Fels-Humus-Böden in Bayern - LWF aktuell 136
von Eckart Kolb und Axel Göttlein

Nirgendwo in Bayern erreichen die Fels- und Skelett-Humus-Böden die flächenmäßige Bedeutung wie in den Bayerischen Alpen. Sie bilden extreme Standorte, die durch das Fehlen von Mineralboden besonders empfindlich sind. Im Rahmen eines Projekts der Technischen Universität München (TUM) wurden die in Bayern vorkommenden Fels-Humus-Böden exemplarisch erfasst und standörtlich hinsichtlich ihrer Nährstoffausstattung charakterisiert. Auf Grundlage dieser Untersuchungen ergeben sich Handlungsempfehlungen zur holzwirtschaftlichen Nutzung sowie zur naturschutzfachlichen Behandlung dieser Standorte.

Die Böden in Bayern haben eine weite ökologische Spanne. Sie reichen von den fruchtbaren aus Löß entstandenen Gäuböden bis zu Böden aus schwer verwitterbaren Gesteinen der Mittel- und Hochgebirge. Dabei kann die Verwitterung so verlangsamt sein, dass der entstehende Boden fast ausschließlich aus den organischen Stoffen der aufstockenden Vegetation besteht. Im Prinzip wie bei einem Moor – nur dass es hier nicht die Nässe ist, die den Humusabbau hemmt; vielmehr lässt hier die Schwerverwitterbarkeit des Gesteins kaum Mineralboden entstehen. Aus den Bayerischen Kalkalpen wissen wir, dass diese als »Tangel« bezeichneten Humusauflagen empfindlich auf Klimaerwärmung oder plötzliche Freistellung durch Sturmwurf des aufstockenden Bestands reagieren. Diesen Tangeln fehlt der Mineralboden, der durch Ton-Humus-Koppelungen normalerweise stabilisierend auf den Humus wirkt. Doch wo kommen vergleichbare Böden in Bayern außerhalb des Alpenraums vor und wie gut sind diese Böden mit Nährstoffen versorgt? Es stellt sich zudem die Frage, wie stark sich außeralpine Fels-Humus-Böden von denen der Kalkalpen unterscheiden und ob diese Böden ebenfalls empfindlich auf die erwähnten Störungen reagieren.

Bayernkarte zeigt Wuchsbezirke von Fels-Humus-Böden mit geologischer Grundlage

Abb. 1: Wuchsbezirke mit Fels-Humus-Böden auf Grundlage der Bodenübersichtskarte Bayerns 1:25.000. Die Carbonate der Frankenalb wurden hinzugefügt, da sie in der BÜK25 nicht kartiert sind. (© Bundesamt für Kartographie und Geodäsie)

Untersuchungsdesign

Auf Basis der Bodenübersichtskarte Bayerns 1:25.000 (BÜK25) wurden die in Bayern vorkommenden Fels-Humus-Böden erfasst (Abbildung 1). Da zu erwarten war, dass ihr Chemismus trotz langsamer Verwitterung dennoch durch das Ausgangsgestein geprägt ist, wurden die vorkommenden Gebiete petrografisch in saure und basische Silikatgesteine und hochprozentige Carbonatgesteine (Abbildung 2) gegliedert. Es erfolgte eine Beprobung jeder Gruppe in mindestens zwei verschiedenen Regionen, um Zufälligkeiten aus der Örtlichkeit zu vermeiden.
Abb. 2: Im Projekt berücksichtigte Gesteinstypen und Landschaften
GesteinsgruppeGesteinstypLandschaft
Saure SilikateGranite, GneiseBayerischer Wald, Fichtelgebirge
Basische SilikateBasalte, Diabase, Amphibolite Rhön, Frankenwald, Hoher Bogen
Carbonate Kalke, DolomiteAlpen, Frankenalb
Böden aus den Bayerischen Kalkalpen wurden nicht noch einmal aufgenommen, da hierfür schon Daten am Fachgebiet für Waldernährung (TUM) vorliegen. Im Gegenzug dazu wurden jedoch zusätzlich Fels-Humus-Böden im Bereich der Fränkischen Alb beprobt, obwohl diese aufgrund ihrer sehr kleinräumigen Vorkommen in der BÜK25 nicht kartiert sind.

Alle Proben durchliefen im Labor eine Analyse auf die leicht verfügbaren Nährstoffe, die Gesamt-Nährstoffe sowie auf die pH- und C/N-Verhältnisse.

