Hans-Joachim Klemmt, Thomas Ullmann, Steffen Rogg, Bernahrd Förster, Alfred Wörle, Carolina Fricker und Thomas Seifert
Ermittlung astfreier Schaftlängen mit TLS - LWF aktuell 112

Terrestrisches Laserscanning liefert praxisorientierte Zusatzinformationen bei Forstinventuren.

Terrestrisches Laserscanning in der Waldvermessung war in der Vergangenheit häufig Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Nachfolgend wird für eine Edelkastanien-Beobachtungsfläche in Unterfranken gezeigt, welche praxisrelevanten Zusatzinformationen neben dendrometrischen Standardgrößen bei einer Flächenvollaufnahme mit TLS-Technologie potenziell zur Verfügung stehen.

LAserscanner steht auf einem gelben Gestell in einem Laubbaumbestand. Am Boden sieht man viel rotes LaubZoombild vorhanden

Abb.1: Edelkastanienbestand in Hausen bei der Laseraufnahme im Frühjahr 2015
(Foto: C. Fricker)

Die Edelkastanie (Castanea sativa) ist eine Baumart, der zukünftig aufgrund sich ändernder Klimabedingungen eine wachsende Bedeutung zugemessen wird (Kölling 2007; Hein et al. 2014). Bislang existieren in Bayern allerdings kaum Anbauerfahrungen zu dieser Baumart.

Die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) hat daher im Jahr 2014 Edelkastanien-Bestände in der Gemeinde Hausen (Lkr. Würzburg) unter Dauerbeobachtung genommen und auf den ältesten Teilflächen ertragskundliche Vollaufnahmen (inkl. Sonderparameter wie astfreie Schaftlängen und Kronenansatzhöhen) durchgeführt. Zusätzlich wurden diese Teilflächen mit Hilfe terrestrischer Laserscantechnologie (TLS) aufgenommen.

Die ertragskundlichen Aufnahmen wurden in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Waldbau der TU München durchgeführt und im Rahmen einer Bachelorarbeit (Fricker 2016) ausgewertet.

Die TLS-Aufnahmen wurden im März 2016 durch die LWF durchgeführt und im Rahmen einer Bachelorarbeit an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) ausgewertet (Ullmann 2016).

Abbildung 1 vermittelt einen Eindruck von der circa 55 x 45 m großen Beobachtungsfläche zum Zeitpunkt der Laserscanaufnahmen. In Tabelle 1 sind wesentliche Kenngrößen des Bestandes nach Fricker (2016) dargestellt. Auf der Fläche wurden insgesamt 26 Z-Bäume (≈ 100 Z-Bäume/ha) ausgewählt, die zukünftig entsprechend gefördert werden sollen.

Terrestrisches Laserscanning

Dauerbeobachtungsflächen der LWF (z. B. Waldklimastationen) werden seit 2015 ergänzend zu den etablierten Flächenaufnahmen mit einem terrestrischen Laserscanner gescannt (Klemmt et al. 2015). Zum Einsatz kommt hierbei das Tachymeter-Laserscanner-Kombigerät Leica MS 50 (Abbildung 1). Darüber hinaus ist es auch das Ziel, Flächenneuanlagen im Rahmen von Forschungsprojekten ein- oder mehrmals zu scannen und die Lagekoordinaten der Flächen mit dem GNSS des Kombigerätes hochgenau zu ermitteln (GNSS = globales Navigationssatellitensystem).

Die Beobachtungsfläche in Hausen wurde im Frühjahr 2016 gescannt. Hierbei wurde das Gerät an fünf Positionen in der Beobachtungsfläche positioniert. Durchgeführt wurde ein 360°-Rundum-Scan (Dome-Scan) von der innenliegenden Rückegasse sowie vier 90°-Eckscans mit jeweils einer Scanauflösung von 0,75 Milligon. Zudem wurde vor dem Scannen von der Rückegasse ein hochaufgelöstes Panoramafoto aus 480 Einzelaufnahmen generiert.

Letzterer Arbeitsschritt erwies sich nicht zuletzt aufgrund der hohen Anzahl an Datensätzen als besonders zeitintensiv. Hauptziel der Auswertung der TLS-Daten im Rahmen der Bachelorarbeit von Ullmann war es, zu prüfen, ob eine teilautomatisierte Ermittlung der astfreien Schaftlänge in einem jungen und vergleichsweise dichten Laubholzbestand möglich ist.

Grundlegende Arbeiten hierzu wurden zum Beispiel von Schütt et al. (2004) oder von Kankare et al. (2014) vorgestellt. Die Fragestellung ist deshalb von Interesse, da die astfreie Schaftlänge sowohl waldbaulich als Maßzahl zur Steuerung des Eingriffszeitpunktes als auch verwertungstechnisch zur Optimierung der Einschnittmenge von großer Bedeutung ist.

