Tannenschadinsekten

Die Weißtanne gilt im Vergleich zu anderen Baumarten im Hinblick auf die Insektenfauna als relativ artenarm, auch wenn neuere Erkenntnisse, die die Kronenfauna mit berücksichtigen diese Auffassung relativieren. In der forstlichen Praxis gilt die Weißtanne im Hinblick auf Schäden durch Insekten als vergleichsweise unproblematisch.

Tatsächlich ist die Zahl potentiell schädlicher Insekten an der Tanne überschaubar, diese können aber unter bestimmten Bedingungen gravierende Schäden verursachen. Von besonderer Bedeutung sind die Tannentriebläuse, die Tannenstammlaus, verschiedene Borkenkäferarten und der Tannenrüsselkäfer.

Während die einheimischen Arten, die Weißtannenstammlaus (Dreyfusia piceae RATZ.) und die Europäische Weißtannentrieblaus (Mindarus abietinus KOCH), als relativ ungefährlich eingestuft werden können, gelten die bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus der Kaukasusregion eingeschleppten Arten, die Einbrütige Tannentrieblaus (Dreyfusia nordmannianae ECKST.) und die Zweibrütige Tannentrieblaus (Dreyfusia merkeri EICHHORN), als gefährlich. Dies gilt in besonderem Maße für den Befall von Jungwüchsen und Dickungen.

Krone eines jungen Nadelbaumes mit abgestorbenen Trieben.

Abgestorbene Maitriebe (Fotot: S. Schröcker, LWF)

Tannenzweig mit vielen weißen Punkten, also Läusebefall.

Läusebefall (Fotot: S. Schröcker, LWF)

Starker Stamm einer Weißtanne mit vielen weißen Punkten, also mit Läusebefall.

Befall am Stamm (Foto: LWF)

Einzelner Nadelbaum in einem Wald ist am Stamm ganz hellgrau-weiß verfärbt.

Befall am Stamm (Foto: LWF)

Tannentriebläuse

Die beiden nicht einheimischen Tannentriebläuse Dreyfusia nordmannianae und D. merkeri befallen Jungtannen der ersten Altersklasse bis ca. 3,5 m Höhe und saugen ab Mitte Mai an der Unterseite junger Nadeln, zu einem geringen Teil auch an der Nadelspreite. Als Folge krümmen sich die Nadeln abwärts, die beiden Wachsstreifen auf der Nadelinnenseite sind nicht mehr zu sehen und die Nadeln vertrocknen. Die Maitriebe erhalten das Bild einer „Flaschenbürste“. Bei starkem Befall vertrocknen die Triebe, bei mehrjähriger Infektion sterben Jungpflanzen vom Gipfeltrieb her ab. Der Stammbefall durch die beiden eingeschleppten Tannentriebläuse ist in der Regel unbedeutend, kann den betroffenen Baum aber für Sekundärschädlinge disponieren.

Die Europäische Tannentrieblaus ernährt sich als einzige ausschließlich an den Nadeln, ein Stammbefall unterbleibt. Von Ende April bis Juni werden die jungen Triebe besiedelt und besaugt. Dadurch krümmen sich Nadeln der Maitriebe nach oben, die Wachsstreifen auf der Nadelunterseite sind deutlich zu sehen. Im schlimmsten Fall stirbt der Maitrieb ab, sodass der Schaden dem von Spätfrösten ähnelt. Eine forstlich relevante Schädigung geht von der einheimischen Tannentrieblaus nicht aus.

Tannenstammlaus

Ein Befall der Tannenstammlaus sieht aufgrund der Wollwachsausscheidung mit seiner leuchtend weißen Färbung im Frühjahr und Spätsommer/Herbst sehr beeindruckend aus. Eine Schädigung erfolgt vorwiegend an ca. 40- bis 100 jährigen Tannen in einstufigen Beständen, oftmals an den vorherrschenden Bäumen. Als Phloemsauger ernähren sie sich aus den nährstofftransportierenden Leitungsbahnen und beeinflussen den Wassertransport negativ. Für den betroffenen Baum ist der Befall, insbesondere in den höheren Altersklassen, in der Regel ungefährlich. Schäden in Form von Zuwachsverlusten sind aufgrund der Abwehrreaktion des Baumes, insbesondere bei Massenvermehrung, möglich. Die Tanne wird aber für Sekundärschädlinge disponiert.

