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Angela Siemonsmeier, Markus Blaschke und Bernhard Förster
Waldstrukturen im Höhengradienten – LWF aktuell 121

Auswirkungen des Klimawandels auf bewirtschaftete und unbewirtschaftete Waldflächen

Pflanzengesellschaften besiedeln spezifische Lebensräume, die im Wesentlichen durch Standortfaktoren und klimatische Bedingungen bestimmt werden. Vor allem im Gebirge wird dieser Zusammenhang auf geografisch engem Raum deutlich sichtbar. So beschrieb schon Konrad Gesner, ein Schweizer Arzt aus Zürich, nach seiner Besteigung des 2.132 m hohen Pilatus am Vierwaldstättersee im Jahre 1555 die Höhenzonierung der dortigen Vegetation. Die Ausbildung unterschiedlicher Pflanzengesellschaften in Abhängigkeit von der Meereshöhe ist auch in den Mittelgebirgen zu beobachten, deren Gesicht zumeist von Wäldern und ihren Strukturen geprägt ist.

Abgestrobene Fichte inmitten von lebenden FichtenZoombild vorhanden

Abb. 1: Das NWR Seeloch (Foto: M. Blaschke, LWF)

Nun interessiert den Forstmann hauptsächlich, wieviel Holz in seinem Wald steht, wie hoch der Vorrat ist, und hier bewahrheitet sich, was der erfahrene Bergwanderer schon immer wusste: »Hoch droben wird’s lichter.« Das liegt vor allem an der niedrigeren Jahresdurchschnittstemperatur und der kürzeren Vegetationsperiode. Nur vier bis fünf frostfreie Monate im Jahr hat ein Baum auf 1.200 m ü.NN zur Verfügung, um zu tun, was er eben tun muss, dem Forstmann seinen Zuwachs zu bescheren.

Kein Wunder also, dass die Buche beizeiten aufgibt und der immergrünen Fichte in den Hochlagen weitgehend das Feld überlässt. Dafür ist sie die unbestrittene Herrscherin der Tieflagenwälder, während die Tanne maßgeblich das Gesicht der Bergmischwälder in den mittleren Lagen prägt – wenn man sie denn gewähren lässt.

Forschungsprojekt untersucht Auswirkungen des Klimawandels

Abgerissener Buchenstamm inmitten von lebenden BuchenZoombild vorhanden

Abb. 2: Das NWR Hecke. (Foto: M. Blaschke, LWF)

Im Rahmen eines Projektes der LWF in Kooperation mit der TU München und der Uni Bayreuth wurden entlang eines Höhengradienten im Bayerischen Wald umfangreiche Untersuchungen zur Waldstruktur durchgeführt (Abbildung 3). Auf insgesamt 144 Probekreisen von den Ufern von Donau und Inn bis hinauf zum Arber wurden Daten zum stehenden Bestand sowie zu stehendem und liegendem Totholz erhoben. Die Probeflächen lagen zu je einem Drittel in Naturwaldreservaten, in buchendominierten sowie in fichtendominierten Wirtschaftswäldern.

Die Probeflächen in den Wirtschaftswäldern wurden mithilfe einer Ähnlichkeitsanalyse als Vergleichsflächen für die Naturwaldreservate (NWR) ausgewählt. Dabei wurden ähnliche Flächen bis in die Höhenlage des NWR Riesloch als buchendominiert definiert, während fichtendominierte Vergleichsflächen mit der Hälfte der Buchenbestockung im Naturwaldreservat und entsprechend erhöhter Fichtenbestockung ausgewählt wurden.

Für die natürlicherweise fichtendominierten Hochlagenwälder im Bereich der Naturwaldreservate Grübel und Seeloch erfolgte die Auswahl analog (Flächen mit ähnlicher Fichtenbestockung, buchendominierte Vergleichsflächen mit um die Hälfte reduzierter Fichtenbestockung und entsprechend erhöhtem Buchenanteil).

