LWF Wissen 89
Die Roteiche im urbanen Grün
von Swantje Duthweiler

Von Nordamerika in die Städte und Parks Europas

Seitdem Menschen überregional reisen und Handel treiben, werden Pflanzenarten über ihre ursprünglichen Herkunftsgebiete hinaus ausgetauscht und angebaut. Die Roteiche Quercus rubra stammt aus dem östlichen Nordamerika, einer Region, die schon früh von der Kolonisation durch die Europäer erfasst worden war. In einer ersten Phase der Eroberung des nordamerikanischen Kontinents nahmen die Engländer „Virginien“ und die Franzosen „Canada“ in Besitz. Unter dem französischen König Franz I. wurde 1536 der erste dokumentierte Baum von Kanada nach Europa gebracht: Thuja occidentalis (Krausch 1992:7). Im 16. Jahrhundert entwickelte sich Paris als erstes Zentrum von Gehölzeinführungen aus Nordamerika: 1623-35 Robinia pseudoacacia (Wein 1930), Rhus typhina (Kraus 1894:20), Acer negundo und Prunus serotina (Krausch 1992:7) sowie 1724 Quercus rubra (Krussmann 1962). In dieser frühen „Canadisch-virginischen Zeit“ hatte Frankreich nur wenige Gehölze, aber viele Präriestauden nach Europa importiert. Erst in der „Englisch-virginischen Zeit“, in der England seine nordamerikanischen Kolonien deutlich ausweitete, wurden in größerem Umfang Gehölze nach Europa importiert und damit die Zeit des frühen Landschaftsgartens eingeleitet (Kraus 1894:24). Hierbei wurde der Königliche Garten in Kew zum Zentrum der Verbreitung nordamerikanischer Gehölze. Durch den Durchbruch des freien Gartenstils in Europa, den sogenannten Englischen Landschaftsgartenstil, steigerte sich die Einführung nordamerikanischer Gehölze Mitte des 18. Jahrhunderts zu einem deutlichen Höhepunkt. Jetzt, wo man malerische Parks und Landschaften kunstgerecht schaffen wollte, waren Gehölze mit einer „Mannigfaltigkeit an Verästelungen“, an „Schnitt und Wurf des Laubes“, an „Delicatesse der natürlichen und herbstlichen Färbung“ ganz besonders begehrt (Kraus 1894:43).

Auch in Deutschland beobachtete man diese Entwicklung und es erschien von Mark Catesbys Veröffentlichung „Hortus Europae Americanus or an collection of 85 curious trees an shrubs, the produce of North-America“ (London 1767) auch eine deutsche Veröffentlichung (1798, s. Kraus 1894:48). Da aber der freie Parkstil anfänglich vor allem auf England beschränkt blieb, nutzte man die eingeführten Gehölze zuerst nur in England. In Deutschland war damals noch der französisch-geometrische Parkstil beliebt. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts fand der englische Landschaftsgarten auch in Deutschland eine größere Verbreitung und es entwickelte sich hier „in den 1760er und 1770er Jahren eine Einführungsperiode von besonderer Lebhaftigkeit“ (Kraus 1894:43). Doch die meisten nordamerikanischen Gehölze sind damals nicht wegen ihres besonderen Zierwertes in die deutschen Gärten gekommen, sondern sind von dendrologisch interessierten Parkbesitzern in ihre Parkanlagen gepflanzt worden, um die forstlichen Nutzungsmöglichkeiten zu testen. Hervorzuheben sind der Erstnachweis von Quercus rubra in Deutschland 1751 im Park Schwöbber bei Hameln unter Otto von Münchhausen (Wimmer 2014:171), 1771 in den Besitzungen des Herrn von Veltheim, ganz besonders der Schlosspark Harbke (Du Roi 1771), 1783 Park Schönbusch bei Aschaffenburg (1783 Bestlen) sowie 1787 in Herrenhausen (1787 Erhart).

Ansprüche in der Heimat – bedeutsam beim Einsatz im urbanen Grün!