Die vier forstlich wichtigen Borkenkäferarten an der Weißtanne sind der Krummzähnige Weißtannenborkenkäfer, der Mittlere, der Kleine und der Westliche Tannenborkenkäfer. Sie sind Rindenbrüter und befallen Tannen jeden Alters (auch Kulturen). Neben der Tanne kommt es nur selten zu Befall von Fichte, Lärche oder Douglasie.

  • Alle Arten sind in der Regel Sekundärschädlinge.
  • Sie profitieren von der Schwächung ihrer Wirte durch Sturm, Schneebruch, Trockenstress, Mistelbefall oder wiederholten Nadelfraß durch nadelfressende Insekten.
  • Bei günstigen Befalls- und Entwicklungsbedingungen (warm-trockene Witterung) können lokal hohe Populationsdichten aufgebaut werden.
  • Es kommt dann zu Stehendbefall (Primärbefall) auch an gesunden, nur vorübergehend geschwächten Tannen (Schäden nach Trockenjahren 2003 und 2006).
  • Häufig erfolgt ein Befall durch mehrere Tannenborkenkäferarten gleichzeitig.

Krummzähniger Tannenborkenkäfer

Die bekannteste und gleichzeitig auch die größte Borkenkäferart (ca. 3 mm) an der Weißtanne ist der Krummzähnige Tannenborkenkäfer (Pityokteines curvidens). Er gilt als der schädlichste Borkenkäfer an der Tanne und befällt die astfreien, unteren Stammbereiche kränkelnder, älterer Tannen. Insbesondere nach Trockenheit und außerhalb des natürlichen Verbreitungsgebietes wird der Krummzähnige Tannenborkenkäfer leicht zum Primärschädling.

Nahaufnahme eines hellbraunen Käfers.

Imago (Foto: Pest and Diseases Image Library, bugwood.org)

Nahaufnahme eines Baumstamms mit Fraßspuren von Käfern.

Fraßbild (Foto: G. Lobinger, LWF)

Baumstamm mit weißer aus Wunden laufender Flüssigkeit.

Schadbild (C. Triebenbacher, LWF)

Nahaufnahme eines Baumstamms mit Fraßspuren von Käfern.

Schadbild (C. Triebenbacher, LWF)

Biologie des Krummzähnigen Tannenborkenkäfers

Charakteristisch ist sein quer zur Faserrichtung verlaufendes Brutbild, es ähnelt einer Doppelklammer oder einem „liegenden H“. Es entsteht, weil zwei Weibchen vom selben Einbohrloch aus jeweils einen doppelarmigen Quergang als Muttergang anlegen. Die Rammelkammer ist in der Regel nicht zu sehen, da sie in der dickborkigen Rinde, die die Art bevorzugt, verborgen liegt. Bei geeignetem Brutraumangebot und passender Witterung werden bis zu 3 Generationen im Jahr incl. Geschwisterbruten ausgebildet. Die Hauptflugzeiten liegen im April und Juli.

Westlicher Tannenborkenkäfer

Der Westliche Tannenborkenkäfer (Pityokteines spinidens) befällt die Tanne im Baumholzalter und gilt als Schwesternart des Krummzähnigen Tannenborkenkäfers, da er häufig mit ihm in den gleichen Stammabschnitten zu finden ist. Er kommt aber westlich seltener vor als der Krummzähnige und der Mittlere Tannenborkenkäfer und neigt kaum zu Massenvermehrung.

Nahaufnahme eines rot-braunen Käfers.

Imago (Foto: Pest and Diseases Image Library, bugwood.org)

Nahaufnahme eines Baumstamms mit Fraßspuren von Käfern.

