Olaf Schmidt
Südosteuropäische Eichenarten – Hoffnung im Klimawandel? – LWF aktuell 128
Bedeutung der an Trockenheit, Hitze, Kälte und Schnee angepassten Eichen für mitteleuropäische Wälder
In Südosteuropa herrscht eine große Vielfalt an Baumarten, die bei zunehmender Erwärmung durchaus auch in mitteleuropäischen Wäldern an Bedeutung gewinnen könnten. Einige dieser Baumarten aus dem Balkan sind uns schon lange bekannt und teilweise auch als Park- und Straßenbaum etabliert, so zum Beispiel die Roßkastanie, die Silberlinde oder auch die Baumhasel.
Anlässlich einer Exkursion der ANW-Landesgruppe Bayern unter der Leitung von Prof. Dr. Manfred Schölch konnten bayerische Förster und Försterinnen im September 2019 die vielfältigen Wälder der griechischen Rhodopen in Ost-Mazedonien und West-Thrakien kennenlernen (Schölch et al. 2020). Einige Beobachtungen und Hinweise zu südosteuropäischen Eichenarten werden hier vorgestellt.
Abb. 1: Besonders auffällig ist bei der Zerreiche die durch pfriemenförmige Schuppen »stachelig« wirkende Cupula der Eicheln. (Foto: G. Aas)
Schon im benachbarten Österreich ändert sich die Situation. Im Leithagebirge westlich des Neusiedler Sees an der Grenze der Bundesländer Niederösterreich und Burgenland kommen schon vier Eichenarten nebeneinander vor, die auch forstlich bewirtschaftet werden; neben der Stiel- und Traubeneiche eben auch die Flaumeiche und die Zerreiche (Quercus cerris). In der Diskussion um alternative Baumarten ist es hier sicher von Vorteil, dass die europäischen Vertreter der Gattung Quercus sich sicher problemlos in unsere Waldökosysteme integrieren lassen.
Zerreiche
Abb. 2: Die Zerreiche im Coburger Hofgarten weist einen Stammumfang von 4,9 m und eine Höhe von etwa 28 m auf. (Foto: N. Wimmer)
Die Zerreiche kommt auf Kalk- und Silikatgesteinen vor. Sie bevorzugt aber hohe Basensättigung zumindest im Unterboden. Gerne wurde die Zerreiche, vielleicht auch wegen der auffällig büscheligen Fruchtbecher der Eicheln, in Parks- und Grünanlagen gepflanzt. Ein besonders mächtiges Exemplar steht im Hofgarten in Coburg und gehört mit einem Stammumfang von 4,9 m zu den größten Zerreichen- Exemplaren in Deutschland (Abbildung 2).
Die wenigen Untersuchungen in Zerreichenbeständen in Deutschland zeigen eine deutliche Wuchsüberlegenheit der Zerreiche gegenüber Stiel- und Traubeneiche sowohl im Höhenwuchs als auch in der Durchmesserentwicklung auf (Fricke & Röhrig 1978; Kätzel et al. 2010). Allerdings wird das wenig witterungsfeste Holz der Zerreiche geringer geschätzt.
Die Zerreiche ist der Zwischenwirt für die Knopperngallwespe (Andricus quercuscalicis), die an Stieleicheln die auffälligen Eichel-Knoppern verursacht. Die wenigen bekannten älteren Anbauten der Zerreiche in bayerischen Wäldern (z. B. Hienheim/Köschinger Forst, Hofheim/ Haßberge, Freising/Greding) werden von der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft aufgenommen und ausgewertet.
Flaumeiche
Abb. 3: Die 4 cm großen Krönchengallen der Gallwespe Andricus quercustozae (Foto: B. Wermelinger)
Sie bevorzugt im Gegensatz zu unseren beiden Eichenarten kalkhaltige oder zumindest hoch basengesättigte Böden. Im Wuchs bleibt die Flaumeiche deutlich hinter den anderen Eichenarten zurück. Selbst bei waldbaulicher Pflege erreicht sie kaum Höhen von 20–25 m. In Deutschland kommt die Flaumeiche auf besonders trockenen, flachgründigen Reliktstandorten kleinräumig vor, so zum Beispiel im Oberrheingraben und Kaiserstuhl, im Hegau, im Moseltal und im thüringischen Saaletal.
Die lichten Flaumeichenwälder sind mischbaumartenreich und es kommen zum Beispiel die Baumarten Elsbeere, Speierling, Mehlbeere, Vogelkirsche, Hainbuche, Feldahorn und Französischer Ahorn vor. Seltene Pflanzen wie Diptam und Dingel sind dort zu finden. Die Flaumeiche wird von der Klimaerwärmung profitieren und kann bei der Erhaltung der Wälder in besonders warmtrockenen Bereichen – so zum Beispiel am Untermain oder auf der Fränkischen Platte – einen Beitrag leisten. Sie wird sich problemlos in unsere Waldökosysteme einfügen.
Auffällig sind die anfangs rot, später braunen, kugeligen, bis 3–4 cm im Durchmesser großen Krönchengallen an den Zweigen (Abbildung 3), die von der Gallwespe Andricus quercustozae hervorgerufen werden (Bellmann 2012). Auch wir fanden diese großen Gallen in den griechischen Eichenwäldern.
