LWF Wissen 87
Die Moorbirke – Waldbauliche Empfehlungen aus bayerischer Sicht
von Hans-Joachim Klemmt, Norbert Wimmer, Richard Heitz, Joachim Stiegler, Paul Dimke, Ottmar Ruppert und Wolfram Rothkegel

Karte Bayerns mit den Moorbirkenvorkommen farblich gekennzeichnetZoombild vorhanden

Abb. 1: Vorkommen von Sandbirke (Betula pendula R.) und Moorbirke (Betula pubescens Erh.) in Deutschland nach den Erhebungen zur Bundeswaldinventur 3 (2011/2012). (© LWF)

Die Moorbirke (Betula pubescens Erh.) ist eine Pionierbaumart, die in ganz Mitteleuropa von Natur aus vorkommt.

Ihr Verbreitungsschwerpunkt erstreckt sich im Vergleich zur Sandbirke (Betula pendula Roth) weiter nach Nordwesten und Nordosten, im Süden Europas kommt sie bis Norditalien sowie die nördliche Balkanregion vor. Sie erweist sich als besonders konkurrenzstark auf feuchten bis staunassen, kalkarmen, gering bis mäßig basenversorgten, sauren Anmoor- und Moorböden, weist aber generell eine breite ökologische Amplitude auf und kann auch auf trockeneren Standorten gedeihen. Die Moorbirke wurde seitens der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald insbesondere deshalb 2023 zum Baum des Jahres ausgerufen, um auf die dramatische Situation von ehemaligen Moorstandorten in Deutschland, die mittlerweile zu 90 % entwässert sind, hinzuweisen (Roloff 2023).

Standörtliches Vorkommen aus bayerischer Sicht

Flächig betrachtet, spielt die Moorbirke in Deutschland insbesondere in den norddeutschen Bundesländern eine größere Rolle, wie Auswertungen zu dieser Baumart nach den Daten der Bundeswaldinventur 3 (2011/2012) zeigen (Abbildung 1). In Bayern wurde hingegen die Moorbirke im Rahmen der bundesweiten Großrauminventur im Vergleich zur Sandbirke nur punktuell und in sehr geringem Umfang erfasst. Auch wenn die Unterscheidung zwischen beiden Birkenarten nicht einfach ist (Roloff 2023), dürfte die Moorbirke in Bayern bei flächenmäßiger Betrachtung derzeit eine untergeordnete Rolle im Vergleich zur Sandbirke spielen.

Verschneidet man das Vorkommen der Moorbirken in Deutschland mit den Ergebnissen des WKF-Projektes WP-KS-KW nach Bodenklassen, so zeigt sich, wie in Tabelle 1 dargestellt, das bereits von Roloff (2023) skizzierte Bild, dass Moorbirken in Deutschland am häufigsten auf Moorböden vorkommen, verstärkt aber auch auf stark versauerten (Podsole) oder von Grund- und Stauwasser geprägten terrestrischen Böden zu finden sind. (Tabelle 1)
Tabelle 1: Standörtliches Vorkommen der Moorbirke nach Bodenklassen: Dargestellt ist die Anzahl an Traktecken mit Moorbirkenvorkommen nach den Erhebungen der Bundeswaldinventur 3 und ihre Verteilung auf die entsprechenden Bodenklassen des WP-KS-KW-Projekts (WKF).
BodenklasseAnzahl (inkl. Mehrfachstandorte)Anzahl (eindeutige Standorte)
Erd- und Mulmmoore16260
Podsole8029
Gleye3619
Braunerden3420
Naturnahe Moore2319
Stauwasserböden126
Terrestrische anthropogene Böden97
Lessivés54
Ah/C-Böden31
Subhydrische Böden11
Auenböden11

Zum Wachstum der Moorbirke

Im Vergleich zur Sandbirke (z. B. Lockow 1996, Klemmt und Neubert 2013) existieren zum Wachstum der Moorbirke nur wenige spezielle Studien (z. B. Nieuwenhuis und Barrett 2001 bzw. 2002), die sich zudem meist auf nordeuropäische bzw. nordwesteuropäische Wuchsverhältnisse konzentrieren. Eine weitgehende, allerdings nicht mehr ganz aktuelle Zusammenstellung existierender Tafelwerke und Modellentwicklungen für beide Birkenarten findet sich in Hynynen et al. (2009).

