. Im Frühling erscheinen kleine weiße Blüten mit vier Kronblättern. Im Herbst reifen die leuchtend korallenroten, erbsengroßen Steinfrüchte. Da die Früchte lange am Strauch hängen bleiben, sind sie ein Winterfutter für Vögel, die sich auch gern in den Schutz der wehrhaften Hecken zurückziehen. Die Stechpalme wurde nach jahrhundertelanger Übernutzung bereits 1935 unter Naturschutz gestellt und genießt auch heute noch den Status »vollkommen geschützt«.

Namensvielfalt

Eine einzeln stehende Stechpalme auf einer Wiese Zoombild vorhanden

Abb. 3a: Habitus der Steineiche (Quercus ilex) (© Anna Reinert / Adobe Stock)

Der botanische Name für die Stechpalme Ilex leitet sich aus dem lateinischen Namen für die in der Mittelmeerregion heimische Steineiche, Quercus ilex (Abbildung 3a + b), ab, weil die immergrünen, dornig­ gezähnten, ledrigen Blätter der Stechpalme denen der Steineiche ähneln. Schon der römische Naturforscher Plinius der Ältere (23/24 – 79 n. Chr.) beschrieb Ilex als Baum mit »stachelig gezähnten Laubblättern und kleinen Eicheln« (Genaust 2005). Das Wort Ilex kam über das makedonische Ilax in das Lateinische. Der griechische Philosoph und Naturforscher Theophrastos von Eresos (um 371 – ca. 287 v. Chr.) gilt als Begründer der wissenschaftlichen Botanik und als erster Gelehrter, der sich mit Baum­ und Holzkunde befasst hat. Er bezeichnete die in Arkadien wachsende Steineiche als »Smilax«. Ob ein sprachlicher Zusammenhang zu Ilex besteht, ist bisher nicht geklärt (Genaust 2005). Das Artepitheton aquifolia bedeutet »mit spitzigen, stechenden Blättern« nach lateinisch »acus«, Nadel, Spitze sowie »folium«, Blatt.
Blätter und Frucht der SteineicheZoombild vorhanden

Abb. 3b: Blätter und Frucht der Steineiche (Quercus ilex) (© Madeleine / Adobe Stock)

Der deutsche Name »Stechpalme« weist auf die Verwendung am Palmsonntag hin. Da in Mittel-­ und Nordeuropa keine Palmen wachsen, griffen unsere Vorfahren am Palmsonntag stattdessen zum heimischen Ilex. Regional existieren viele Trivialnamen für die Stechpalme. In Deutschland ist etwa Hülse/Hölse, Hulstbaum, Hülsdorn, Christdorn, Stecheiche, Stechdorn, Palmdorn und auch Deutscher Matetee gebräuchlich. Der Hülse verdanken die Orte Hülsede, Hüls, Hüllhorst, Hülsenbusch, Hülscheid sowie Schloß Hülshoff bei Münster in Westfalen, dem Geburtsort der Dichterin Annette von Droste-­Hülshoff, ihre Namen. Die Stadt Hüllhorst führt die Ilex offiziell als Kennzeichen (z. B. Jugendcafé Ilex, Ilex­Halle). In der Eifel und im Hunsrück wird die Stechpalme als Walddistel bezeichnet. In Vorarlberg nennt man sie Stechlaub, in Ober­ und Niederösterreich Schralab, Schradl oder Schradlbam. In Teilen Altbayerns heißt sie Waxlawa (erste Silbe entweder von »Wachs« oder dem altbairischen Adjektiv wax für »scharf«), also »Wachs­« oder »Scharf­Laub(er)« (wikipedia.org/wiki/Europäische_Stechpalme).
In Skandinavien ist für die Stechpalme der Name »Christusdorn« gebräuchlich, der an die Dornenkrone und mit den roten Beeren an die Blutstropfen Christi erinnern soll.
Ihr englischer Name holly leitet sich vom angelsächsischen holegn und dem althochdeutschen hulis »heilig« ab (Hageneder 2009). Eine Verbindung von »Holly« zu der amerikanischen Stadt Hollywood liegt nahe. 1888 gründete die Familie Wilcox den Ort. Verschiedene Quellen sehen den Ursprung des Namens in dem Stechpalmenwald, der dort das prägendste Landschaftselement war (z. B. www.puppenhausmuseum.ch; wildes-berlin.de/stechpalme/). Andere Autoren sind sich dessen nicht so sicher. Diekmann-Müller (2008) beispielsweise schreibt: »Ob allerdings der Name Hollywood tatsächlich von den Stechpalmenhecken, die in der Umgebung von Los Angeles vorkommen, herrührt, ist unsicher«.