Das prächtige rote Herbstlaub einer solitären Roteiche.Zoombild vorhanden

Abb. 1: Roteichen mit prächtiger Herbstfärbung im Babelsberger Park, Potsdam. Fotos: Dr. S. Duthweiler

Auf der Suche nach Schätzen in neuen Gegenden folgten die erobernden Europäer in Nordamerika im 18. Jahrhundert bevozugt den Küstenlinien und Flussläufen. Auch die Roteiche stammt aus Auwäldern. Sie besiedelt im Südosten bis Nordosten Nordamerikas und Kanadas die Laubwaldniederungen der Ufer- und Küstenebenen und ist dort vergemeinschaftet mit Liqudambar styraciflua, Quercus nigra, Quercus phellos, Quercus alba, Quercus lyrata, Ulmus alata, Fraxinus americana, Acer rubrum, Nyssa sylvatica und Liriodendron tulipifera (Schenck 1939:177). Der sehr schnellwüchsige Baum wird dort 25 bis 30 m hoch und bildet eine besonders umfangreiche, locker beastete Rundkrone.
Ein Weg führt im Nebel unter Roteichen hindurchZoombild vorhanden

Abb. 2: Roteichen mit prächtiger Herbstfärbung im Babelsberger Park, Potsdam. Fotos: Dr. S. Duthweiler

Auch die Herbstfärbung von Quercus rubra ist hervorragend bis vereinzelt auch spektakulär. In Nordamerika gehört die Art zu den Charakterbäumen des prächtig herbstfärbenden Indian Summer. In Deutschland werden die Blätter im Allgemeinen nur lederbraun, einzelne Bäume bilden aber auch in unserem Klima herausragende orange oder scharlachrote Töne aus. Rotorange Herbstfärbungen sind im unserem Stadtgrün selten und ganz besondere Höhepunkte (siehe Abbildungen 1 und 2), da heimische Bäume in Mitteleuropa meist nur gelbe Herbstfärbungen ausbilden. Eine gelbe Laubfarbe ist relativ leicht erreichbar, muss der Baum im Herbst nur das Cholophyll in den Blättern abbauen. Es bleiben gelbe Farbstoffe wie Xanthophylle zurück. Für eine rote Herbstfärbung als besonderen Sonnenschutz braucht der Baum besonders viel Energie – es müssen aktiv Anthocyane aufgebaut werden. Damit hat die kräftige und sonnenliebende Roteiche keine Probleme.
Eine Roteiche im Sommer in der Stadt mit vereinzelt laubfreien ÄstenZoombild vorhanden

Abbildung 3: Roteiche in der Stadt mit chlorotischen Mangelsymptomen. Foto: Dr. S. Duthweiler

Quercus rubra ist im Allgemeinen sehr anspruchslos und gedeiht auch auf armen Sandböden oder humusarmen Rohböden. Doch muss man darauf achten, dass der Boden bzw. das Pflanzsubstrat einen ausreichend niedrigen pH-Wert hat, sonst leidet die Roteiche charakteristisch an Blattchlorosen, blassgrünen bis gelben Verfärbungen des gesamten Blattes. Bei einem hohen pH-Wert des Bodens kann die Aufnahme von Mineralstoffen wie Bor, Eisen oder Magnesium beeinträchtigt werden. Chlorosen (siehe Abbildung 3) verursachen Chlorophyllmangel und in einem fortgeschrittenen Stadium die Verlangsamung des Stoffwechsels. Dadurch wird das Wachstum verzögert und die geschwächten Pflanzen krankheits- und schädlingsgefährdet. Dieser Hinweis ist deswegen für Städte und Gemeinden bedeutend, weil Baumsubstrate im Stadtgrün in der Regel einen ausgesprochen hohen pH-Wert haben.

Quercus rubra als Stadt- und Straßenbaum

Baumpflanzungen in Städten haben schon eine lange Tradition. 1877 betonte Forst- und Ökonomierat Friedrich Wilhelm Ludwig Fintelmann aus Breslau: „Kein Wunsch eines Städters ist wohl gerechtfertigter als der, daß er, wenn er die von Sonnenstrahlen glühend erhitzten Straßen durchwandern muß, Schatten verlangt … das Nützliche mit dem Schönen vereint“ (Fintelmann 1877:6). Hier unterscheidet Fintelmann günstig zu bepflanzende Straßenzüge „vorzugsweise von Norden nach Süden laufen (d), weil in diesen das tägliche Sonnenlicht sich so ziemlich gleichmäßig zwischen der westlichen und der östlichen Seiten dieser Straßen theilt“ (ed:20). Sehr viel ungünstiger wären von Osten nach Westen führende Straßen, „denn während auf der nördlichen ihrer Häuserreihen so ziemlich den ganzen Tag die Sonne glühend liegt, entbehren die südlichen Seiten fast gänzlich alles Sonnenlichtes“ (ed:20). Straßenbäume mussten schon im späten 19. Jahrhundert robust sein, so würden Baumpflanzungen in der Stadt »oft von dem heftigen Windzuge … zerpeitscht (werden) und in Folge dessen nicht selten ganz verdorrt« werden (ed:21). Mit dem zunehmenden Klimawandel der letzten Jahre spielen diese stadtklimatischen Argumente einer stark verschattenden und kühlenden Baumkrone eine immer größere Rolle. Im 19. Jahrhundert war bei der Durchgrünung der Städte neben stadtklimatischen und ästhetischen auch ein pädagogischer Wert bedeutsam. So wären „die großen freien Plätze … mit fremden Baum- und Straucharten und Stauden zu Belehrung der Bevölkerung“ zu bepflanzen (Fintelmann 1877:26-27).