Hierzu sollten die Z-Bäume untersucht werden, da deren Entwicklung den weiteren Bestandsaufbau besonders prägt und ihnen ein besonderes wirtschaftliches Interesse zukommt. In Abbildung 2 ist ein virtueller Schnitt durch die Scandaten in etwa in 2 m über dem Boden dargestellt, aus dem die Verteilung der Z-Bäume sowie die Positionierung des Laserscanners ersichtlich werden.

Auswertung

Diagramm, indem die Stammpositionen auf der Versuchsfläche dargestellt wird. Zoombild vorhanden

Abb.2: Virtueller Schnitt durch die 3D-Daten der Edelkastanien-Beobachtungsfläche. (Grafik: LWF)

Ausgewertet wurden die Daten nach einem Ansatz von Klemmt et al. (2010) zur Bestimmung der astfreien Schaftlänge. Hiernach wird die astfreie Schaftlänge über eine Bewertung der Güte von Kreisanpassungen an virtuelle Schnitte entlang der Schaftachse bestimmt. Dieser Ansatz hat sich bei der Anwendung auf Daten einer Kiefern-Plantage (Pinus pinaster) in Südafrika bewährt und hat auch für Nadelbäume bei uns gute Ergebnisse gezeigt.

Ausgewertet wurden nur die Daten der 26 Z-Bäume. Der Hauptgrund hierfür liegt in der vergleichsweise hohen Stammzahl des aufgenommenen Bestandes (Tabelle 1). Da vor der Anwendung der Auswertungsroutinen eine manuelle Aufteilung der 3D-Laserdaten der gesamten Fläche in Daten für die einzelnen Bäume notwendig ist (Segmentierung), wurde das Untersuchungskollektiv beschränkt, um den möglichen Arbeitsumfang einer Bachelorarbeit in Grenzen zu halten.

Die Bestimmung und der Abgleich der Baumpositionen aus der klassischen Feldaufnahme und der vergleichenden TLS-Aufnahme erwies sich zu Beginn der Auswertung als schwierig. Bei der klassischen Feldaufnahme wurden Baumpositionen nicht explizit erfasst oder vermessen. Da bei dieser Aufnahme abgestorbene, aber noch stehende Bäume, nicht erfasst wurden, während in den Laserdaten alle auf der Fläche vorhandenen Baumobjekte erfasst werden, konnten die Positionen anfänglich nicht bestimmt werden. Erst durch eine zusätzliche Auswertung der Tachymeterdaten konnte dieser Mangel behoben werden.
Tabelle 1: Dendrometrische Kennwerte der Baobachtungsfläche und des 21-jährigen Edelkastanienbestandes im Herbst 2015 (verändert nach Fricker 2016)
BezeichnungBeobachtungsflächeBestandeswert je ha
Größe Beobachtungsfläche0,25
Stammzahl (>6,9 cm BHD) [N]5372.170
Grundfläche [m²]9,4338,09
Durchmesser: Grundflächenmittelstamm dg [cm]15
Oberdurchmesser (d100) [cm]20,4
Höhe: Grundflächenmittelstamm [m]17
Vorrat [m³/ha]301

Ergebnisse

Die obere Grafik in Abbildung 3 zeigt die Gegenüberstellung der BHD-Werte der TLS-Auswertung mit den Werten der Feldaufnahme. Die BHD-Werte aus den TLS-Daten wurden über rechnerische Kreisanpassungen ermittelt. Die mittlere Grafik vergleicht die Baumhöhen der Feldaufnahme mit denen der TLS-Werte. Unten sind die astfreien Schaftlängen gegenübergestellt.

Jeweils eingezeichnet ist eine 1:1-Linie, auf der die Werte idealerweise zu liegen kämen, wenn beide Wege identische Werte liefern würden. Mit 22,0 cm lag der mittlere BHD, abgeleitet über rechnerische Kreisanpassungen, aus den TLS-Daten rund 1,6 cm über dem Vergleichswert der Feldaufnahmen der Z-Bäume. Die Höhenwerte liegen für die TLS-Daten mit 17,8 m im Mittel um 20 cm über den Daten der Höhenmessung im Feld.

Die astfreien Schaftlängen liegen mit 6,6 m für die TLS-Daten und 6,5 m für die Feldaufnahmedaten nur 10 cm auseinander. Entsprechende Mittelwertvergleiche für gepaarte Stichproben haben in keinem Fall signifikante Unterschiede zwischen den Vergleichsgrößen gezeigt. Aus den Abbildungen wird allerdings auch ersichtlich, dass bei Betrachtung der Einzelbäume bei den jeweiligen Größen zum Teil erhebliche Unterschiede bestehen.
Diagramm, das den Brusthöhendurchmesser der Feldmessund mit der, des Laserscanners vergleicht. Steigende Tendenz

Abb.3: Brusthöhendurchmesser

Diagramm, das die Baumhöhe der Feldmessung mit der, des Laserscanners vergleicht. Steigende Tendenz

Abb.4: Baumhöhe

Diagramm, das die Schaftlänge der Feldmessung mit der, des Laserscanners vergleicht. Steigende Tendenz

Abb.5. Schaftlänge

Einwertung der Ergebnisse

Die gute Übereinstimmung der ermittelten Kenngrößen für Feldaufnahme und TLS-Aufnahme ist grundsätzlich erfreulich. Auch anhand dieser Fallstudie konnte gezeigt werden, dass die TLS-Technologie grundsätzlich in der Lage ist, automatisch bzw. teilautomatisch forstinventurrelevante Größen und verwendungsorientierte Zusatzgrößen zu liefern. Derzeit ist dies allerdings noch mit einem sehr hohen Arbeitsaufwand verbunden. Zudem ist ein hohes Maß an EDV-Kenntnissen nötig, um aus den 3D-Punktwolken der terrestrischen Laserscanner forstpraktische Größen zu extrahieren.