Vorräte

Diagramm, das Höhenstufen mit entsprechend wachsenden Bäumen schematisch zeigtZoombild vorhanden

Abb. 3: Schematische Darstellung des Höhengradienten (Grafik: LWF)

Der stehende Bestand wurde ab einem Brusthöhendurchmesser (BHD) von 7 cm erfasst. Baumhöhen wurden mithilfe von Höhenkurven modelliert, die aus den Repräsentationsflächen in den jeweiligen Naturwaldreservaten vorlagen. Ausgehend von diesen Parametern wurden die Vorräte pro Hektar für die einzelnen Waldbestandstypen errechnet (Abbildung 4). In den Naturwaldreservaten nahmen die Vorräte mit zunehmender Meereshöhe insgesamt ab.

Ein ähnlicher Trend wurde auch bei den Probeflächen in fichtendominierten Wirtschaftswäldern beobachtet, wenngleich nicht so ausgeprägt, wie in den Naturwaldreservaten. Bei den Vorräten in buchendominierten Wirtschaftswäldern zeigte sich keine klare Tendenz entlang des Höhenprofils. Unabhängig von der Meereshöhe waren die Vorräte in den Naturwaldreservaten durchschnittlich höher als in den Wirtschaftswäldern.

Grundflächen vs. Stammzahlen

Balkendiagramm in rot über orange bis blassgelbZoombild vorhanden

Abb. 4: Holzvorräte nach Bestandstypen. (Grafik: LWF)

Im Gegensatz zu den Holzvorräten zeigte sich bei den Grundflächen sowohl in den Naturwaldreservaten als auch in den Wirtschaftswäldern entlang des Höhengradienten kein eindeutiger Trend. Eine Betrachtung der Stammzahlen machte deutlich, welch großen Einfluss die Sukzessionsphase eines Bestandes auf die erhobenen Kenngrößen hat. Die Reservate Rehberg (95) und Hecke (97), die beide eine Grundfläche von ca. 50 m2 pro Hektar aufwiesen, zeigten deutliche Unterschiede bei den Stammzahlen pro Hektar (Abbildung 5).

Während das NWR Hecke von mächtigen Altbäumen und infolgedessen geringen Stammzahlen von ca. 450 Bäumen pro Hektar dominiert wird, befindet sich das NWR Rehberg in einer Phase der aufwachsenden Verjüngung mit einer sehr hohen Stammzahl von knapp 1.000 Stämmen pro Hektar. Dies wurde auch bei der Verteilung der Stammzahlen auf die Durchmesserklassen deutlich (Abbildung 6).

Während im NWR Rehberg knapp die Hälfte der Bäume in den Durchmesserklassen 7–10 und 10–15 cm zu finden waren, zeigte sich im NWR Hecke eine recht gleichmäßige Verteilung mit einem nur leichten Übergewicht bei den niedrigen Durchmesserklassen sowie einigen Altbäumen mit Durchmessern bis 85 cm, die sich bei der Gesamtgrundfläche deutlich bemerkbar machten.

Baumartenverteilung und Höhenlage

Balkendiagramm in rot über orange bis blassgelbZoombild vorhanden

Abb. 5: Grundflächen und Stammzahlen auf den Probeflächen in den untersuchten Naturwaldreservaten. (Grafik: LWF)

Die Baumartenverteilung in den Naturwaldreservaten entlang des Höhengradienten demonstrierte eindrucksvoll die Dominanz der Buche in den tiefen bis zu den mittleren Lagen. Ausgehend von den auf den Probekreisen gewonnenen Daten wurde die Wahrscheinlichkeit, eine bestimmte Baumart entlang des Höhengradienten anzutreffen, modelliert (Abbildung 7).

Für die Buche betrug die Präsenzwahrscheinlichkeit bis zu einer Meereshöhe von 1.000 m ü.NN über 90 % und sank dann bis 1.400 m ü.NN auf unter 10 %. Die Fichte dominierte erwartungsgemäß vor allem die Hochlagen. Von 1.400 m ü.NN bis hinunter auf etwa 900 m ü.NN war sie mit über 90 % Wahrscheinlichkeit anzutreffen. Selbst in den Tieflagen betrug ihre Präsenzwahrscheinlichkeit im Schnitt noch etwa 40 % – in den Naturwaldreservaten Überbleibsel der früheren Bewirtschaftung und deren Nachkommen.

Die Tanne erreichte ihre maximale Präsenzwahrscheinlichkeit von knapp 70 % in den mittleren Lagen bei einer Höhe von rund 700 m ü.NN. Dieses Ergebnis entsprach den Erwartungen, da die Tanne als Charakterart der Bergmischwaldgesellschaften dort ihren Verbreitungsschwerpunkt hat (Walentowski et al. 2004).