Wichtige Ergebnisse

Nirgendwo in Bayern erlangen die Fels- und Skelett-Humus-Böden in Bayern die flächenmäßige Bedeutung wie in den Bayerischen Alpen, wo sie große Flächen einnehmen und auch Mächtigkeiten von über einem Meter erreichen können. In den Mittelgebirgen sind diese Sonderstandorte oft nur kleinflächig vorhanden. Besonders gering verbreitet sind sie in der Frankenalb, weshalb sie dort auf der BÜK25 nicht ausgeschieden wurden. Grund könnten die sehr viel »unreineren« Kalke und Dolomite der Frankenalb sein, die bei ihrer Verwitterung sehr viel schneller Mineralboden entstehen lassen als in den Alpen. Auch in der Rhön sind Skelett-Humus-Böden ohne Mineralböden selten. Dies liegt daran, dass die Basaltblockhalden oft nicht besonders mächtig sind und unterlagernder Buntsandstein, carbonathaltiger Muschelkalk oder Braunkohletertiär Mineralboden bilden und solche Standorte folglich keine reinen Fels-Humus-Böden mehr sind. Die ökologische Qualität der Humuspakete entspricht fast immer der Humusform »Moder«, nur ausnahmsweise fanden sich rohhumusartige Moder. Die Humusumsetzungen scheinen damit bei den Fels-Humus-Böden nicht stark gehemmt zu sein.

Säulendiagramm zeigt die mittlere Kationen der einzelnen Gesteinstypen aus Abbildung 2

Abb. 3: Mediane der Kationenbelegung der jeweils tiefsten Oh-Horizonte einer Humusauflage. Die Basenkationen nehmen absolut und relativ in der dargestellten Reihenfolge zu und damit auch die Basensättigung; die Belegung der Säurekationen ist umgekehrt. Die sauren und basischen Silikatgesteine weisen relativ hohe Gehalte an Kalium und Eisen plus Mangan auf, die basischen Silikat- und die Carbonatgesteine hohe Calcium- plus Magnesiumgehalte. Die basischen Silikate zeigen damit die ausgewogenste kationische Nährstoffversorgung. (© LWF)

Betrachtet man die Basensättigung der Humusauflagen, d. h. den Alkali- plus Erdalkali-Anteil an den austauschbaren Kationen, als erstes Indiz für die Bodenfruchtbarkeit, so zeichnen sich die sauren Silikate erwartungsgemäß durch niedrige Basensättigungen und die Carbonate durch hohe Basensättigungen aus. Gerade bei Carbonatböden wird die hohe Basensättigung fälschlicherweise oft als positiv für die Umsatzaktivität angesehen. Deshalb ist es wichtig festzuhalten, dass hier Kalium mit nur einem Prozent an der Kationenaustauscherbelegung beteiligt ist. Auch die Versorgung mit Eisen und Mangan ist sehr gering (Abbildung 3). Bei den basischen Silikaten zeigt sich, dass diese Gruppe sehr heterogene Eigenschaften aufweist.
Abb. 4: Mediane von C/N-Verhältnis, pH und Gesamtgehalte in g/kg des jeweils tiefsten Oh-Horizonts © LWF
GesteinsgruppbenC/NpH (KCl)pH (H20)CaMgKFeMnPS
saure Silikate (n=16) 242,63,81,30,41,14,50,00,82,1
basische Silikate (n=15) 193,04,17,02,71,213,20,21,22,3
Carbonate (n=12194,14,913,01,81,89,70,10,81,9
Die Humusauflagen über Basalten haben eine hohe Basensättigung wie bei den Carbonatgesteinen, aber die Austauscherbelegung mit Kalium (Abbildung 3) sowie die Gesamtvorräte an Eisen und Mangan sind deutlich günstiger (Abbildung 4). Dagegen verhielten sich die Amphibolite (metamorphisierte basaltische Magmen), die chemisch eine durchaus vergleichbare Zusammensetzung haben, völlig anders. Ihre extreme Schwerverwitterbarkeit liefert kationische Nährstoffe so langsam nach, dass die Freisetzung mit dem Entzug durch die Vegetation und der natürlichen Versauerung nicht Schritt halten kann. Dementsprechend zeigen die Humusauflagen dort saure Eigenschaften, was sich in niedrigen pH- und Basensättigungswerten äußert. Folglich variieren auch die natürlichen Waldgesellschaften: Hordelymo-Fageten über den Basalten einerseits und Wälder, die zwischen Galio- und Luzulo-Fageten stehen, auf den Amphiboliten andererseits. Die Auflagen über Diabasen (leicht metamorphisierte und gealterte Basalte) sind dazwischen angesiedelt, aber der Entwicklung über den Amphiboliten näher.
Zusammengefasst zeigen die Auflagen über basischen Silikaten die günstigste und ausgeglichenste Nährstoffversorgung. Innerhalb dieser Gruppe sind die Diabase und besonders Basalt günstiger als Amphibolit.