Fraßbild (Foto: Gyorgy Csoka, Hungary Forest Rearch Institute, bugwood.org)

Biologie des Westlichen Tannenborkenkäfers

Der überwinternde Käfer schwärmt ab April. Im Unterschied zum Krummzähnigen legt der 2-2,8 mm große Westliche Tannenborkenkäfer ein sternförmiges Brutbild an. Von der den Splint schürfenden Rammelkammer werden ca. 10 cm lange, gebogene Muttergänge genagt. Die dicht liegenden, kurzen Larvengänge liegen quer zur Faserrichtung. Es werden bis zu 2 Generationen und Geschwisterbruten angelegt.

Mittlerer Tannenborkenkäfer

Der mittlere Tannenborkenkäfer (Pityokteines vorontzovi) ist etwas kleiner (ca. 1,6 – 2,4 mm) als der Krummzähnige Tannenborkenkäfer und weniger weit verbreitet. Er besiedelt die dünnrindigen Stammabschnitte sowie finger-bis armdicke Äste in der oberen Krone meist kränkelnder Tannen. Bei starkem Befall können die Krone und somit auch die Tanne absterben.

Nahaufnahme eines hellbraun-roten Käfers.

Imago (Foto: Hanna Royals, Museum Collections, Coleoptera, USDA, APHIS, PPQ, bugwood.org)

Nahaufnahme eines Baumstamms mit Fraßspuren von Käfern.

Fraßbild (Foto: Stanislaw Kinelski, bugwood.org)

Biologie des Mittleren Tannenborkenkäfers

Für den Mittleren Tannenborkenkäfer charakteristisch ist sein 3- bis 9- armiges, sternförmiges Brutbild. Die ca. 5 cm langen, im Splint liegenden Muttergänge gehen von einer deutlich sichtbaren, den Splint schürfenden Rammelkammer aus verlaufen meist quer zur Faserrichtung. Von den deutlich sichtbaren Einischen zweigen die Larvengänge in Faserrichtung ab. Die Käfer schwärmen im April und legen 2 Generationen und Geschwisterbruten pro Jahr an.

Kleiner Tannenborkenkäfer

Der nur ca. 1,5 mm große Kleine Tannenborkenkäfer (Cryphalus piceae) besetzt die Ökologische Nische, die mit dem Kupferstecher an Fichte vergleichbar ist. Er bevorzugt die dünne Rinde von Ästen und Zweigen im Kronenraum von Tannen. Daher kann er auch in Dickungen und Stangenhölzern auffällig werden und diese bei stammumfassendem Befall zum Absterben bringen. Auch diese Art kann primär werden und Massenvermehrungen ausbilden. Er ist daher ähnlich gefährlich für kränkelnde Tannenbestände wie der Krummzähnige Tannenborkenkäfer.

Nahaufnahme eines Baumstamms mit Fraßspuren von Käfern.

Fraßbild (Foto: Milan Zubrik, Forest Research Institute - Slovakia, bugwood.org)

Nahaufnahme eines Baumstamms mit Fraßspuren von Käfern.

Fraßbild (Foto: Daniel Adam, Office National de Forets, bugwood.org)

Biologie des Kleinen Tannenborkenkäfer

Das Brutbild des Kleinen Tannenborkenkäfers ist platzartig ohne eigens ausgebildete Muttergänge. Die Larvengänge zweigen strahlenförmig davon ab. Häufig werden zwei Generationen mit Flugzeiten im März und Juni und zusätzlich Geschwisterbruten ausgebildet. Der kleine Tannenborkenkäfer überwintert in allen Stadien in den Brutbildern.