Baumartenverteilung und Bewirtschaftungsweise

Balkendiagramm in grünZoombild vorhanden

Abb. 6: Stammzahl-Durchmesser-Verteilungen für die Naturwaldreservate Rehberg und Hecke (Grafik: LWF)

Eine Betrachtung der Präsenzwahrscheinlichkeit in den untersuchten Bestandstypen zeigte jedoch, dass die Tanne in bewirtschafteten Wäldern der mittleren Lagen keineswegs regelmäßig anzutreffen ist (Abbildung 8). Während ihre Präsenzwahrscheinlichkeit in den untersuchten Naturwaldreservaten zwischen 600 und 800 m ü.NN nahezu 100 % erreichte, kam sie in nadelholzbetonten Wirtschaftswäldern auf ähnlicher Meereshöhe gerade mal auf 60 %.

In laubholzdominierten Wirtschaftswäldern war sie dagegen hauptsächlich in den Tieflagen um 400 m ü.NN anzutreffen. Dieser Effekt dürfte auf die Anbaubemühungen der Tanne in den letzten Jahrzehnten zurückzuführen sein. Auf die Präsenzwahrscheinlichkeiten von Buche und Fichte hingegen hatte die Bewirtschaftung deutlich weniger Einfluss.

Die Buche war selbst in nadelholzdominierten Beständen noch bis 1.000 m ü.NN mit über 90 % Wahrscheinlichkeit beigemischt. Entsprechend der Auswahlkriterien für die Probekreise in laubholzbetonten Beständen betrug ihre Präsenzwahrscheinlichkeit dort über den gesamten Höhengradienten hinweg 100 %, ebenso wie für die Fichte in nadelholzbetonten Beständen.

Die Präsenzwahrscheinlichkeiten für die Fichte in laubholzbetonten Beständen entlang des Höhengradienten entsprachen im Wesentlichen jenen in den Naturwaldreservaten. Da für die Probeflächen in den Naturwaldreservaten Daten aus dem Jahr 2009 vorlagen, konnten die jeweiligen Präsenzwahrscheinlichkeiten mit den aktuellen Daten verglichen werden. Während bei der Fichte keine nennenswerten Veränderungen festgestellt werden konnten, zeigte sich sowohl bei der Buche als auch bei der Tanne eine leichte Verschiebung der Kurvenverläufe in Richtung höherer Lagen.

Totholzvorräte

Graph mit drei Funktionen in grün, rot und blauZoombild vorhanden

Abb. 7: Präsenzwahrscheinlichkeiten von Buche, Fichte und Tanne entlang des Höhengradienten (Grafik: LWF)

Die Erfassung der Totholzvorräte zeigte keinerlei höhenabhängige Tendenzen auf. Sieben der acht totholzreichsten Flächengruppen lagen in Naturwaldreservaten (Abbildung 9). Deutliche Unterschiede zeigten sich auch hier wieder bei den Reservaten Hecke und Rehberg entsprechend der jeweiligen Sukzessionsphase. Während das NWR Hecke einen Totholzvorrat von gut 120 m³ pro Hektar aufwies, gesellte sich das in der Verjüngungsphase befindliche NWR Rehberg mit knapp 40 m³ Totholz pro Hektar zum Mittelfeld der Probeflächen in Wirtschaftswäldern. Klarer Spitzenreiter war mit über 200 m³ Totholz pro Hektar das NWR Leitenwies, das sich wie das NWR Hecke zu großen Teilen in der Zerfallsphase befindet.

Betrachtet man die Totholzvorräte hinsichtlich des Zersetzungsgrades, ergaben sich in den meisten Naturwaldreservaten große Mengen an final zersetztem Holz. Eine Ausnahme bildeten hier die Flächen in den Hochlagen in und um die Naturwaldreservate Grübel und Seeloch, die, bedingt durch vergangenen Borkenkäferbefall und klimatische Einflüsse auf die Geschwindigkeit der Zersetzung, ein vermehrtes Aufkommen beilfesten Totholzes aufwiesen (Zersetzungsgrade »frisch tot« und »beginnende Zersetzung«).