Wie könnten diese Skelett-Humus-Böden entstanden sein?

Es fällt auf, dass sich dort, wo größerflächige baumfreie Blockhalden vorkommen, nur in waldrandnaher Position mindestens geringmächtige Humusauflagen bilden konnten. In Entfernungen über einer Baumlänge finden sich lediglich spärliche und lückige initiale Humusstadien. Die allochthone Zufuhr von Blättern aus dem nahegelegenen Wald und räumlich etwas begrenzter von Nadeln scheint daher wichtig zu sein, auch wenn die Blockhalde noch nicht bewaldet ist. Solange nur Gräser oder Kräuter als Streulieferanten in Frage kommen, bildet sich der Humus nur langsam, bei Flechten sogar extrem langsam. Zwergsträucher stehen zwischen diesen Extremen. Das bedeutet, dass Fels-Humus-Böden nur teilweise in situ entstehen. Der Fremdeintrag organischen Materials aus einem nahegelegenem Wald scheint den größten Beitrag zum Humusaufbau zu liefern. Die Humusakkumulation steigt mit der Annäherung eines Waldes offenbar überproportional an. Vergleichbares ist auch bezüglich der nacheiszeitlichen Wiederbewaldung zu vermuten.

Schutzwürdigkeit

Fels-Humus-Böden finden sich fast nur auf schwer verwitterbaren Gesteinen und dort in Positionen, die durch Erosion für die Entwicklung von Mineralboden eingeschränkt sind. Nacheiszeitlich gab es viele offene Flächen mit wenig verwitterten Gesteinsoberflächen sowie offene Blockhalden. Heute sind diese Flächen selten geworden und oft Refugialstandorte für Pflanzen und Tiere, die an diese Offenlandposition mit Felsuntergrund angepasst sind. Neben den ausgeprägteren Temperaturschwankungen dieser Standorte und dem Mangel an Mineralboden weisen Blockhalden oft Kaltluftzug in den Klüften unterhalb des Humushorizonts auf. Im Sommer sind solche Blockhalden im Untergrund meist deutlich kühler als vergleichbare Standorte ohne Kaltluftzug.
Neben diesen naturschutzfachlichen Aspekten sind diese Standorte auch touristisch interessant, da es sich bei den Felsstandorten oft um attraktive Aussichtspunkte, bei den Blockstandorten um ästhetische Lokalitäten handelt – dies spiegelt sich z. B. in Begrifflichkeiten wie »Märchenwald« wider.

Empfehlungen für die Praxis

Nutzung und potentielle Interessenskonflikte lassen sich auf die drei Bereiche Waldbau/Holznutzung, touristische Nutzung und Interessen des Naturschutzes zusammenfassen.

Im Hinblick auf den Waldbau und die Holznutzung ist festzuhalten, dass der Wald auf felsigen Standorten dort am besten wächst, wo sich die mächtigsten Humusauflagen entwickeln konnten. Geht der Humus auf diesen Standorten verloren, verlieren sie auch ihre Waldfähigkeit. Der Erhalt dieser Humusauflagen stellt somit einen Standortsschutz dar. Zudem beeinflussen die Humusauflagen meist auch die Qualität des Sickerwassers und eine gleichmäßige Wasserabgabe positiv.
Wichtig ist, die Freilegung dieser Flächen zu vermeiden. Falls Sturmwurf oder eine Schädlingskalamität eine Freilegung verursachen, sollten die betroffenen Flächen eine hohe Resilienz zur schnellen Wiederbewaldung besitzen. Diese Resilienz kann erhöht werden durch junge Bäume im Unterstand, vorhandene Schattbaumarten oder durch aussamungsfähige Pionierbaumarten. Für eine humusschonende Ernte dieser Standorte darf das Holz nicht einfach herausgezogen werden, da hierbei oft ein Großteil des Humus von Felsen und Blöcken mit abgezogen wird. So weit möglich sollte auf eine Holzernte verzichtet werden, da die Belassung von Totholz für den Humusaufbau wichtig ist. Eine humusschonende Teil-Ernte wertvoller Sortimente kommt damit dem Prozessschutzgedanken am nächsten.
Felsgipfel und auch Blockmeere sind attraktiv für eine touristische Nutzung. Sie bieten, sofern sie waldfrei sind, die bei Wanderern und Erholungssuchenden beliebten freien Ausblicke. Im natürlich waldreichen Mitteleuropa würden solche Standorte oft zuwachsen. Sie werden daher oft künstlich durch Entfernen von sichthemmenden Bäumen offen gehalten. Damit wird dem natürlichen Prozess der Humusauflagenbildung entgegengewirkt.
Andererseits sind bewaldete Blockmeere und Felsmassive ebenfalls von besonderem ästhetischen Interesse. Gerade Felssturzgebiete in den Alpen wurden an unterschiedlichen Örtlichkeiten oft als Märchenwald bezeichnet. Besucherinformationen über die Besonderheit dieser Standorte können diese auch bei natürlicher Entwicklung touristisch interessant machen. Eine Besucherlenkung an, aber nicht in diese sensiblen Standorte, ist empfehlenswert.
Was die Interessen des Naturschutzes betrifft, ist Folgendes zu berücksichtigen: möchte man die nacheiszeitliche Situation der Blockhalden erhalten oder nachbilden, um floristischen und faunistischen Eiszeitrelikten ein Überleben zu ermöglichen, so kommt man um Störungen der natürliche Sukzession nicht umhin.
Aus Sicht des Naturschutzes sind sicherlich auch Fels-Humus-Standorte mit mächtigeren Auflagen und unter Waldbedeckung interessant. Die Seltenheit dieser bewaldeten Standorte außerhalb des Alpenraums mit ihren Besonderheiten bezüglich der Vegetation und auch der Fauna sollte naturschutzfachlich gewürdigt werden.
Vergleichend sind zwei Blockhalden an Gebirgshängen dargestellt.Zoombild vorhanden

