Forschungs- und Innovationsprojekt
Erarbeitung, Umsetzung und Evaluierung von wildökologischen Zonierungskonzepten (Projekt JA 17)

Berglandschaft im Sommer.

Rehwild, Rotwild und Gamswild sind die häufigsten Schalenwildarten unserer bayerischen Alpen. Gemeinsam bilden sie mit ihrem Lebensraum eine untrennbare Einheit, aus welcher anhaltende gegenseitige Wechselwirkungen resultieren.

Als natürliche Bewohner unserer Bergwälder sind sie zum einen wichtiger Teil der Biodiversität, zum anderen üben sie einen unmittelbaren Einfluss auf ihre Umwelt aus, zum Beispiel durch Verbiss der Vegetation. Gleichzeitig werden sie selbst in ihrem arttypischen Verhalten beeinflusst, wie beispielsweise durch die Verfügbarkeit von Nahrung oder menschlichen Einflüssen.

Kurzbeschreibung

In unserer heutigen Kulturlandschaft sind fast alle Wildlebensräume durch die menschliche Nutzung geprägt. Wildökologische Zonierungskonzepte können eine dauerhafte Eingliederung heimischer Wildtiere in die Kulturlandschaft in einer landeskulturell verträglichen Form unterstützen. Dies soll durch eine Kombination aus Lebensraumerhaltung und Wildschadensvermeidung erreicht werden, bei welcher die Interessen und Bedürfnisse aller beteiligten Akteure - Wildtier sowie Mensch - berücksichtigt werden.

Hintergrund des Vorhabens

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Nutzung der Natur durch Freizeitaktivitäten entscheidend verändert. Moderne Ausrüstung sowie die Ausübung neuer Sportarten machen die Natur nicht nur für eine größere Menge an Menschen erlebbar, sondern auch das ganze Jahr über zugänglich. Saisonal angepasst stellen Wandern, Mountainbiken oder auch Skitourengehen sehr beliebte Freizeitaktivitäten dar, welche die Menschen in die Natur führen. Die Beanspruchung der Natur durch diese touristische Nutzung kann jedoch auch zu einer Reihe von Konflikten führen. Verschiedene Einflüsse auf Wildtiere und ihren Lebensraum können eine räumliche und zeitliche Veränderung der Lebensraumnutzung bis hin zur Erhöhung des Energiebedarfs bewirken.

Neben dem Tourismus stellt auch die Jagd eine wichtige Einflussgröße auf das Verhalten von Wildtieren und ihre Raumnutzung dar. So wird beispielsweise häufig davon ausgegangen, dass eine gezielte räumlich-zeitliche Bejagung das Verhalten von Wildtieren steuern kann. Auf den Regiejagdflächen der Bayerischen Staatsforsten AöR (BaySF) finden bereits jetzt Jagdkonzepte Anwendung, die eine räumlich-zeitliche Zonierung ausweisen, um beispielsweise auf forstlich sensiblen Flächen das Wild gezielt zu vergrämen. Raum-zeitlich angepasste Bejagungskonzepte bilden somit einen entscheidenden Baustein wildökologischer Zonierungskonzepte.

Um einen verantwortungsvollen Umgang mit Wildtieren sicherzustellen und gleichzeitig den berechtigten menschlichen Nutzungsansprüchen Rechnung zu tragen, ist es zielführend die Wechselwirkungen zwischen Wildtieren, ihrem Lebensraum sowie dem Menschen als Mitnutzer zu verstehen. Das vorliegende Forschungsvorhaben setzt sich daher zum Ziel, in Kombination mit bereits vorhandenen Zonierungskonzepten, Anpassungen und neuen Ausweisungen, Wildlebensraumzonierungskonzepte mit wissenschaftlichen Methoden zu entwickeln und wildbiologische Erkenntnisse bezüglich der Wechselwirkungen Wildtier-Lebensraum-Mensch zu gewinnen. Dies soll in einem mehrstufigen Verfahren erreicht werden.