Im Dienst der Gesundheit

Stechpalmenblätter enthalten verschiedene Wirkstoffe: Bitterstoffe, Gerbstoffe, Flavonoide, Ilexin, Theobromin, Coffein, Vanillin, Mineralstoffe, Pektine, Saponine. Daraus resultieren die zusammenziehenden, schleimlösenden, auswurffördernden und harntreibenden Eigenschaften der Stechpalmendrogen. Nach Ansicht mancher Autoren werden die Blätter am besten im Frühsommer geerntet, sie können frisch oder getrocknet und zerkleinert verwendet werden (Künkele, Lohmeyer 2017). Andere Autoren beurteilen Blätter und noch mehr die Früchte als stark giftig. Von einem Verwenden auf eigene Faust ist daher dringend abzuraten.
In der Antike und auch in späteren Zeiten allerdings war die Heilwirkung der Stechpalme geschätzt. Plinius der Ältere (23/24 – 79 n. Chr.) empfahl die Stechpalme gegen Gelenkbeschwerden. Im 16. Jahrhundert wurde sie gegen Gelbsucht eingesetzt. Rosenthal (1862) nennt das Ilicin als wirksamen Hauptinhaltsstoff der Blätter, die gegen Wechselfieber, Durchfall, Koliken und Magenschwäche empfohlen wurden. Der Schweizer Kräuterpfarrer und Publizist Johann Künzle (1857 – 1945) verwendete sie zur Vorbeugung vor Grippe sowie als Bestandteil von Grippe­ und Erkältungstees (Astecker, www.naturzyt.ch.). Die Früchte wurden als Abführmittel, die Blätter als schweißtreibender, fiebersenkender Tee bei Grippe und Bronchitis verabreicht. Die harntreibende Wirkung beschleunigt die Ausscheidung von Giftstoffen aus dem Körper. Deshalb wurde die Stechpalme seit langem bei Gicht, Rheuma und Arthritis eingesetzt. (Astecker, www.naturzyt.ch.). Außerdem waren die gerösteten Samen als Kaffee-­Ersatz geschätzt.
Roth et al. (2012) klassifizieren die Blätter und insbesondere die Beeren als stark giftig (20 bis 30 Beeren als tödliche Dosis für Erwachsene). Als Symptome einer Vergiftung werden Übelkeit, Erbrechen, bei Roth et al. (2021) auch Herzrhythmusstörungen, Lähmungen, Nierenschäden, Durchfall, Magenentzündung und Schläfrigkeit beschrieben. Nach aktuellem Stand werden die Beeren hingegen als gering giftig eingestuft (wikipedia.org 2021).
Heutzutage spielt die mitteleuropäische Stechpalme In der Pflanzenheilkunde nur noch eine Nebenrolle. In der Homöopathie wird sie u. a. bei Bindehautentzündung eingesetzt.

Blütenessenz

Der englische Arzt Dr. Edward Bach (1886 – 1936) entwickelte die nach ihm benannte »Bach-­Blütentherapie« mit 38 Blütenessenzen als ganzheitliches, alternativmedizinisches Verfahren. Die Stechpalme wurde bei Dr. Bach zu »Holly«, der 15. Bachblüte. Die Blütenessenz bringt Liebe ins Herz, Mitgefühl, Verständnis und Verbundenheit mit den Mitmenschen. Sie hilft, Neid, Eifersucht, Ärger, Zorn, Hass, Ich-Bezogenheit zu überwinden. Ilex fördert das Vertrauen, dass das Leben genug Liebe für alle bereithält. Auch die Baumessenz lindert diese Symptome und bringt geistige Ruhe, beeinträchtigt dabei aber nicht das Durchsetzungsvermögen (Hageneder 2009; Astecker, www.naturzyt.ch; Scheffer 1988).