Einflussfaktoren

Drei Koordinatensysteme mit mehrern farbigen GraphenZoombild vorhanden

Abb. 8: Präsenzwahrscheinlichkeiten von Buche, Fichte und Tanne nach Bestandstypen (Grafik: LWF)

Die Untersuchung von Waldstrukturen entlang eines Höhengradienten ermöglicht Einblicke in die Wirkungsweise unterschiedlicher Temperaturregime auf Waldökosysteme über eine relativ kurze geografische Distanz hinweg. Insbesondere hinsichtlich der Klimaerwärmung ist ein detailliertes Verständnis der Beziehungen von Waldökosystemen und klimatischen Faktoren entscheidend für eine nachhaltige Forstwirtschaft der Zukunft.

Der Höhengradient im Bayerischen Wald bietet hierfür einen entscheidenden Vorteil: eine geologisch ausgeglichene und damit bodenkundlich verhältnismäßig homogene Ausgangssituation. Dadurch wird die Komplexität der betrachteten ökologischen Systeme etwas entschärft und eine Fokussierung auf den klimatischen Einfluss bei der Ausprägung von Waldgesellschaften ermöglicht.

Maßgebliche Parameter des Faktors »Klima « entlang eines Höhengradienten sind zum einen die Jahresdurchschnittstemperatur und zum anderen die Länge der Vegetationsperiode. Sie beeinflussen nicht nur die Wuchsleistung der Bäume, die sich in den erhobenen Holzvorräten widerspiegelt, sie bestimmen unter natürlichen Bedingungen auch die Baumartenzusammensetzung. Hier wurde der Einfluss der Bewirtschaftung besonders deutlich. Während für die drei Hauptbaumarten Buche, Fichte und Tanne mit Daten aus den Naturwaldreservaten die erwarteten klassischen Höhen-Verbreitungskurven erhalten wurden, zeigte sich insbesondere bei der Tanne eine starke Verzerrung dieser Kurven in den Wirtschaftswäldern.
Balkendiagramm in rot über orange bis blassgelbZoombild vorhanden

Abb. 9: Totholzvorräte nach Bestandstypen (Reihung auf der X-Achse nach absteigender Meereshöhe) und Zersetzungsgraden (Grafik: LWF)

Darüber hinaus wurde der höhenabhängige Temperatureffekt teilweise vom Einfluss des jeweiligen Sukzessionsstadiums überlagert. Dennoch konnte in den Naturwaldreservaten eine Abnahme des Holzvorrates mit zunehmender Meereshöhe beobachtet werden. Die Auswirkungen des Temperaturgradienten machten sich hier insbesondere bei den Baumhöhen bemerkbar, sodass der höhenabhängige Trend der Vorräte trotz des Einflusses der jeweiligen Sukzessionsphase auf Stammzahlen und Grundflächen sichtbar wurde.

Die Totholzvorräte waren in den Naturwaldreservaten durchschnittlich höher als in den untersuchten Wirtschaftswäldern. Ein deutlicher, höhenabhängiger Trend konnte jedoch nicht festgestellt werden. Leicht erhöhte Mengen beilfesten Totholzes in den Hochlagen sind möglicherweise bedingt durch eine reduzierte Zersetzungsgeschwindigkeit infolge der örtlich niedrigeren Temperaturen im Vergleich zu den tieferen Lagen (Kueppers et al. 2004). Für das Jahr 2019 geplante Untersuchungen zu xylobionten Käfern und Pilzen entlang des Höhengradienten sollen aufzeigen, ob und inwieweit die niedrigeren Temperaturen in den Hochlagen durch ihren Einfluss auf die Zersetzer-Gemeinschaften zu einer längeren Verweildauer des Totholzes in den Beständen führen.

Die Schwierigkeiten, Temperatureffekte von Einflüssen durch die Bewirtschaftung und Bestandesentwicklung zu trennen, machen belastbare generalisierte Aussagen über die Auswirkungen der Klimaerwärmung auf Ökosysteme, wie beispielsweise die prognostizierte Migration von Arten in höhere Lagen, äußerst schwierig (Bodin et al. 2013). Die Untersuchung von Naturwaldreservaten, die seit Jahrzehnten unbewirtschaftet sind, bietet eine gute Möglichkeit, Bewirtschaftung als Einflussfaktor auszuschließen und Sukzessionsverläufe im Zusammenspiel mit Temperatureffekten zu studieren, um somit belastbare Daten zu den Auswirkungen des Klimawandels auf unsere Waldökosysteme zu erhalten.