Abb. 5: Größere Blockhalden mit mächtigeren Fels-Humus-Böden nahe der Waldränder und offene, humusarme Areale, die in den Zentren der Blockhalden zu finden sind. Links Basalt-blockhalde am Gangolfsberg/Rhön, rechts Gneisblockhalde am Farrenberg/Bayerischer Wald. (© E. Kolb, TUM)

Klare Zielvorgaben bzw. Prioritätensetzung einerseits und Besucherinformation und -lenkung andererseits sind notwendige Voraussetzungen, um den sich teils widersprechenden Zielen gerecht zu werden.

Stehen großflächige Blockhalden an (Abbildung 5), so sind die Zentren dieser Halden, die gleichzeitig am weitesten vom Waldrand entfernt liegen, am geeignetsten, um die kurz nach der Eiszeit herrschenden Verhältnisse zu erhalten. Da die Sukzession dort langsamer abläuft, muss seltener eingegriffen werden. Die bewaldeten und waldrandnahen Standorte sollten der natürlichen Sukzession überlassen werden – dies macht sie auch für die Holznutzung interessanter. Wie erwähnt sollte die Holznutzung humusschonend und mit einer Belassung von Totholz erfolgen. Auch diese Flächen sind naturschutzfachlich interessant, da solche Standorte nur noch selten und kleinflächig vorkommen.

Da die Standorte sich nach den Ausgangsgesteinsgruppen floristisch und auch faunistisch deutlich unterscheiden, ist es erstrebenswert, Fels-Humus-Böden in Bayern auf sauer silikatischen, basisch silikatischen und carbonatischen Ausgangsgesteinen zu erhalten. Das gilt besonders vor dem Hintergrund, dass diese Sonderstandorte durch den Klimawandel in ihrem Fortbestand stark gefährdet sind.

Zusammenfassung

Im Projekt »Erfassung der Vorkommen von Fels- und Skelett-Humus-Böden in Bayern und ihre standörtliche Charakterisierung« wurden die in Bayern vorkommenden Fels-Humus-Böden erstmalig exemplarisch erfasst und hinsichtlich pH-Wert, Kationenaustauschkapazität und Gesamtnährstoffe untersucht. Neben diesen Untersuchungsergebnissen erläutert der Artikel, wie die Skelett-Humus-Böden vermutlich entstanden sind und welche Faktoren den Humusaufbau beeinflussen. Aus den Erkenntnissen wurden Praxisempfehlungen abgeleitet, die auf die Bereiche Waldbau/Holznutzung, touristische Nutzung und Naturschutzinteressen ausgerichtet sind. Empfohlen werden insbesondere der Erhalt der Humusauflagen, die Erhöhung der Resilienz der Wälder gegenüber Kalamitäten sowie eine humusschonende Teil-Ernte wertvoller Sortimente.

Projekt
Die Durchführung des Projekts »Erfassung der Vorkommen von Fels- und Skelett-Humus-Böden in Bayern und ihre standörtliche Charakterisierung (ST362)« erfolgte im Zeitraum vom 1. Juli 2020 bis 31. Dezember 2020. Die Untersuchungen wurden vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) gefördert.

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