Mate – vom Getränk der Schamanen zum Volksgetränk

Vier Bilder: Mate-Blätter, geriebenes Mate-Pulver, Mate-Blüten und Mate-TeeZoombild vorhanden

Abb. 4: Aus den Blättern des Matestrauchs wird der Mate-Tee zubereitet (© Adobe Stock)

Ein naher Verwandter der Stechpalme ist die vor allem im südlichen Brasilien und in Paraguay vorkommende Art Ilex paraguaiensis , der Matestrauch. Aus den getrockneten und zerkleinerten Blättern wird der Mate-­Tee, ein in Südamerika weit verbreitetes Getränk, zubereitet (Abbildung 4). Er wird auch Jesuiten-, Missions-, Paraguay-­ oder Paranatee genannt, spanisch heißt er Yerba-Mate, portugiesisch Erva Mate und Chimarrão. Der Tee wirkt auf Grund seines hohen Coffein­ und auch Theobromingehaltes anregend auf das Zentralnervensystem und auf die Darmmotorik. Er soll den Stoffwechsel aktivieren, Hunger bremsen, Herz und Kreislauf schonen und ohne Nebenwirkungen helfen, Stimmungs­ und Ermüdungserscheinungen aufzufangen. Der Name des Tees leitet sich vom Quechua-­Wort »mati« für Trinkgefäß ab.
Ursprünglich mischten die Schamanen der Ureinwohner Paraguays Mate in ihre Getränke. Später entwickelte sich die Sitte des Matetrinkens als Zeichen der Freundschaft. Es lässt sich als Pendant zum Rauchen der Friedenspfeife bei den nordamerikanischen Ureinwohnern interpretieren. Die in den Appalachen lebenden Indianerstämme brauten aus den Blättern der Ilex vomitoria den »black drink«, bekannt als Appalachentee. Mit Hilfe dieses berauschenden Getränks holten sie sich Mut für den Kriegspfad (Roth et al. 2012). Nordamerikanische Indianerstämme nutzten Ilex verticillata (amerikanische Winterbeere) als Heil­ und Brechmittel, zur Behandlung psychischer Krankheiten, aber auch als Halluzinogen (Hageneder 2009).