Zusammenfassung

Dicke Fichten, im Hintergrund aufgeworfener BodenZoombild vorhanden

Abb. 10: NWR Grübel (Foto: Archiv, LWF)

Aufbauend auf den Ergebnissen des Forschungsverbunds FORKAST und seinen Projekten werden in dem neuem Waldklimafonds-Projekt »Höhengradient im Bayerischen Wald« in Naturwaldreservaten und bewirtschafteten Wäldern vergleichbarer Ausgangssituationen die Auswirkungen des Klimawandels auf das Waldökosystem untersucht. Auf 144 Probekreisen in 24 Waldbeständen zwischen 323 und 1.404 m ü.NN werden Waldstrukturen und waldkundliche Parameter wie Baumartenzusammensetzung, Vorräte, Grundflächen, Durchmesser, Stammzahlen und die Totholzsituation bezüglich Höhenlage und Bewirtschaftungsintensität analysiert. In besonderer Weise wird dabei auf die drei Schlüsselbaumarten Buche, Fichte und Tanne eingegangen.

Projekt

Das Projekt »Höhengradient« C39 wird im Rahmen des Waldklimafonds vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sowie vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) finanziert.

Das Projekt »Höhengradient im Bayerischen Wald«

Vierzig Jahre nach der Ausweisung der ersten Naturwaldreservate in Bayern fiel Anfang 2018 der Startschuss für ein Forschungsprojekt der LWF in Kooperation mit der TU München und der Uni Bayreuth, das die Auswirkungen der Klimaerwärmung auf Waldökosysteme entlang eines Höhengradienten untersucht. Die prognostizierte Migration der Arten in Richtung ihres sich verschiebenden klimatischen Optimums bedeutet eine Wanderung in höhere Breiten und Höhenlagen, sodass Höhengradienten in Gebirgen eine gute Möglichkeit darstellen, die Auswirkungen des sich erwärmenden Klimas auf einer Fläche mit relativ geringer geografischer Ausdehnung zu untersuchen (Jump & Peñuelas 2005; Fischer et al. 2011).

Naturwaldreservate bieten dabei die einmalige Gelegenheit, den Einfluss des sich erwärmenden Klimas auf vom Menschen unbeeinflusste Wälder zu studieren und ihre Entwicklung anhand der Daten aus vier Jahrzehnten Naturwaldreservatsforschung nachzuvollziehen. Die für das Projekt ausgewählten Naturwaldreservate im Höhengradient Neuburger Wald – Bayerischer Wald wurden zuletzt im Rahmen des Forschungsverbunds FORKAST hinsichtlich waldkundlicher und vegetationsökologischer Parameter sowie Biodiversität verschiedenster Artengruppen untersucht (Blaschke et al. 2011). Die Autoren konnten deutliche Biodiversitätsmuster entlang des Höhengradienten nachweisen, so zum Beispiel bei Schnecken, holzbesiedelnden Pilze und epiphytischen Flechten. Darüber hinaus wurden einzelne Arten als Klimazeiger identifiziert, deren Vorkommen in deutlich abgegrenzten Höhenlagen für ein Monitoring der entsprechenden klimatischen Optima herangezogen werden kann (Blaschke et al. 2013).

Die Erhebungen des Projekts FORKAST sollen nun wiederholt, um genetische Untersuchungen ergänzt und mit Daten aus umgebenden Wirtschaftswäldern verglichen werden. Die Forscher erhoffen sich Erkenntnisse darüber, wie sich Klimafaktoren wie Temperatur und Luftfeuchte entlang eines Gradienten auf diese Waldökosysteme auswirken. Darüber hinaus liefert der Vergleich mit Flächen in nahe gelegenen Wirtschaftswäldern wertvolle Informationen darüber, welche Auswirkungen die Bewirtschaftung auf die Kohlenstoffspeicherkapazität, die vergesellschafteten Artengruppen sowie die genetische Diversität einiger Schlüsselspezies hat. Daher stehen auch die drei Hauptbaumarten Buche, Fichte und Tanne, die die Waldgesellschaft und damit die Lebensbedingungen für die verknüpften Arten maßgeblich bestimmen, im Fokus der geplanten populationsgenetischen Untersuchungen, die in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Zoologie der TU München durchgeführt werden.

