Dr. Roland Baier und Gert Günzelmann
Klimawandel forciert Frage nach der Herkunft - LWF-aktuell 110

Derzeit wird von der forstlichen Praxis zunehmend eine Erweiterung der Baumartenpalette zur Schaffung klimatoleranter Wälder gefordert. So ist beispielsweise beabsichtigt, das Bayerische Standortinformationssystem BaSIS um ausgewählte seltene Baumarten zu erweitern.

Weitere Indizien für die aktive Suche nach Alternativbaumarten sind die zunehmenden Nachfragen am ASP nach Erfahrungen mit neuen Gastbaumarten und kleineren Praxisanbauversuchen, die meist von den Forstbetrieben der Bayerischen Staatsforsten oder von den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten initiiert werden. Im Zuge dieser Suche nach Baumartenalternativen wird in der Praxis die Herkunftsfrage oft nicht gestellt, obwohl sie für den Anbauerfolg entscheidend sein kann.

Rechtliche Aspekte

Großer einzelner Nadelbaum in felsiger Umgebung.Zoombild vorhanden

Abbildung: Libanonzeder (Foto: M. Bou Dagher Kharrat)

Erzeugung und das Inverkehrbringen von forstlichem Vermehrungsgut wichtiger heimischer und eingebürgerter Baumarten ist auf europäischer Ebene die Richtlinie 1999/105/EG. Diese Richtlinie gilt für 47 Baumarten innerhalb der gesamten EU. Ländergesetze setzen in den einzelnen EU-Staaten die Richtlinie in nationales Recht um. In Deutschland geschieht dies durch das Forstvermehrungsgutgesetz (FoVG).

Das FoVG schließlich schreibt 28 der 47 Baumarten aus der EU-Liste eine besondere forstliche Bedeutung in Deutschland zu. Die weiteren 19 in der EU-Liste aufgeführten Baumarten haben für den Wald in Deutschland keine oder nur eine lokale Bedeutung.

Daneben gibt es eine Reihe heimischer Baumarten, die dem FoVG nicht unterliegen und auch nicht in der EU-Liste enthalten sind. Für diese Baumarten bestehen keinerlei rechtliche Vorgaben hinsichtlich der Erzeugung und des Handels. Damit können bezüglich der rechtlichen (FoVG) und fachlichen (Erhaltung von Forstgenressourcen) Vorgaben drei Fallgruppen unterschieden werden:

Für diese 28 Baumarten gelten die gesetzlichen Regelungen ohne Ausnahme. Dazu gehören auch »seltenere« Vertreter, oft Gastbaumarten, deren Bedeutung im Klimawandel zunimmt, wie zum Beispiel Schwarzkiefer, Robinie oder Esskastanie. Für diese Baumarten gibt es in Deutschland Herkunftsgebiete und ausgewiesene Erntebestände. Das ASP hat für diese auch Herkunftsempfehlungen für Bayern festgelegt.

Für die 19 in der EU-Liste aufgeführten Baumarten, die in Deutschland nicht von Bedeutung sind, wurden keine Herkunftsgebiete festgelegt. Somit sind Zulassung und Beerntung von Ausgangsmaterial in Deutschland von zum Beispiel Libanonzeder, Zerreiche, Flaumeiche oder Schmalblättriger Esche regulär nicht möglich. Trotzdem unterliegen diese Baumarten dem FoVG. Eine Beerntung und Erzeugung von Ausgangsmaterial in Deutschland kann daher nur auf Einzelantrag mit einer Ausnahmegenehmigung der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) für Versuche, wissenschaftliche Zwecke oder zur Generhaltung erfolgen. Das ASP als Landesstelle kann hier beraten und gegebenenfalls kleine Praxisanbauversuche wissenschaftlich begleiten.

Alternativ kann jedoch Vermehrungsgut dieser Baumarten, das gemäß der o. g. EURichtlinie von zugelassenem Ausgangsmaterial aus anderen EU-Mitgliedsstaaten stammt, für forstliche Zwecke in Deutschland angezogen und in den Verkehr gebracht werden.

Viele seltene Baumarten besetzen heute in Bayern Nischen vor allem auf edaphischen Sonderstandorten und weisen eine hohe Trockentoleranz auf. Das macht sie als klimatolerante Alternativen interessant. Gleichzeitig liegen wichtige Genzentren seltener Baumarten (z. B. für Eibe und Elsbeere) in Bayern. Da viele seltene Baumarten wie zum Beispiel Elsbeere, Feldahorn oder Eibe nicht dem FoVG unterliegen, können diese ohne Regulativ geerntet und verbracht werden.

Damit besteht die Gefahr, dass infolge von Arterhaltungs- und/oder Waldumbaumaßnahmen der regionale Genpool verfälscht wird. Inwieweit sich diese Einbringung auf die genetische Vielfalt und damit auf die Anpassungsfähigkeit der Populationen oder auch auf die künftige Qualität der Bestände auswirkt, ist noch nicht untersucht. Das ASP erarbeitet deshalb derzeit am Beispiel der Elsbeere, wie analog zum FoVG Herkunftsgebiete ausgeschieden werden können, welche Zulassungskriterien zur Sicherung einer qualitativ hochwertigen Erntebasis zu definieren sind und wie Herkunftsempfehlungen gegeben werden können.

Herkunftsversuche

An jungen Bäumen sind die Herkunft und die spätere Qualität meist noch nicht erkennbar. Herkunftsversuche, bei denen das Wuchsverhalten verschiedener Provenienzen einer Baumart auf gleichem Standort verglichen wird, zeigen jedoch deutlich die teilweise großen genetischen Unterschiede und das Variationsmuster anpassungsrelevanter Merkmale. Dabei sind bereits die ersten Versuchsjahre wichtig. So kann zum Beispiel mit Erhebungen zum Austriebsverhalten im Frühjahr und der Knospenbildung im Herbst bereits früh die Frostresistenz beurteilt werden.

Schon nach circa 20 Jahren können verlässliche Aussagen zum Wuchsverhalten und der Qualität getroffen werden. Aktuell führt das ASP solche Herkunftsversuche beispielsweise an Schwarzkiefer, Libanonzeder und Baumhasel durch. Dies schließt nicht aus, dass nach wie vor kleine Praxisversuche mit einzelnen Herkünften angelegt werden. Diese können eine wertvolle Ergänzung zu den Hauptversuchen, beispielsweise bezüglich der Erweiterung der untersuchten Standortspalette sein

Beitrag zum Ausdrucken

Weiterführende Links

Autoren

  • Dr. Roland Baier
  • Gert Günzelmann