Die Moorbirke zeigt ebenso wie die Sandbirke ein sympodiales Höhenwachstumsverhalten, was charakteristisch für viele Laubbaumarten ist. Beide Birkenarten sind typische, lichtbedürftige Pionierbaumarten mit einem raschen Jugendwachstum. Hynynen et al. (2010) berichten über Höhenwuchsleistungen von bis zu 25 m im Alter von 30 Jahren und maximalen Oberhöhen von 30 m im Alter von 50 Jahren. Ab diesem Alter stellen sich nach den von Hynynen et al. zitierten Studien deutliche Zuwachsrückgänge sowie Vitalitätsverluste ein. Im Vergleich zu den nordeuropäischen Studien stellten Lockow (1996) und Hein (2009) für mitteleuropäische Wuchsverhältnisse frühere Kulminationszeitpunkte für Sandbirken sowie ein früheres Abflachen von Zuwachskurven fest.

Empfehlungen für den waldbaulichen Umgang mit Moorbirken in Bayern

Wie Müller-Kroehling (2018) aufzeigt, kommt die Moorbirke (in Bayern) bestandsbildend insbesondere auf Sonderstandorten (Moor- und Nassstandorte, Blockhalden) vor. Im Gegensatz zur Sandbirke, die vornehmlich in anthropogen beeinflussten, sekundären Moorstandorten auftritt, ist die Moorbirke von Natur aus in intakten Mooren beheimatet, vor allem in sauren Bruchwäldern der Niedermoore und am Moorrand. Hier trägt sie nach Müller-Kroehling (2019) erheblich zur habitattypischen Artenvielfalt bei, da zahlreiche Moorbewohner verschiedener Tiergruppen an Birken in Mooren gebunden sind. Als Beispiele sind hier die Moor-Feuerzikade (Zygina rosea), Großes Jungfernkind (Archiearis parthenias), Birkenmaus (Sicista betulina) oder das Birkhuhn (Tetrao tetrix) genannt.

Spezielle waldbauliche Empfehlungen zur Behandlung der Moorbirke sind nach Müller-Kroehling (2019) selten bzw. sind für die Wuchsverhältnisse und Waldaufbauformen in Bayern (und Deutschland) nur wenig hilfreich (Bsp. Hynynen et al. 2010).

