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2022: Wieder ein hartes Jahr für den Wald
von Lothar Zimmermann, Stephan Raspe, Cornelia Triebenbacher, Hannes Lemme und Sabine Hahn

Blick auf eine Kahlfläche, wo früher Wald standZoombild vorhanden

Der Fichtenborkenkäfer hinterließ auch 2022 große Schadflächen im Frankenwald. (© Andreas Hahn, LWF)

Trockenstress, Borkenkäfer, Waldbrandgefahr: Die Auswirkungen des trockenen und heißen Sommers prägten das Waldjahr 2022. Ein forst­licher Rückblick auf die Witterung und deren Folgen lohnt sich: Er zeigt die Startbedingungen für das Jahr 2023 und lässt erahnen, dass die Folgen des letzten Jahres wohl auch in diesem Jahr noch nachwirken werden.

Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) war das Jahr 2022 in Bayern eines der beiden wärmsten Jahre seit Beginn der Messungen. Mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von 9,9 °C liegt es gleichauf mit dem bisherigen Rekordhalter 2018. Neue Rekorde wurden auch bei Trockenheit und Sonnenschein erreicht.

Hitze und Dürre führten erneut zu großem Trockenstress in unseren Wäldern. Dies begünstigte die Entwicklung und Ausbreitung der Fichtenborkenkäfer. Die Befallsschwerpunkte lagen im Norden und Osten, aber auch der Süden war stark betroffen. Sorgen bereitete auch der Baum des Jahres 2022: An der Buche zeigten sich vor allem in Franken weiterhin Trockenschäden. Zumindest vor größeren Waldbränden blieb Bayern trotz des trocken-heißen Sommers verschont – im Gegensatz zu anderen Bundesländern.

Januar wechselhaft, im Februar Sturmschäden

Das Jahr 2022 startete mit wechselhafter Witterung: Während in den Bergen wie im Vorjahr »Bilderbuchwinterwetter« mit Sonne und Schnee herrschte, blieb es in den tieferen Lagen mild, trüb und teilweise matschig. Flächendeckende Niederschläge nördlich der Donau ließen die Flusspegel ansteigen.

Im Februar setzte sich das wechselhafte Wetter fort. Es ereigneten sich drei Winterstürme in Folge, die leichte bis mittlere Schäden in allen Teilen Bayern verursachten. Zahlreiche Bäume wurden meist einzeln oder nesterweise geworfen oder gebrochen, die Schadensschwerpunkte lagen dabei vor allem im Norden Bayerns. Ende des Monats beendete ein Hoch mit viel Sonnenschein und nächtlichem Frost die stürmische Wetterlage. An den Waldklimastationen (WKS) waren die Wasservorräte im durchwurzelten Boden voll. Durch die sehr milde Witterung wurde die Vegetationsruhe früh gelockert.

Der Winter 2021/22 war im Vergleich zum Klimamittel 1961–90 sehr mild und sonnig mit leicht überdurchschnittlicher Niederschlagsmenge.

Für die Fichtenborkenkäfer stellte sich die Ausgangslage in Bayern zu Beginn des Jahres 2022 folgendermaßen dar: Die etwas kühlere und feuchtere Witterung im Sommer 2021 hatte die Anlage einer 3. Generation zwar verhindert, die Ausgangspopulation für 2022 lag aber weiterhin auf hohem Niveau. Nicht aufgearbeitete Einzelwürfe der Februarstürme 2022 boten den Anfang Mai ausschwärmenden Borkenkäfern idealen Brutraum. Die Sturmschäden stellten damit ein hohes Potenzial für Folgeschäden an den verbliebenen, noch intakten Waldbeständen dar.

Kalter Frühling: Erst trocken, dann nass

Ein Balkendiagramm welches die Jahresmitteltemperatur zwischen 1881 bis 2021 aufzeigt.Zoombild vorhanden

Jahresabweichungen der Lufttemperatur (Jahresmitteltemperatur minus Periodenmittel 1961-1990) im Gebietsmittel für Bayern 1881-2022 (© DWD)

Eine lange anhaltende Hochdruckphase bescherte im März viel Sonnenschein, nächtlichen Frost und wenig Niederschlag. Diese Witterung führte dazu, dass der Boden oberflächlich abtrocknete und es außergewöhnlich früh zu ersten Waldbränden kam. Bayern war davon nicht betroffen, jedoch brannten bei Pinswang/Tirol 34 ha Bergwald direkt jenseits der Grenze bei Hohenschwangau.