Verwendung

Das gelblichgrüne, schwere, dichte, gut polierfähige Holz eignet sich für Drechslerarbeiten und Furniere. Die alten Intarsienmeister wussten es sehr zu schätzen. In der Feintischlerei diente es als Ersatz für das seltene Ebenholz, weil es dunkle Lacke sehr gut annimmt. Druckstöcke für Holzschnitte, Ladestöcke, Peitschenstiele und Spazierstöcke wurden aus Ilex­-Holz gefertigt. Auch Johann Wolfgang von Goethe schätzte das feste Holz und besaß einen Wanderstock daraus. Dieser Stock ist heute noch im Goethehaus zu Weimar ausgestellt (Laudert 2004). Ureinwohnerstämme Nordamerikas schnitzten aus dem Holz der dort vorkommenden Ilex­-Arten Pfeilschäfte (Hageneder 2009). In Gebieten mit milden Wintern wird die Stechpalme in Gärten und Parks angepflanzt. Neben der Wildform existieren mehrere Kulturformen.
Im Elsaß wird aus den Beeren ein Obstbrand, »Baie de Houx«, hergestellt. Auch zu anderen, profaneren Zwecken wurde die Stechpalme genutzt. Die belaubten Zweige wurden gebündelt und an einem Seil befestigt zur Reinigung von Kaminen verwendet. Dabei funktionierte dieser Stechpalmenbüschel wie eine Stahlbürste (Böttcher 2020).
Ilex­­-Zweige und ­Blätter wurden einst auch gegen die Ratten­ und Mäuseplage eingesetzt. Beispielsweise waren im Lübecker Kanzleigebäude Hohlräume in Decken zur Abwehr mit »Hülsbusch« ausgefüllt. Seit dem Mittelalter wurde aus zerquetschter und vergorener Stechpalmenrinde Vogelleim zum Singvogelfang hergestellt (Laudert 2004). Nach Rosenthal (1862) wurden Stechpalmenblätter in Südfrankreich als »ausgezeichnetes Viehfutter« genutzt. In den Niederösterreichischen Voralpen gehörte die Stechpalme zum traditionellen Bauerngarten. Bei verlassenen, brach liegenden Gehöften zeigt sie die Lage des einstigen »Gartl«.Besonders in Lagen mit hoher Luftfeuchtigkeit bildet die Stechpalme undurchdringliche Dickichte, in denen Familien in Kriegs­- und Notzeiten ihr Leben mitsamt Hab und Gut retten konnten. Deshalb wird dieser Baum auch als Symbol für den Schutz vor allem Bösen angesehen. Da die Blätter am unteren Stammende stärker bewehrt sind als am oberen Stammende, den das Wild nicht mehr erreicht, und dort fast glattrandige Blätter ausbildet, wurde die Stechpalme auch als Symbol der weisen Voraussicht gewertet. Auf ihre ausgeprägte Fähigkeit zur vegetativen Vermehrung bezog sich ihr Ruf als »Waldunholz« oder »Waldunkraut« und dem daraus resultierenden Spruch: »Ilse bilse, keiner willse, die böse Hülse!«

Mythologie und Volksglauben

In zahlreichen Kulturen und Religionen war die immergrüne Stechpalme Wohnsitz der Götter und damit Zeichen des ewigen Lebens. Grün symbolisiert nicht nur die Hoffnung auf Lebenserhalt im dunklen Winter, sondern auch die Treue. Die Lebenskraft, die in wintergrünen Gewächsen steckt, wurde oft als Heilkraft gedeutet. Häuser wurden mit Zweigen dieser Baumarten geschmückt, in der Hoffnung, damit Gesundheit ins Haus zu holen. Fichte, Tanne, Kiefer, Buchsbaum, Stechpalme, Stechginster, Efeu und Rosmarin wurden besondere Kräfte zugesprochen, besonders auch der Eibe und dem Wacholder, ursprünglich als Wachholder oder Weckholder als Hinweis auf das ewige Leben bezeichnet (die Nachsilbe »der« leitet sich vom germanischen »ter« = Baum ab, heute noch in Maßholder (Feldahorn), Holunder, Affolter – alte Bezeichnung für Apfelbaum – zu finden).
Bäume mit immergrünem Laub wie die Stechpalme sind in Mitteleuropa sehr selten. Germanen und Kelten verehrten sie deshalb ganz besonders. Sie schmückten zur Wintersonnenwende ihre Wohnstätten mit Stechpalmenzweigen. Die Zweige und Beeren dienten nicht nur als Schmuck, sondern sollten Haus und Hof schützen, Blitze, bösen Zauber und Verwünschungen fernhalten sowie Geistern, Feen und guten Walddämonen in der Kälte Unterschlupf bieten. Auch im antiken Britannien existierte dieser Brauch schon bevor die Römer das Land eroberten.
In Wales wurde der Stechpalme ebenfalls ein hoher übersinnlicher Wert zuerkannt. Hageneder (2009) berichtet dazu: »Im walisischen Mythos stellt die schöne blonde Göttin Creiddylad die Sonne dar. Die Ritter des wachsenden und des schwindenden Jahres kämpfen für sie. Von Mittwinter bis Mittsommer, wenn die Tage länger werden, regiert der Himmelsgott. Sein Symbol ist die Eiche. Wenn ab Mittsommer die Tage kürzer werden, erhebt der Gott der Erde und der Unterwelt Anspruch auf die Sonne. Sein Baum ist die Stechpalme, die mit dem Geist der Vegetation, dem ›Grünen Mann‹ verbunden ist.«
Die Stechpalme war der Baum der Hel, der germanischen Göttin der Unterwelt. Deshalb galt das Holz als besonders geeignet für die Zauberstäbe der Hexen (Laudert 2004). Vermutlich hat die englische Schriftstellerin Joanne Rowling diese »Verwendung« auch gekannt und deshalb ihre Romanfigur Harry Potter mit einem Zauberstab aus Ilex­-Holz ausgestattet.
Bei den Römern galt die Stechpalme als Inbegriff des Schutzes vor allem Bösen. Plinius der Ältere erwähnt bereits die Verwendung als Hausschmuck. Mit ihren immergrünen stacheligen Blättern und den leuchtend roten, kugeligen Steinfrüchten symbolisierte Ilex bei den Griechen und den Römern das ewige Leben. Bei den Römern galt sie auch als Sinnbild für Wohlwollen und freundschaftliche Zuwendung. Zu den Saturnalien, dem römischen Mittwinterfest, wurden die Häuser dem Gott Saturn zu Ehren mit Stechpalmenzweigen geschmückt. Zum Fest beschenkte man sich mit Ilex­-­Zweigen. Auch im Bacchuskult hatte die Stechpalme neben dem Efeu ihren festen Platz.
In manchen Regionen der Schweiz hängt man noch heute Stechpalmenzweige an Haus und Stall, um das Böse fernzuhalten (v. Hannover; www.damals.de).