Die Anpassungsfähigkeit von Individuen über Populationen bis hin zur Artebene an sich verändernde Umweltfaktoren wie steigende Durchschnittstemperaturen, Dürreperioden und Spätfröste wird entscheidend durch die genetische Ausstattung bestimmt. Genotypisierungen der drei Hauptbaumarten sollen aufzeigen, ob und inwieweit die Faktoren Temperatur und Bewirtschaftung Einfluss auf den Genpool unserer wichtigsten Waldbäume haben und ob die Klimaerwärmung bereits zu Verschiebungen in den Häufigkeiten der Genotypen geführt hat, die sich sowohl im zeitlichen Verlauf als auch im Verlauf des Höhengradienten abbilden lassen.

Der Klimawandel hat darüber hinaus vielfältige Auswirkungen auf den Boden und die Mykorrhiza-Gemeinschaften: Neben einer Erhöhung der Bodentemperaturen wirken sich beispielsweise auch Nährstoffanreicherungen sowie reduzierte Bodenfeuchte auf die Baumsymbionten aus (Simard & Austin 2010). Aufgrund ihrer essentiellen Rolle im Ökosystem Wald werden die Mykorrhizapilze daher intensiv untersucht. Die Biodiversität der Mykorrhiza-Gemeinschaften auf Populationsebene wird von der Uni Bayreuth (Abteilung Mykologie) analysiert. Aber auch die Auswirkungen von Bewirtschaftung und Temperatur auf die genetische Diversität der lebensnotwendigen Mykorrhizapartner sollen in Kooperation mit der TU München an einem ubiquitären Vertreter exemplarisch untersucht werden.

Literatur

  • Blaschke, M.; Bradtka, J.; Bußler, H.; Fischer, H.; Müller-Kroehling, S.; Walentowski, H.; Fischer, A. (2011): Naturwaldreservate im Höhengradient als Indikatoren für den Klimawandel. LWF aktuell 85: S. 6–8
  • Blaschke, M.; Bradtka, J.; Bußler, H.; Fischer, H.; Müller-Kroehling, S.; Walentowski, H.; Fischer, A. (2013): Artenwandel im Höhengradienten als Modell für Veränderungen der Biodiversität im Klimawandel. In: C. Beierkuhnlein; C. Wellstein & A. Gohlke, ed., Klimaforschung in Bayern – Ergebnisse des Forschungsverbundes FORKAST, Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, München
  • Bodin, J.; Badeau, V.; Bruno, E.; Cluzeau, C.; Moisselin, J. M.; Walther, G. R.; Dupouey, J. L. (2013): Shifts of forest species along an elevational gradient in Southeast France: climate change or stand maturation? Journal of Vegetation Science, 24(2), S. 269–283
  • Fischer, A.; Blaschke, M.; Bässler, C. (2011): Altitudinal gradients in biodiversity research: the state of the art and future perspectives under climate change aspects. Waldökologie, Landschaftsforschung und Naturschutz 8, S. 35–47
  • Jump, A. S.; Peñuelas, J. (2005): Running to stand still: adaptation and the response of plants to rapid climate change. Ecology Letters, 8(9), S. 1010–1020
  • Kueppers, L. M.; Southon, J.; Baer, P.; Harte, J. (2004): Dead wood biomass and turnover time, measured by radiocarbon, along a subalpine elevation gradient. Oecologia, 141(4), S. 641–651
  • Simard, S.; Austin, M. (2010): The role of mycorrhizas in forest soil stability with climate change. In: Climate Change and Variability, INTECH Open Access Publisher, S. 275–302
  • Walentowski, H.; Ewald, J.; Fischer, A.; Kölling, C.; Türk, W. (2004): Handbuch der natürlichen Waldgesellschaften Bayerns: Ein auf geobotanischer Grundlage entwickelter Leitfaden für die Praxis in Forstwirtschaft und Naturschutz. Verlag Geobotanica, Freising

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