Die Roteiche ist mit ihren ausgeprägten Blattlappen ein botanisch interessanter Baum, in der Mächtigkeit erhaben wirkend und durch die prächtig rot-orange Herbstfärbung ausdrucksvoll (siehe Abbildungen 1 und 2). Mit ihrer kräftigen Rundkrone ist Quercus rubra aber eher ein wertvoller, raschwüchsiger Wald- und Parkbaum, in der Stadt nur für große Stadträume und breite Straßenzüge geeignet. Im Freistand setzt die Roteiche ihre Krone sehr tief an und beschattet damit den bis ins Alter recht glatten Stamm. Für ein Lichtraumprofil muss man Quercus rubra in Straßenraum frühzeitig aufasten.

solitärer Parkbaum im SommerlaubZoombild vorhanden

Abb. 4: Sehr tief beastete Roteiche im Stadtpark von Greiz. Fotos: Dr. S. Duthweiler

Die Roteiche ist mit ihren ausgeprägten Blattlappen ein botanisch interessanter Baum, in der Mächtigkeit erhaben wirkend und durch die prächtig rot-orange Herbstfärbung ausdrucksvoll (siehe Abbildungen 1 und 2). Mit ihrer kräftigen Rundkrone ist Quercus rubra aber eher ein wertvoller, raschwüchsiger Wald- und Parkbaum, in der Stadt nur für große Stadträume und breite Straßenzüge geeignet. Im Freistand setzt die Roteiche ihre Krone sehr tief an und beschattet damit den bis ins Alter recht glatten Stamm. Für ein Lichtraumprofil muss man Quercus rubra in Straßenraum frühzeitig aufasten.
solitärer Parkbaum im SommerlaubZoombild vorhanden

Abb. 5: Sehr tief beastete Roteiche im Stadtpark von Bad Dribur. Fotos: Dr. S. Duthweiler

Und doch finden sich immer wieder imposante Roteichen-Alleen in den Straßen – so ist vor allem für Dresden (jüngeres Beispiel siehe Abbildung 6) ein ganz besonderes Straßenbaumkonzept dokumentiert. Hier pflanzte der damalige Dresdner Stadtgärtner Degenhard im späten 19. Jahrhundert einen regelmäßigen Wechsel verschiedener Baumarten, wie die Kobination der Amerikanischen Roteiche mit Krimlinde (1896, 1987, 1989, 1900 in Stübel-Allee, Dresden) oder der Kombination von Japanischem Schnurbaum und Roteiche (1901 Hansastraße, Dresden) (Butenschon 2007). Gerade der Wechsel mit anderen Baumarten wäre auch heute noch ein empfehlenswerter Beitrag zur Erhöhung der Artenvielfalt im Stadtgrün.
Roteichen-AlleeZoombild vorhanden