Christliche Symbolik – Weihnachten und Ostern

Wandteppich zeigt eine Dame in einem Zelt mit einem Einhorn, rechts oben ist StechpalmeZoombild vorhanden

Abb. 5: Wandteppich um 1500 »Die Dame mit dem Einhorn« im Musée national du moyen Âge – die Stechpalme ist rechts oben abgebildet (© ho visto nina volare/Wikipedia)

Heute noch werden vielerorts zur Weihnachtszeit Häuser mit den immergrünen Zweigen der Stechpalme geschmückt, als Symbol des weiterbestehenden Lebens während der dunklen Jahreszeit (Abbildung 6). Den frühen Christen war es verboten, an Weihnachten Stechpalmen zu verwenden, weil dies als heidnischer Brauch verschrien war. Nachdem sich jedoch trotz aller Versuche der Stechpalmenkult nicht ausrotten ließ, begannen die Kirchenoberen die Stechpalme in das christliche Brauchtum zu integrieren. In diesem Sinne wurden fromme Legenden in Umlauf gebracht (Abbildung 5). Einer solchen zufolge erhielt jede Palme, mit der Jesus vorher in Jerusalem begrüßt wurde, Stacheln, nachdem er zum Tod am Kreuz verurteilt worden war, um die Leiden der Karwoche zu symbolisieren (Laudert 2004; Diekmann-Müller 2008). Auf diese Weise wurde die Stechpalme zum gesegneten Baum, zum Symbol für Jesus (Abbildung 7). Man deutete die Beeren als Blut, das der Erlöser aus Liebe zu den Menschen vergossen hat, die gezähnten Blätter als Dornenkrone und das Grün als Hoffnung. Damit sind die beiden wichtigsten Bedeutungen der Weihnacht, Liebe und Hoffnung, in der Stechpalme vereint.
Fast fertig gebundener Schmuckkranz aus Stechpalme mit StrohkernZoombild vorhanden

Abb. 6: Immergrüner Hausschmuck (© Stefan Körber /Adobe Stock)