Sollen Moorbirken-Einzelbäume aktiv bewirtschaftet werden, können die generellen Behandlungsgrundsätze des zukunftsorientierten Waldbaus in Bayern, die in den letzten rund 15 Jahren erarbeitet und im Rahmen der Waldbautrainings der Bayerischen Forstverwaltung geschult wurden, uneingeschränkt Anwendung finden (siehe hierzu auch LWF-Merkblatt 54 »Waldpflege im Klimawandel« und LWF-Praxishilfe »Klima- Boden-Baumartenwahl, Band I«). Generelles Ziel sollte es sein, vitale Individuen der lichtbedürftigen Pionierbaumart, die zudem idealerweise stabil und qualitativ hochwertig sind, frühzeitig zu sichern und durch frühzeitigen Einstieg in die Dimensionierungsphase in Richtung Wertholzproduktion zu lenken. Das bedeutet bei so einer früh im Höhenwuchs kulminierenden Baumart die Kronenfreistellung etwa im Alter von 12 Jahren bzw. bei einem Brusthöhendurchmesser von ca. 12 bis 14 cm zu beginnen. Wenn aufgrund fehlender Samenbäume keine Naturverjüngung möglich ist, können Moorbirken auch gepflanzt oder durch Saat eingebracht werden. Wichtig ist Pflanz- oder Saatplätze auszuwählen, die der lichtbedürftigen Pionierbaumart ein ausreichendes Lichtangebot bei Mineralbodenanschluss bieten. Auf qualitätssichernde Maßnahmen der Kulturbegründung (Pflanzenauswahl, Wurzelqualität, sachgerechte Pflanzung oder Saat etc.) ist zu achten. Weitere Hinweise hierzu liefert das LWF-Merkblatt 30 »Qualitätssicherung bei der Kulturbegründung«. Nach erfolgter Etablierung (vgl. Abbildung 2) gilt es, frühzeitig in der anschließenden Qualifizierungsphase die Moorbirken als festen Bestandteil der Bestandsentwicklung zu sichern und ggf. vitale, stabile und qualitativ hochwertige Individuen herauszuarbeiten. Aufgrund der speziellen lichtökologischen Eigenschaften der Pionierbaumart Moorbirke ist ein frühzeitiger Übergang von der Qualifizierungs- in die Dimensionierungsphase anzustreben. Dieser sollte bereits ab einem Brusthöhendurchmesser von 12 bis 14 cm der herausgearbeiteten Optionen erfolgen. Bei Birke als »Totasterhalter« wird unter dieser Zielsetzung auch eine Wertastung auf eine Höhe von 5 – 6 m erforderlich sein. In der Phase der Dimensionierung ist eine frühzeitige Zunahme der Radialzuwächse der Zielbäume durch konsequentes Freistellen bzw. durch dauerhafte Auflösung der Kronenspannung anzustreben. Um keine Seitenkonkurrenz durch Nachbarbäume entstehen zu lassen, ist ein Mindestabstand zwischen den Zielbäumen von wenigstens 10 m erforderlich. Auf die Bedeutung der dadurch entstehenden unbearbeiteten Zwischenfelder wird im folgenden Absatz nochmals eingegangen. Wichtig ist der frühzeitige Einstieg, da die Moorbirke, ebenso wie die Sandbirke eine relativ geringe Lebenserwartung auf- weist. In der sich anschließenden Reifephase nimmt die Wuchskraft und Reaktionsfähigkeit deutlich ab. Mit Erreichen eines BHDs von etwa 28 cm erreicht die Moorbirke diesen Grenzwert relativ frühzeitig.

Zukunftsorientierter Waldbau im Einklang mit naturschutzfachlichen Zielen

Phasenmodell der Entwicklung von Waldbeständen - Waldbauliches GrundlagenmodellZoombild vorhanden

Abb. 2: Phasenmodell der Entwicklung von Waldbeständen (modifiziert nach Mosandl und Paulus, 2002)

Wie mehrfach aufgezeigt, kommen Moorbirken aktuell in Bayern und Deutschland besonders häufig auf Sonderstandorten vor. Diesen kommt generell eine hohe naturschutzfachliche Bedeutung zu. Gleichzeitig ergeben sich insbesondere auf Feuchtstandorten bzw. hydromorphen Waldstandorten naturale Restriktionen für die Waldbewirtschaftung. Moorbirken können daher bisweilen als Weiserpflanzen für gesetzlich geschützte Biotope angesehen werden, wenn sie auf den benannten Sonderstandorten vorkommen.

Spezielle waldbauliche Überlegungen zu dieser Baumart sollten daher immer auch naturschutzfachliche Aspekte berücksichtigen. Die gesamte waldbauliche Behandlung muss natürliche Prozesse in diesem Ökosystemen berücksichtigen und in den Lebensraum mit allen darin befindlichen Lebewesen eingepasst werden. Dazu gehören in erster Linie die ökosystemorientierte Beteiligung von Naturverjüngung bzw. Sukzession, das besondere Augenmerk auf Totholz und Habitatbäume, der Schutz bzw. die Pflege von Waldbiotopen und der Artenschutz.

Die bayerischen Grundsätze für einen zukunftsorientierten Waldbau, die im LWF-Merkblatt 54 veröffentlicht wurden, ermöglichen es, naturschutzfachlichen Belangen umfänglich nachzukommen und gleichzeitig den nachwachsenden Rohstoff Holz in entsprechender Qualität bereitzustellen. Begründet wird dies durch den einzelbaumorientierten Behandlungsansatz. Waldbauliche Eingriffe konzentrieren sich dabei auf eine bemessene Anzahl von Bäumen, die aktiv gefördert und bewirtschaftet werden. Die Anzahl ist dabei abhängig von der Ausgangssituation des Bestandes, den erreichbaren Kronendurchmesser vitaler Bäume, sowie von möglichen Zielen des Waldeigentümers. Die Bewirtschaftungsintensität in den Feldern zwischen aktiv bewirtschafteten Bestandsgliedern wird hingegen deutlich abgesenkt bzw. evtl. sogar gänzlich eingestellt. So entstehen ausreichend große Bestandspartien für die Betonung naturschutzfachlicher Ziele.