Der April zeichnete sich durch einen Mix aus regional intensiven Schneefällen, tiefen Nachtfrösten und ersten Sommertagen aus. Nassschnee verursachte insbesondere im Landkreis Miltenberg viele Baumbrüche. Der anschließende Witterungsumschwung brachte sonnige Tage, aber kalte Nächte – die Lufttemperatur erreichte Spitzenwerte bis 20 °C, wodurch sich die Entwicklung der Vegetation beschleunigte. Im letzten Monatsdrittel kam es erneut zu ergiebigen Niederschlägen. Insgesamt war der April 2022 ein nasskalter Monat, so dass sich der erste Schwärmflug der Fichtenborkenkäfer verzögerte.

Der Mai brachte viel Wärme und Sonnenschein sowie einige heftige Gewitter, teilweise mit Starkregen und Hagel. Die Eisheiligen fielen aus, stattdessen stiegen die Lufttemperaturen mancherorts auf 30 °C. Die Vegetation entwickelte sich dank der guten Wasserversorgung und warmen Temperaturen zügig weiter. Mit den frühsommerlichen Temperaturen setzte der Schwärmflug der Fichtenborkenkäfer zur Anlage der 1. Generation ein. Noch im Wald liegende Hölzer wurden massiv befallen, Einzel- und Nesterwürfe waren rasch besetzt und es kam in umstehenden Beständen zu Stehendbefall.

Das Frühjahr 2022 zählte im Vergleich zum Klimamittel 1961–90 zu den wärmeren Frühjahren. Trotz des wechselhaften Aprils war es zu trocken und sehr sonnig. Die Bodenwasserspeicher wiesen jedoch mit Füllständen von 60 –100 % nutzbarer Feldkapazität meist noch eine gute Wasserversorgung der Bäume auf.

Dürresommer: Viele Borkenkäfer, hohe Waldbrandgefahr

Das Bild zeigt einen brennenden Wald mit hochschagenden Feuerbrunsten.Zoombild vorhanden

Aufgrund des trocken-heißen Sommers bestand nicht nur in Brandenburg, sondern auch in Bayern hohe Waldbrandgefahr. (© Landesbetrieb Forst Brandenburg (LFB))

Der Juni 2022 war sonnenscheinreich, trocken und sehr warm, gelegentlich unterbrochen von Kaltfronten. Ihn prägten anhaltende Trockenheit in Nordbayern, eine erste sommerliche Hitzewelle mit Lufttemperaturen bis über 35 °C sowie immer wieder Gewitter mit teils unwetterartigem Starkregen und Hagel. In Franken regnete es über zwei Wochen lang keinen Tropfen, weshalb der Wald unter starkem Trockenstress litt.

Im Süden und auch in den östlichen Grenzgebirgen gab es dagegen immer wieder teils unwetterartige Gewitter, welche die Borkenkäfer-Bohrmehlsuche erheblich erschwerten. Das »Pfingstunwetter« Anfang Juni verursachte im Bayerischen Wald zahlreiche Einzel- und Nesterbrüche, die rasch vom Borkenkäfer besiedelt wurden und zu neuem Stehendbefall führten.

Die warme Witterung beschleunigte die Entwicklung der Borkenkäfer: In den Höhenlagen bis 800 m ü. NN schwärmten die Jungkäfer der 1. Generation nach nur etwa acht Wochen Entwicklungszeit zur Anlage der 2. Generation aus. Der Hauptschwärmflug der 1. Generation fand somit um etwa zwei bis drei Wochen früher statt als 2021. Die Trockenheit im Norden führte dazu, dass der Frankenwald erneut zum Befallsschwerpunkt mit den höchsten Fangzahlen wurde.

Aufgrund der trocken-heißen Witterung galt in Nordbayern zeitweise die höchste Waldbrandwarnstufe. Während Bayern im Juni von Waldbränden noch verschont blieb, kam es in den Wäldern Brandenburgs zu ersten Großbränden.
Grafik zeigt Niederschlag, Sonnenschein und Temperatur im JahresverlaufZoombild vorhanden

Jahresverlauf der für die Bäume zur Verfügung stehenden Bodenwasservorräte an sieben bayerischen Waldklimastationen, ausgedrückt in Prozent zur maximalen Wasserspeicherkapazität der jeweiligen Böden. (© LWF)

Dürre, extreme Hitze und viel Sonnenschein – so lässt sich der Juli 2022 beschreiben. Örtlich erreichten die Lufttemperaturen bis zu 40°C, weshalb die Waldbrandgefahr nun landesweit zunahm. Der ausbleibende Regen hatte zur Folge, dass sich die Boden-wasserspeicher mehr und mehr leerten und der anhaltende Trockenstress die Bäume zunehmend schwächte. Dies begünstigte weiterhin die Entwicklung der Fichtenborkenkäfer in ganz Bayern.