Eine alte Weihnachtslegende nennt einen anderen Grund für die Entstehung der roten Früchte: »Als die Hirten sich auf den Weg zum Jesuskind machten, folgte ihnen ein kleines, schwaches und krankes Lämmchen. Es lief hinter dem Hirtenjungen her, der es gepflegt hatte. Das Lamm blökte zwar, aber so leise, dass niemand es hörte. Es stolperte immer wieder über die Steine, die auf dem Weg lagen, und die Stechpalmen zerkratzten es. Endlich erreichte es den Stall und drängte sich an den Hirtenjungen. Maria sah, dass der Junge das Lamm aufhob, es streichelte und an seiner Brust wärmte. ›Auch mein Sohn wird später einmal gut zu hilflosen Geschöpfen sein‹, sagte Maria zu dem Jungen. ›Deshalb sollen die Menschen immer daran erinnert werden, dass du dem Lämmchen geholfen hast, als es in Not war.‹ Seither trägt die Ilex im Winter leuchtend rote Beeren zur Erinnerung an den barmherzigen Hirtenjungen.« (v. Hannover, damals. de).
Gemälde mit Maria, Josef und Jesukind, darunter Stechpalmenzweige als DekorationZoombild vorhanden

Abb. 7: Die Stechpalme als Symbol für Christus begleitet ihn von Geburt an
(© https://austria-forum.org)

Die »Weihnachtsgeschichte« der Stechpalme begann lange vor dem Siegeszug des »Tannenbaumes«. Schon im Mittelalter holte man die immergrünen Zweige mit ihren dauerhaften, leuchtend roten Früchten als Sinnbild ewigen Lebens ins Haus. Bereits 1535 wurden in Straßburg kleine Eiben, Stechpalmen und Buchsbäumchen verkauft, die noch ohne Kerzen in den Stuben aufgehängt wurden – alles Baumarten mit hoher Symbolkraft. Die Stechpalme als Weihnachtsbaum ist aus der Schweiz, aus Straßburg und aus dem Schwarzwald seit dem 16. Jahrhundert nachgewiesen. Dennoch lässt sich die heute übliche Verwendung vor allem als Übernahme einer englischen bzw. angelsächsischen Tradition interpretieren. Dort hatte sich die Verehrung der Stechpalme über die Jahrhunderte hinweg erhalten. Die Häuser zu Weihnachten mit Stechpalmen zu schmücken, ist seit dem 15. Jahrhundert im ganzen Land gebräuchlich und nimmt heute einen festen Platz im Volksbrauchtum ein (Laudert 2004). Zusammen mit der Mistel und dem Efeu ist die Stechpalme der Inbegriff des Weihnachtsfestes. Noch populärer ist die Stechpalme als Weihnachtsschmuck und ­-symbol in den Vereinigten Staaten von Amerika. Dort existieren Ilex-­Plantagen, um die starke Nachfrage nach den fruchtbehangenen Zweigen befriedigen zu können.

In Skandinavien dient die Stechpalme ebenfalls als Weihnachtsdekoration. Mittlerweile sind ihre Zweige auch in Deutschland als Advents-­ und Weihnachtsschmuck begehrt.

Am Palmsonntag wird des Einzugs Jesu in Jerusalem gedacht. Zu diesem christlichen Feiertag werden in der gemäßigten Klimazone mangels echter Palmenzweige die Zweige immergrüner oder zu dieser Jahreszeit bereits grüner Pflanzen (Weiden, Stechpalme, Buchsbaum) als Palm geweiht. In manchen Regionen werden für die Prozession am Palmsonntag Zierstöcke mit Stechpalmenblättern geschmückt. Früher wurden die geweihten Zweige als »Palmwedel« im Herrgottswinkel hinter das Kreuz gesteckt. Sie sollten Menschen und Tiere vor Blitzeinschlag und Dämonen schützen, wie der Prediger Geiler von Kaysersberg im 15. Jahrhundert schreibt (Laudert 2004). Dies knüpft an die einstigen Bräuche der Germanen und Kelten an (siehe oben).