Ungarische Eiche
Abb. 4: Die Ungarische Eiche ist ostmediterran verbreitet (Grafik: LWF)
Sie dominiert die Waldgesellschaft des Quercion confertae im dortigen Bereich der subkontinentalen Zone von circa 300 m bis 900–1.000 m Höhe. Auf warm-trockenen Standorten tritt dann dort, in enger Verzahnung, die Ostryo-Carpinion-Gesellschaft mit der Hopfenbuche (Ostrya carpinifolia) und der Flaumeiche als namengebende Baumarten auf (Lienau & Mattes 2018).
Abb. 5: Sämling einer Ungarischen Eiche (Foto: M. Schölch)
Immerhin erreicht ein ca. 130 Jahre altes Exemplar im Welt-Erlebnis-Wald Grafrath einen Brusthöhendurchmesser von 1,10 m und eine Höhe von etwa 30 m. In Praxisanbauversuchen sollte auch die Ungarische Eiche mit geprüft werden. Als Bewohner der Waldböden in den dortigen Eichenwäldern begegneten uns mehrere Griechische Landschildkröten [i](Testudo hermanni)[i] (Abbildung 6).
Kermeseiche
Abb. 6: Griechische Landschildkröten sind regelmäßige Bewohner der griechischen Eichenwälder. (Foto: Bernhard Kühnel)
Ihre Blätter sind immergrün, klein, ledrig und stachelig gezahnt. In den Rhodopen konnten wir die Kermeseiche als Gestrüpp auf flachgründigen, steinigen, sonnigen Südhängen beobachten. Als Baum folgt ihr dort auf diese sehr hageren Standorte nur noch der Französische Ahorn (Acer monspessulanum).
Aufgrund ihres geringen Wuchses und ihrer Standortansprüche ist die Kermeseiche keine Alternative für den mitteleuropäischen klimatoleranten Waldumbau. Früher war diese Baumart wegen der Gewinnung des Farbstoffes »Unechtes Karmin« durch die Kermesschildlaus (Coccus vermitio) wirtschaftlich interessant.
Steineiche
Abb. 7: Die Steineiche ist vermutlich keine Alternative. (Foto: M. Lauerer)
Aufgrund ihrer immergrünen, der Stechpalme ähnlichen Blätter (Name!) ist sie in Mitteleuropa sehr schneebruchgefährdet. Außerdem ist sie in den größten Teilen Mitteleuropas bisher nicht ausreichend winterhart.
Fazit zur Rhodopen-Exkursion
Abb. 8: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Rhodopen-Exkursion der ANW-Landesgruppe Bayern waren vom Baumartenreichtum der Laubwälder in den griechischen Rhodopen beeindruckt. (Foto: S. Finnberg)
Die in Mazedonien und Thrakien zwischen der Küste des Mittelmeeres bis zum Kamm der Rhodopen (ca. 2000 m) vorkommende Vielfalt an Baumarten bietet uns gerade im Klimawandel große Chancen! Denn die dortigen Baumarten »kennen« Schnee, Frost, Winterkälte, aber auch Trockenheit und hohe Sommertemperaturen (Schölch et al. 2020)!
Auch ökologisch sind diese Baumarten, da sie mit unseren heimischen Arten zum Teil nahe verwandt sind, unproblematisch. Neben den Eichenarten sahen wir zum Beispiel auch fünf Ahorn-Arten (Berg-, Feld- und Burgenahorn sowie Italienischer und Griechischer Ahorn), drei Eschenarten (Manna-, Schmalblättrige und Gemeine Esche), zwei Hainbuchen (Hainbuche, Orienthainbuche), die Hopfenbuche und viele andere mehr.
Im Zuge des notwendigen klimatoleranten Waldumbaus und unter dem Gesichtspunkt der Walderhaltung, gerade in den warmtrockensten Bereichen Bayerns, sollten wir besonders die südosteuropäischen Baumarten in Praxisanbauten und in Versuchsanbauten testen.
Zusammenfassung
Literatur
- Bellmann, H. (2012): Geheimnisvolle Gallen. Quelle & Meyer Verlag, 312 S.
- Caudullo, G.; Welk, E.; San-Miguel-Ayanz, J. (2017): Chorological maps for the main European woody species. Data in Brief (12), S. 662–666. Doi:10.1016/j.dib.2017.05.007
- Fricke, O.; Röhrig, E. (1978): Die Zerreichen (Quercus cerris L.) des staatlichen Forstamts Paderborn. Mitt. Dtsch. Dendrolog. Ges. 70, S. 167–175
- Kätzel, R.; Glatthorn, J.; Becker, F.; Schröder, J. (2012): Untersuchungen zu Vitalität, Wuchsleistung und Holzqualität von Zerr- Eichen (Quercus cerris L.) im Kommunalwald von Prenzlau. Archiv f. Forstwesen, 46, S. 125–132
- Lienau, C.; Mattes, H. (2018): Griechenlands Nordosten – eine geographisch-ökologische Landeskunde. LIT Verlag Berlin, 356 S.
- Noack, H. (1984): Die ungarische Eiche – Quercus frainetto Tenore. Mitt. Dtsch. Dendrol. Ges. 75, S. 167–171
- Schölch, M.; Schmidt, O.; Rothhammer, A.; Kühnel, B.; Danzer, J. (2020): Griechischer Wald – geeignete Arten und Herkünfte für Bayern? Der Dauerwald Heft ?, S. 20–27
- Schütt, P.; Schuck, H.-J.; Stimm, B. (1992): Lexikon der Forstbotanik. ecomed, 579 S.