Infobroschüre zum Projekt pdf 2,4 MB

Projektziele

  • Etablierung von Maßnahmen im Rahmen einer räumlich-zeitlichen Wildlebensraumzonierung unter Berücksichtigung der menschlichen Nutzungsinteressen und der Ansprüche der Wildtiere in ausgewählten Fallbeispielprojektgebieten.
  • Erste Evaluierung der Wildlebensraumzonierungskonzepte und der Lenkungsmaßnahmen in Fallbeispielprojektgebieten;
  • Ableitung von Handlungsempfehlungen über die Fallbeispielprojektgebiete hinaus.

Projektgebiete und Kooperationspartner

Auf Grundlage der Evaluierung bereits vorhandener Zonierungskonzepte in Bayern sowie angrenzender Länder wird eine Wildlebensraumzonierung für die drei Fallbeispielgebiete „Karwendel“, „Chiemgau“ und „Böhmerwald“ erstellt, bzw. vorhandene Konzepte angepasst und überarbeitet.
Die drei Untersuchungsgebiete liegen auf den Flächen der Bayerischen Staatsforsten AöR. Sie stellen dabei unterschiedliche, für Bayern aber typische Lebensräume für die zu untersuchenden Schalenwildarten dar. Ferner handelt es sich bei den Projektgebieten nicht nur um großflächige Naturlandschaften, sondern ebenfalls um Wirtschafts- und Erholungsräume mit wichtigen Ökosystemdienstleistungen. Dadurch dienen sie nicht nur als Lebensraum für Wildtiere, sondern rücken immer weiter in den Fokus verschiedenster Landnutzungsinteressen.

TU München, Lehrstuhl für Ökosystemdynamik und Waldmanagement in Gebirgslandschaften Externer Link

Methoden

Die Methodik zur Erstellung einer Wildlebensraumzonierung umfasst verschiedene wild-, mensch- und lebensraumgebundene Verfahren.
Mittels aktueller und etablierter Methoden des Wildtiermanagements ist es möglich, Wildaktivitäten zu erfassen und zu bewerten. Weiterhin soll der menschliche Einfluss in den Projektgebieten untersucht werden. Hierbei stellen vor allem der Tourismus und die Jagd wichtige Kernaspekte dar. Auch die im Lebensraum verfügbare Vegetation wird betrachtet. Gemeinsam bilden diese Aspekte in den Projektgebieten eine wichtige Basis zum Erhalt grundlegender Erkenntnisse über alle beteiligten Interessensgruppen, Wildarten und den verfügbaren Lebensraum.

Für das Projekt wurde das in den Untersuchungsgebieten bereits zum Teil bestehende Fotofallenmonitoring um zusätzliche Standorte erweitert. Mittels der Fotofallen ist es möglich, die Frequentierung der Fläche durch Wildtiere und somit ihre räumliche Verteilung zu detektieren und Aussagen über die Aktivität treffen zu können.

In der Frage nach der räumlich-zeitlichen Nutzung des Lebensraumes durch das Schalenwild kommt zudem die GPS-Telemetrie zum Einsatz. Im Fokus der Telemetrie stehen sowohl Rotwild- als auch Gamswild.

Um zu eruieren, ob eine Verbissanfälligkeit bestimmter Forstpflanzen oder -standorte gegeben ist, erfolgen in allen Untersuchungsgebieten Vegetationsaufnahmen. Für die Berechnung dieser Prädisposition werden sowohl die Bodenvegetation als auch die verholzende Verjüngung herangezogen.

Zur Beurteilung des Einflusses menschlicher Aktivitäten auf die Aktivität des Wildes sowie seine räumlich-zeitliche Verteilung wird eine umfangreiche Berfragung der Naturnutzer in den Projektgebieten vorgenommen. Die Auswertung spezieller Fotofallen an Wegen sowie gezielten Lenkungen soll eine umfassendere Auskunft über die touristischen Nutzung geben.

Projektinformationen
Laufzeit: 01.01.2021 bis 30.06.2024
Projektleitung: Wibke Peters
Projektbearbeitung: Juliane Warger und Nicolas Cybulska
Kooperationspartner: Bayerische Staatsforsten; TU München, Lehrstuhl für Ökosystemdynamik und Waldmanagement in Gebirgslandschaften (Ecosystem Dynamics and Forest Management)
Projektförderung: Kuratorium für forstliche Forschung