Weißtannenrüsselkäfer

Der ca. 10 mm große Weißtannenrüssler (Pissodes piceae) tritt an mittelalten Weißtannenstämmen (40 – 100 Jahre) in Erscheinung. Der Weißtannenrüssler befällt Stellen mit dickborkiger Rinde und ist daher am unteren Stammabschnitt, und nur bei stärkeren Alttannen bis hinauf in die Krone, zu finden. Erstes Symptom sind Harztropfen, die durch die Anlage der Eigruben, bevorzugt an Astquirlen, krebsigen oder verletzten Stellen entstehen. Ausgehend von hohen Befallsdichten kann der sonst eher sekundär auftretende Tannenrüssler auch primär werden und vermeintlich vitale Tannen zum Absterben bringen.

Hellbrauner Käfer mit schwarz-gelben Pünktchen krabbelt an einem Baumstamm hoch.

Imago (Foto: Stanislaw Kinelski, bugwood.org)

Nahaufnahme eines Baumstamms mit Fraßspuren von Käfern.

Fraßbild (Foto: Milan Zubrik, Forest Research Institute - Slovakia, bugwood.org)

Biologie des Weißtannenrüsselkäfers

Der Weißtannenrüssler fliegt von April bis in den September hinein und legt seine Eier in eine Eigrube in der Rinde. Die Eiablage erfolgt über die ganze Vegetationszeit, vorwiegend aber im Frühjahr, sodass alle Entwicklungsstadien parallel angetroffen werden. Die Larven bohren sich in den Bast und legen vielstrahlige, bis zu 50 cm lange, mehr oder weniger vertikale Larvengänge an, die dicht verstopft mit Bohrmehl sind. Die Spanpuppenwiegen sind fein mit Nagespänen gepolstert und ebenfalls im Bast. Durch kleine, runde Ausbohrlöcher verlassen die Jungkäfer den Baum. An saftigen Wundstellen an der Rinde, bevorzugt an Astquirlen, führen die Käfer einen Reifungs- oder Ernährungsfraß durch. Die Überwinterung erfolgt in allen Entwicklungsstadien im Brutbild. Die Käfer sind langlebig und können zwei- bis dreimal überwintern. Es wird in der Regel eine Generation pro Jahr gebildet.

Großer Brauner Rüsselkäfer

Großer Brauner Rüsselkäfer (Hylobius abietis)

Der Große Braune Rüsselkäfer (Hylobius abietis) ist eine der größten Gefahren bei der Kulturbegründung mit Nadelholz. Auch wenn die Pflanzung von Fichten rückläufig ist, spielt er auf vielen Sturmwurf- und Kalamitätsflächen eine große Rolle.  Mehr

Erste Meldungen über ein "Tannensterben" gab es zu Beginn des 19. Jahrhunderts aus Westböhmen. In den folgenden Jahrzehnten tauchte der Begriff immer wieder auf – unter uneinheitlicher Verwendung. Schließlich wurde das Tannensterben als Komplexkrankheit, an der mehrere Schadfaktoren beteiligt sind, angesehen. Dabei stellen die Schwefeldioxid-Immissionen die zentrale Ursache des Tannensterbens dar. Weitere Stressfaktoren verstärken den Krankheitsverlauf nur. Die hohe Empfindlichkeit gegen Schwefeldioxid ist genetisch bedingt. Während der Rückwanderung nach der letzten Eiszeit ist die genetische Variation verloren gegangen.

Charakteristische Symptome des "Tannensterbens" sind:

  • Kronenverlichtung von unten nach oben und von innen nach außen;
  • Frühzeitige Ausformung einer Storchennestkrone;
  • Ausbildung eines pathologischen Nasskerns;
  • Reduzierung und Deformation des Wurzelkörpers (vor allem der Feinwurzeln);
  • Rückgang der Jahrringbreiten bzw. Jahrringausfälle.
Nahaufnahme einer Baumwurzel mit spärlich ausgebildetem Feinwurzelsystem.

Absterbende Feinwurzeln (Foto: LWF)

Alte Weißtannen mit stark verlichteter Krone.

Kronenverlichtung (Foto: LWF)

Nahaufnahme eines Baumstubbens mit zentralem nassen Bereich.

Nasskern (Foto: LWF)

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