Generell sollte für die Bewirtschaftung von Moorbirken-Einzelbäumen oder Beständen folgende Leitlinie verfolgt werden: Je seltener und schützenswerter der Standort oder das Biotop, auf dem Moorbirken vor- kommen bzw. zukünftig geplant sind, desto mehr sollten aktive Bewirtschaftungsmaßnahmen auf die naturschutzfachlichen Ziele ausgerichtet sein. Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass auf diesen Standorten keine aktiven waldbaulichen Maßnahmen erfolgen oder aber, dass die Moorbirke – beispielsweise in geschädigten Schwarzerlenbeständen – aus naturschutzfachlichen Gesichtspunkten heraus aktiv gefördert wird.

Zusammenfassung

Die Moorbirke ist eine Pionierbaumart, die in Bayern aktuell verstärkt auf forstlichen Sonderstandorten (Feuchtstandorte) vorkommt. Soll sie aktiv bewirtschaftet werden, können die bayerischen Behandlungsgrundsätze des zukunftsorientierten Waldbaus generell uneingeschränkt Anwendung finden. Aufgrund des Pioniercharakters kommt hierbei dem frühzeitigen Einstieg in die Dimensionierungsphase eine besondere Bedeutung zu, der es ermöglicht, ausreichend vitale Moorbirken frühzeitig entsprechend zu fördern. Allerdings verlangen naturschutzfachliche Belange bei der Bewirtschaftung der Moorbirke besondere Berücksichtigung. Die Bewirtschaftungsintensität der Moorbirke sollte mit zunehmendem Schutzcharakter des Standortes entsprechend reduziert werden bzw. vorrangig auf diese Schutzziele und den Erhalt des Waldökosystems ausgerichtet sein.

Literatur

  • Hein, S. (2009): Waldbau mit der Sandbirke. Allgemeine Forstzeitschrift/Der Wald 13/2009: 696.
  • Hynynen, J.; Niemistö, P.; Viherä-Aarnio, A.; Brunner, A.; Hein, S.; Velling, P. (2009): Silviculture of birch (Betula pendula Roth and Betula pubescens Ehrh.) in northern Europe. Forestry, Vol. 83, No. 1, 2010. doi:10.1093/forestry/cpp035
  • Klemmt, H.-J.; Neubert, M. (2013): Zum Höhenwachstum der Sandbirke – Analyse von Daten der zweiten Bundeswaldinventur für Bayern. LWF aktuell 95 (2013), S. 38-41.
  • Lockow, K.-W. (1996): Ertragstafel für die Sandbirke in Nordostdeutschland, Forstliche Forschungsanstalt Eberswalde, Fachgebiet Waldwachstum Eberswalde.
  • Mette T. (2017): Waldproduktivität – C-Speicherung – Klimawandel. AFZ/DerWald 15/2017, 21-24.
  • Müller-Kroehling, S. (2019): Birken in Mooren. Plädoyer für eine forstliche Neubewertung AFZ-Der Wald 4/ 2019, S. 10-14.
  • Müller-Kroehling, S. (2019): In dubio pro Betula – Plädoyer für mehr Toleranz gegenüber der Moorbirke in Mooren. Anliegen Natur 41(1), 2019, S. 135-144.
  • Nieuwenhuis, M.; Barett, F. (2001): Volume production patterns in six downy birch stands in Ireland. Irish Forestry 2001, pp. 2-14.
  • Nieuwenhuis, M.; Barett, F. (2002): The growth potential of downy birch (Betula pubescens (Ehrh.)) in Ireland. Forestry-1464-3626. doi: 10.1093/forestry/75.1.75
  • Roloff, A. (2023): Baum des Jahres 2023: Die Moorbirke. AFZ- Der Wald 4/2023.
  • Ruppert, O.; Rothkegel, W. (2023): LWF-Merkblatt 54: Waldpflege im Klimawandel.

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