Zudem verfärbten sich bereits Mitte Juli viele Laubbäume und es setzte vorzeitig Laubfall ein. Besonders im trocken-heißen Unterfranken verdorrten die Blätter zum Teil mattgrün an den Bäumen. Die Hitze erreichte ihren Höhepunkt am 20. Juli: An der Waldklimastation Würzburg wurde ein Spitzenwert von 37,9 °C gemessen. Auch in Bayern brannte es nun mehrmals: In Unterfranken und in der Oberpfalz kam es immer wieder zu kleineren Wald- und Feldbränden. Schlimmer traf es erneut Brandenburg, aber auch Sachsen und Sachsen-Anhalt, wo viele Hektar Waldfläche abbrannten.

Im letzten Monatsdrittel sorgte zumindest im Süden und in der Mitte Bayerns eine Kaltfront für Abkühlung und für schauerartigen, teils gewittrigen Regen. Im Norden hingegen blieb es trocken, so dass es am 26. Juli bei Küps/Oberfranken zu einem Waldbrand kam (2 ha). Ende Juli besserte ein Tief die katastrophale Niederschlagsbilanz des Monats etwas auf. Trotzdem herrschte bis auf den Süden Bayerns nach wie vor überall großer Trockenstress.
Grafik zeigt den Bodenwasserspeicher an 6 Standorten in Bayern im JahresverlaufZoombild vorhanden

Jahresverlauf der für die Bäume zur Verfügungstehenden Bodenwasservorräte an sieben bayerischen Waldklimastationen, ausgedrückt in Prozent zur maximalen Wasserspeicherkapazität der jeweiligen Böden. (© LWF)

Auch der August startete trocken und heiß. Bereits im ersten Monatsdrittel wurden erneut Temperaturen bis über 35 °C erreicht. In der zweiten Monatshälfte regnete es im Süden und Osten ergiebig, an den südlichen Donauzuflüssen und an der Altmühl kam es sogar zu Hochwasser. Die DWD-Station Babenhausen im Unterallgäu verzeichnete am 19. August mit 112 l/m² den deutschlandweit höchsten Tagesniederschlag des Jahres.

Im Norden hingegen machte die anhaltende Trockenheit den Wäldern zunehmend zu schaffen. Dort ereigneten sich auch im August immer wieder Waldbrände, die jedoch schnell eingedämmt werden konnten. Zudem setzte sich die rasche Entwicklung der Borkenkäferpopulationen ungebremst fort. Die 2. Generation schwärmte in den Lagen bis 800 m ü. NN nach nur sieben Wochen Entwicklungszeit noch einmal Mitte August zur Anlage einer 3. Generation aus. Besonders im Norden Bayerns waren die Fichten bereits massiv geschwächt – die Stehendbefallsmeldungen gingen drastisch nach oben. Nur im Jahr 2018 konnten sich die Fichtenborkenkäfer noch schneller entwickeln als 2022. Die warme Witterung ermöglichte es dem Buchdrucker noch bis Ende August/Anfang September Eier abzulegen. Ab Anfang August begannen die Fichten, die in der ersten Schwärmwelle im Frühjahr befallen worden waren, durch Rotfärbung der Kronen zu zeichnen.

Der Sommer 2022 war nach 2003 der zweitwärmste und zweitsonnigste Sommer seit 1881. Er lag auf Platz 11 der trockensten Sommer seit 1881, es regnete fast ein Drittel weniger als normal.

Herbst: Ende der Trockenheit

Das Foto zeigt vertrocknete und noch relativ gesunde Fichtenkronen direkt nebeneinanderZoombild vorhanden

Ab Anfang August verfärbten sich die Kronen der Fichten, die im Frühjahr bei der ersten Schwärmwelle des Borkenkäfers befallen worden waren. (© Florian Stahl, LWF)

Der September brachte kräftige Schauer und Gewitter mit großen Niederschlagsmengen und die Temperaturen gingen deutlich nach unten. In Unterfranken, der Oberpfalz und dem Bayerischen Wald regnete es mehr als doppelt so viel wie im Durchschnitt.