Für den forstpraktischen teilautomatischen Einsatz dieser Technologie existiert weiterhin ein Grundproblem: Bisher gibt es keinen befriedigenden Ansatz zur (überwachten) Aufteilung der 3D-Punktewolken aus Wäldern in Daten für die Einzelbäume (Segmentierung). Dieser Arbeitsschritt wurde hier manuell durchgeführt und erwies sich als äußerst zeitaufwendig und wäre in einem derartig dichten Waldbestand ohne die Nutzung der Tachymeterdaten auch manuell nicht möglich gewesen.

Für die isolierten Daten der Einzelbäume zeigte sich, dass diese nur zum Teil (einseitig bzw. nur wenige Datenpunkte auf der Oberfläche) durch den Laserscanner erfasst wurden. Aus diesem Grund konnten die BHD-Werte nur mit Hilfe der vergleichsweise robusten Kreisanpassung (Dassot et al. 2011) geschätzt werden. Andere Schätzverfahren wie Ellipsenanpassungen oder konvexe Hüllen zeigten keine befriedigenden Ergebnisse.

Die gute Übereinstimmung der Höhenmesswerte im Feld mit den TLS-Werten wird als sehr positiv bewertet. Hier kommt die Stärke des TLS-Systems zum Tragen: Einfach und schnell liegen echte Messwerte für Baumhöhen vor, ein erheblicher Qualitätsgewinn im Vergleich zu den »qualifizierten Schätzwerten « der Inventurpraxis. Weiterhin hat sich bei der vergleichenden Aufnahme der Edelkastanienfläche in Hausen gezeigt, dass eine sehr gute Schätzung der mittleren astfreien Schaftlänge mit dieser Technologie möglich ist. Auf Einzelbaumebene hingegen waren die Ergebnisse mit dem vorgestellten Ansatz noch nicht befriedigend.

Ausblick

Foto eines Laserscnanners ohne das Gestell.Zoombild vorhanden

Abb.6: Das Kombinationsgerät scannt präzise die Umgebung ab. Zusammen mit einem integrierten GNSS kann jeder Punkt genau im Raum zugeordnet werden. (Foto: Leica Geosystems)

Die LWF arbeitet weiter an der praxisorientierten Weiterentwicklung dieser Technik für den forstpraktischen Einsatz. Hierfür sind mehrere Gründe maßgeblich: Wie die Ergebnisse der Bundeswaldinventur 2012 gezeigt haben, wird der Waldaufbau vielfältiger, die Schichtigkeit und Mischung unserer Wälder nimmt erfreulicherweise zu. Dies erfordert allerdings den ergänzenden Einsatz von Fernerkundungstechniken, die in der Lage sind, den neuen Waldaufbauformen gerecht zu werden.

Durch den Einsatz von TLS können Mängel und Schwächen der klassischen Forstinventur (wie z. B. die mangelnde nachträgliche Reproduzierbarkeit oder die fehlende Auswertungsmöglichkeit von Zusatzaspekten, die bei der Konzeption einer klassischen Forstinventur nicht berücksichtigt wurden) größtenteils behoben werden.

Aktuell angestoßen wurden erste automatisierte Flächenauswertungen für einfach aufgebaute Waldklimastationen. Das angesprochene Problem der Segmentierung wird für diese Flächen mit 3DVoronoi- Zellen erfolgreich gelöst, stellt aber sicherlich für stärker strukturierte bzw. dichtere Bestände keine Universallösung dar. Aufgrund der Ergebnisse der hier vorgestellten Fallstudie soll weiterhin geprüft werden, ob Verfahren der Zylinderanpassung an Einzelbäume (z. B. Hackenberg 2014) eine bessere Bestimmung der astfreien Schaftlänge auf Einzelbaumebene ermöglichen.

Mittelfristiges Ziel ist – aufbauend auf den Erkenntnissen der Grundlagenforschung – die Entwicklung einer baukastenartigen Softwarelösung, mit der entsprechende Routinen für die automatisierte Ableitung forstinventurrelevanter Größen möglich wird. Für die einzelnen Baukastenelemente soll beschrieben und nachgewiesen werden, für welche Waldsituationen sie geeignet sind bzw. wo sie bereits mit welchem Ergebnis eingesetzt wurden.

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