Eine Gruppe von Kindern steht in einem Laubwald.

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Norbert Lagoni
Die Esskastanie in der Volksheilkunde – LWF Wissen 81

Herkunft und Verbreitung

Die Gattung [i]Castanea[/i] MiLL. besteht aus fünf Arten. Die volkstümliche Bezeichnung ist Edel- respektive Esskastanie sowie »Maronenbaum«. Es gilt, die zahlreich wild wachsenden von den großfruchtigen, gepfropften Kultursorten zu trennen. Die Bestände an Edelkastanien in Deutschland sind mehrheitlich auf den Südwesten verteilt. Als »Baum des Südens« wachsen Esskastanien im gesamten Mittelmeerraum, in Südeuropa und auf dem Balkan sowie in Bergwäldern Nordgriechenlands.

Auf der Alpensüdseite, der Schweiz und in Österreich sind gezielt Anpflanzungen vorhanden; ausgedehnte Kastanienbestände befinden sich über Italien (Südtirol) und den Südwesten Frankreichs verteilt. Bereits in Überlieferungen der Antike werden Esskastanien als beliebte Nahrungsquelle erwähnt. Andere Kastanienarten aus der Familie der Buchengewächse (Fagaceae) kamen im Gegensatz zur Esskastanie [i](Castanea sativa)[/i] erst im 15. Jahrhundert aus Vorderasien über den Balkan nach Mitteleuropa.

Drogengewinnung

W81 Volksheilkunde 1Zoombild vorhanden

Abb. 1: Blätter der Edelkastanie (Foto: O. Kipfer)

Die neuzeitliche europäische Volksheilkunde verfügt sowohl über ein umfangreiches und gut belegtes Erfahrungspotenzial als auch über heilkundliche Erkenntnisse zur Anwendbarkeit phytotherapeutisch wirksamer Inhaltstoffe der Früchte und Blätter der Gattung Castanea. Mehrheitlich kommen Esskastanien im südlichen Mitteleuropa sowohl in der naturheilkundlichen Medizin als auch komplementär als hochwertige Nahrungs- und /oder Genussmittel zum Einsatz. Die Volksheilkunde ist geprägt von vielschichtigem Erfahrungswissen zur qualifizierten Drogengewinnung und Zubereitungen aus Kastanienblättern und Samen / Früchten der Esskastanien.

Im Gegensatz zu anderen heimischen Kastanienarten wie die Vertreter der Gattung [i]Aesculus hippocastanum[/i] L. beginnt die erste jährliche Blüte und Fruchtbildung der Edelkastanien durchschnittlich erst im Alter von 25 bis 30 Jahren; in geschlossenen Beständen oft sogar bei konstantem Wachstum noch später. Zur Drogenaufbereitung werden neben den im Frühherbst geernteten Kastanienblättern (Folia Castaneae) die reifen Samenkugeln der ausgewachsenen, laubabwerfenden Spenderbäume gesammelt. Diese Samen enthalten ein bis vier kugelige Nussfrüchte, die Maronen.

Die dunkelbraunen, essbaren Maronen sind in die dichte, weichstachelige Cupula eingeschlossen. Die stacheligen Fruchtbecher sind von einem braunen Perikarp und einer wollig behaarten Samenschale umschlossen. Gleichzeitig mit der Frucht wächst der sogenannte: »Kastanien-Igel«, in dem die Samen heranreifen. Die Außenhaut ist von zahlreichen spitzen Stacheln besetzt; im fortgeschrittenen Reifezustand öffnet sich diese in vier Teilabschnitte.

Die bis zu 20 cm langen Blätter der Esskastanie sind kurzstielig, schmal und am Ende spitz; der Rand ist mit zahlreichen, kleinen Fortsätzen versehen. Die Blattoberseite ist behaart und dunkelgrün. Die Sammelzeit der ausgewachsenen Blätter findet im Spätsommer (September bis Oktober) statt. Bis zur Verwendung der wirkstoffhaltigen Blätter und Rindenstreifen werden diese unter Anwendung künstlicher Wärmeeinwirkung getrocknet.

Heilkundliche Bedeutung

Aufplatzender Fruchtbecher der Edelkastanie. Die Früchte sind sichtbar.Zoombild vorhanden

Abb. 2: Fruchtbecher der Edelkastanie (Foto: O. Kipfer)

Im südlichen Europa, im Mittelmeerraum, vorwiegend in Italien, Frankreich, Spanien und Portugal sowie in einigen Balkanstaaten werden größere Einheiten an Kastanienblättern und Früchten aus kultivierten, gepflegten Beständen für Unternehmen sowohl der pharmazeutischen Industrie als auch der konservierenden Nahrungsmittelindustrie bereitgestellt. Getrocknete Esskastanienblätter zeichnen sich durch einen hohen Anteil (6 – 9 %) an Gerbstoffen (Gallussäure, Ellagitanine) aus.

Weiterhin sind getrocknete Blätter reich an Pektin, Inosit, Flavonylglykoside, Rutin, Qercitrin sowie Myricetin. Insbesondere für die Heilmittelherstellung sind Kastanienblätter eine stabile und günstige Bezugsquelle zur Extraktion pflanzlicher Fette, Harze sowie Kohlenhydrate. Bestimmte pharmazeutische Zubereitungen werden unter Einsatz von Extrakten aus den Blättern der Esskastanien hergestellt. In der traditionellen Medizin sind nach heutigen Erfahrungswerten bei Erkrankungen der Atemwege, wie u. a. Keuchhusten, Katarrh und Bronchitis bei therapeutischer Dosis keine unerwünschten Wirkungen zu erwarten.

Die reifen Samen (Maronen) der Edelkastanien enthalten ca. 50 % Stärke und ca. 20 – 30 % Saccharose, 6 % Proteine sowie 3 % Gerbstoffe; Maronenmehl gilt als wirksames, sättigendes, allergiefreies Nahrungsmittel mit mehlig, süßlichem Geschmack.

In der Homöopathie werden unterschiedliche Tees aus frischen Esskastanienblättern als hustenstillendes, antiseptisch wirksames Therapiemittel, insbesondere in der Kinderheilkunde, bei Krampf- und Keuchhusten verabreicht.

Literatur

  • Berger, M. (2003): Von der Heilkraft der Bäume, Grohe Verlag GmbH, Saarbrücken, S. 61–68
  • Ennet, D.; Reuter, H. D. (2004): Lexikon der Heilpflanzen 3. Aufl. Nikol. Verlag, Hippokrates Verlag, S. 108–109
  • Hager, H. et al. (1994): Hagers Enzyklopädie der Arzneistoffe und Drogen, 6. Auflage, 2007, Bd. 13, Stuttgart, S. 946–947
  • Jänicke, C.; Grünwald, J.; Brendler, T. (2003): Handbuch der Phytotherapie 1, Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart S. 141 ff.
  • Schütt, P.; Schuck, J.; Stimm, B. (2007): Lexikon der Baum- und Straucharten, NIKOL Verlag, Lizenzausgabe 2007

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Autor

  • Norbert Lagoni