Dank der starken Niederschläge verbesserte sich die Wasserversorgung der Bäume ab Mitte September langsam wieder. Im Oberpfälzer Wald an der WKS Flossenbürg zeigten die Fichten erst ab diesem Zeitpunkt wieder einen merklichen Durchmesserzuwachs – die Trockenheit des Sommers hatte die Vitalität und das Wachstum insbesondere im Norden und Nordosten erheblich beeinträchtigt. Dies bestätigte sich auch zum Jahresende: Der Durchmesserzuwachs bei den Fichten an der WKS Flossenbürg betrug nur knapp die Hälfte des 20jährigen Mittels.

Der Oktober stellte einen weiteren Wärmerekord des Jahres 2022 auf. Regnerische Tiefdruckphasen wechselten sich mit sonnigen, trockenen Hochdruckphasen ab; es fiel mehr Niederschlag im Vergleich zum Klimamittel.
Das Foto zeigt die Krone einer vertrocknenden BucheZoombild vorhanden

Im Spätsommer zeigten sich bei der Buche vor allem in Franken massive Trockenschäden. (© Stephan Thierfelder, AELF Schweinfurt)

Die sehr warme Witterung ermöglichte, dass sich die Buchdrucker bis 800 m über NN zu fertigen Jungkäfern entwickeln konnten.

Mild und vor allem sonnig zeigte sich auch der November. Ab der Monatsmitte regnete es allerdings zeitweise flächendeckend. Zu Beginn des letzten Monatsdrittels streifte ein Kaltlufteinbruch Nordbayern. In Franken, der Oberpfalz und im Bayerischen Wald bildete sich kurzzeitig sogar eine Schneedecke.

Insgesamt war der Herbst 2022 deutlich wärmer sowie etwas nasser und sonnenscheinreicher im Vergleich zum langjährigen Mittel. Die Bodenwasservorräte füllten sich langsam wieder auf – nur auf der Fränkischen Platte blieben sie weiterhin im kritischen Bereich.

Dezember: Schnee, Frost und milder Silvester

Wie bereits 2021 war die Witterung des Dezembers zweigeteilt: erst winterlich kalt mit Schnee bis in die Niederungen und strengem Frost mit Lufttemperaturen unter –10 °C – dann Weihnachtstauwetter und milde Rekordtemperaturen zu Silvester. Am 18. Dezember wurde mit einer Lufttemperatur von –19,3 °C an der DWD-Station Heinersreuth-Vollhof/Landkreis Bayreuth der bundesweit tiefste Jahreswert gemessen. An Silvester ermittelte der DWD in Wielenbach/Landkreis Weilheim-Schongau gegen 14 Uhr 20,8 °C, in München 20 °C.

Insgesamt war der Dezember 2022 wie in den beiden Vorjahren deutlich zu mild. Im Vergleich zum Klimamittel verzeichnete er mehr Sonnenschein und weniger Niederschlag.

Extremjahr 2022

Temperatur: 9,9 °C,
damit + 2,4 °C im Vergleich zur Referenzperiode 1961–1990

Niederschlag: 817 l/m2,
damit - 13 % im Vergleich zur Referenzperiode 1961–1990

Sonnenschein: 2.055 Stunden,
damit + 29 % im Vergleich zur Referenzperiode 1961–1990

© DWD

Zusammenfassung

Ende des Frühjahrs 2022 waren die Wälder in Bayern meist noch gut wasserversorgt. Dies änderte sich im Sommer, als Hitze und Dürre insbesondere im Norden zu akutem Trockenstress der Bäume führten. Davon profitierten die Fichtenborkenkäfer: Der Buchdrucker legte 2022 bis in die mittleren Höhenlagen eine 3. Generation und mehrere Geschwisterbruten an. Die Laubbäume litten ebenfalls unter der extremen Witterung, viele verfärbten sich bereits Mitte Juli und es setzte vorzeitig Laubfall ein. Hohe Niederschlagsmengen im Herbst füllten die Bodenwasserspeicher langsam wieder auf. Insgesamt war 2022 ein außergewöhn­liches Wetterjahr.

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