Abb. 6: Jüngere Roteichen-Allee in Dresden. Foto: Dr. S. Duthweiler

Während man heute Quercus rubra meist als reine Art mit breiten spitzen Blattlappen und dunkelgrünem Farbton verwendet, nennt Gerd Krüssmann 1962 drei ältere Sorten (Krussman 1962:318). So gab es damals schon Quercus rubra ‚Aurea‘ mit goldgelbem Blattaustrieb, die bis zum Herbst nur wenig vergrünt und als eine samenecht fallende Auslese 1878 von Van der Borm in Oudenbosch gefunden wurde. Die gelbgrüne Sorte bleibt im Wuchs etwas schwächer als die Art, ist heute aber noch im Handel. Bei der Sorte Quercus rubra ‚Heterophylla‘ sind die Blätter entsprechend ihrer Benennung verschiedenförmig, von eilänglich bis länglich lanzettlich oder lineallanzettlich. Laut Krüssmann wurde diese besondere Sorte um 1892 in Holland gefunden. Quercus rubra ‚Schrefeldii‘ hat Blattlappen, die oft tief eingeschnitten und sich überlappend sind. Sie wurde um 1890 im Pückler-Park Muskau zu Zeiten der Grafen von Arnim ausgelesen. Heutige Sorten werden eher zu einer dekorativen Schwachwüchsigkeit gezüchtet: Quercus rubra ‚Haaren‘ wurde laut Andreas Bärtels (Bartels 2014:594) aus einem „Hexenbesen“ gezogen (Züchtungsjahr 1988), Quercus rubra ‚Magic Fire‘ ist langsamwüchsig mit besonderen orangeroten Jungtrieben und Wintertrieben (Züchtungsjahr vor 1989). Die wuchsschwache Quercus rubra ‚Vana‘ hat ein panaschiertes Blatt (Züchtungsjahr 2003), Quercus rubra ‚Bolte’s Gold‘ ist langsamwüchsig mit gelbem Blatt (Züchtungsjahr 2004) und Quercus rubra ‚Yates‘ langsamwüchsig mit einer flammend orangeroten Herbstfärbung (Züchtungsjahr 2005). Diese garten- und parkwerten Sorten haben durchaus auch Preise gewonnen (‚Magic Fire‘ RHS Award of Garden Merit 2012), wirken aber für das Stadtgrün als zu wertvoll und sind weniger robust. Vielleicht bieten sich auch in diesen etwas schwachwüchsigeren Sorten neue Aspekte der Bepflanzung der Städte mit Roteichen.

Literatur

  • Bartels, A. (2014): Enzyklopädie der Gartengehölze, Stuttgart
  • Bestlen, B. (1783): Verzeichniß Nordamericanischer und anderer fremder auch einheimischer Baeume, Straeucher, Stauden und Pflanzen, welche in dem Kurfuerstl. Schoenbusche bei Aschaffenburg sich vorfinden. Zur Bequemlichkeit deren Kennern und Liebhabern herausgegeben, Aschaffenburg
  • Butenschon, S. (2007): Geschichte des Dresdner Stadtgrüns, Dissertation, TU Dresden, 2007
  • Du Roi, J.Ph. (1771): Die Harbkesche Wilde Baumzucht, Braunschweig, 1. Auflage
  • Erhart, J.F. (1787): Verzeichniss der Bäume und Sträuche, welche sich auf der Königl. Plantage zu Herrenhausen bei Hannover befinden, Herrenhausen
  • Fintelmann, F.W.L. (1877): Über Baumpflanzungen in den Städten, deren Bedeutung, Gedeihen, Pflege und Schutz, Breslau
  • Kowarik, I. (1992): Einführung und Ausbreitung nichtheimischer Gehölzarten in Berlin und Brandenburg und ihre Folgen für Flora und Vegetation. In: Verhandlungen des Botanischen Vereins Berlin Brandenburg, Beiheft 3. In: Sukopp, Herbert; Wurzel, Angelika (2003), The Effects of Climate Change on the Vegetation of Central European Cities. Urban Habitats, Band 1, Nummer 1, Online-Publikation. Time Lag Between the Introduction and the Spontaneous Dispersal for a Number of Nonnative Woody Species of Brandenburg, S. 83.
  • Kraus, G. (1894): Geschichte der Pflanzeneinführungen in die europäischen botanischen Gärten, Leipzig
  • Krausch, Heinz-Dieter (1992): Alte Nutz- und Zierpflanzen in der Niederlausitz. Führer durch den Museumsgarten am Stadt- und Kreismuseum »Sprucker Mühle« in Guben, Botanischer Verein von Berlin und Brandenburg (Hrsg.), Beiheft 2, Berlin
  • Krussmann, G. (1962): Handbuch der Laubgehölze, Band II, Berlin und Hamburg
  • Schenk, C.A. (1939): Fremdländische Wald- und Parkbäume. Band I: Klimasektionen und Urwälder, Berlin
  • Wimmer, C.A. (2014): Lustwald, Beet und Rosenhügel. Geschichte der Pflanzenverwendung in der Gartenkunst, Weimar

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  • Swantje Duthweiler