Summary

Holly (Ilex aquifolium): The holly tree Ilex aquifolium is the only representative of the Aquifoliaceae genus to occur in Atlantic and Mediterranean climate regions of Europe. Its botanical name may be due to the similarity of its leaves with those of the holm oak (also known as holly oak) Quercus ilex. Its German name »Stechpalme« means »pricking« or »piercing palm«, and reflects its use on Palm Sunday. There are many other popular names for it on a regional basis. Known even in ancient times for the healing properties resulting from its many constituent ingredients, it was used medicinally for centuries. Today holly plays very little role in herbal medicine. The leaves of Ilex paraguariensis, a holly species native to South America, are used to make the well known maté (or yerba maté) herbal tea. Ilex is a dense, heavy timber that has been put to many different uses, e.g. for wood inlays and veneers, but also for the making of whip handles and walking sticks. The Celts and Germanic people decorated their dwellings with holly branches around the time of the winter solstice to protect hearth and home and ward off evil. For the Greeks and Romans, holly symbolised eternal life. They decorated their houses with holly at various festivals. Initially scorned as a »pagan custom«, but later incorporated into Christian symbolism, holly has long found its place in Christmas and Easter traditions.
Literatur
  • Diekmann-Müller, A. (2008): Weihnachtsstern und Mistelzweig – mit Pflanzen durch die Winterzeit. Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern, S. 112
  • Genaust, H. (2005): Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen. 3. Auflage, Nikol Verlagsgesellschaft, Hamburg, 701 S.
  • Hageneder, F. (2009): Die Weisheit der Bäume. Franck-Kosmos Verlagsgesellschaft, Stuttgart, 224 S.
  • Künkele, U.; Lohmeyer, T. R. (2017): Heilpflanzen und Kräuter. Parragon Books Ltd., Delphin Verlag, Köln, 320 S.
  • Laudert, D. (2004): Mythos Baum. 6. Auflage, blv Verlagsgesellschaft, München, 256 S.
  • Rosenthal, D. A: (1862): Synopsis Plantarum diaphoricarum – Systematische Übersicht der Heil-, Nutz- und Giftpflanzen aller Länder. Verlag von Ferdinand Enke, Erlangen, S. 795
  • Roth, L.; Daunderer, M.; Kormann, K. (2012): Giftpflanzen – Pflanzengifte. 6. Auflage, ecomed Verlagsgesellschaft, Landsberg am Lech, 1122 S.
  • Roßmäßler, E. A. (1881): Der Wald. 3. Auflage, Winter’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig und Heidelberg, 730 S.
  • Scheffer, M. (1988): Bach Blütentherapie – Theorie und Praxis. 11. Auflage, Hugendubel Verlag, München, 304 S.
  • Schütt, P., Schuck, H.-J.; Stimm, B. et al. (1992): Lexikon der Forstbotanik. ecomed Verlagsgesellschaft, Landsberg am Lech, 581 S.
  • Anonymus: Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Europäische_Stechpalme; aufgerufen März 2021
  • Anonymus: Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Mate-Tee, aufgerufen März 2021
  • Astecker, E.: Quelle: https://www.naturzyt.ch/natur-erfahren/wildpflanzen-in-der-kraeuteraphotheke/311-die-stechpalme-heilpflanze-der-alten-kraeuterkundigen.html; aufgerufen März 2021
  • Balas, J.: Quelle: https://www.wien.gv.at/wiki/index.php/Christbaum; nach einem Vortrag vom 1. Dezember 2016 „Bäume für Christbäume - Betrachtungen. Die Geschichte des Christbaumes - Ein Symbol mit kurzer Tradition“; Universität für Bodenkultur Wien, ÖGG Fachgruppe Wissenschaft.; aufgerufen März 2021
  • Böttcher, S.: Quelle: https://wildes-berlin.de/stechpalme/Was die Stechpalme mit Hollywood zu tun hat, Beitragsdatum: 4. November 2020; aufgerufen März 2021
  • Nürnberger, S.: Quelle: https://www.faz.net/aktuell/stil/drinnen-draussen/weihnachtskarriere-der-stechpalme-robust-und-doch-schmuck-12699953.html, aktualisiert am 8.12.2013; aufgerufen März 2021
  • Puppenhausmuseum Basel: Quelle: http://www.puppenhausmuseum.ch, 19. Oktober 2010, © damals.de; aufgerufen März 2021
  • von Hannover, S.: Quelle: https://www.wissenschaft.de/geschichte-archaeologie/weihnachten-im-zeichen-der-stechpalme/; aufgerufen März 2021

Beitrag zum Ausdrucken

Weiterführende Informationen

Autorin