Peter Hagemann
Wilde Katzen im Frankenwald – LWF aktuell 113

Monitoring bestätigt Rückkehr der Europäischen Wildkatze

Erst seit wenigen Jahren ist die Rückkehr der Europäischen Wildkatze in den Frankenwald zweifelsfrei nachgewiesen. Aus dem Gebiet des Forstbetriebs Rothenkirchen der Bayerischen Staatsforsten lagen bis 2013 einzelne genetische Untersuchungen verunfallter Exemplare sowie verlässliche Sichtungen von Forstleuten und Jägern jedoch ohne systematische zeitliche und örtliche Dokumentation vor. Im Rahmen eines einfachen Monitorings wurde deshalb in den Jahren 2014 und 2015 ein Wildkatzenhabitat nahe der Ködeltalsperre genauer beobachtet.

Zwei graue Katzen (eine groß, ein Junges) sitzen zwischen FichtenzweigenZoombild vorhanden

Abb.1: Sie fühlen sich sichtlich wohl im Frankenwald. (Foto: X. Klaussner, fotolia.de)

Der Frankenwald war in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten Schauplatz tiefgreifender forstlicher Veränderungen. Wohl kein anderes bayerisches Mittelgebirge wandelte so rasch sein Gesicht.

Forstlich besonders relevant sind im Frankenwald die historisch bedingte Dominanz der Fichte und die überwiegend flachgründigen Schieferstandorte mit sehr geringer Wasserhaltekraft – in Kombination die Ursache für den hier beschleunigten Ablauf der bekannten Dynamik aus Sommertrockenheit, Borkenkäfer- und Sturmschäden als Folge des Klimawandels. Gleichzeitig wurde in allen Waldbesitzarten der Waldumbau hin zu klimastabileren Bestockungen vorangetrieben.

Weiter nicht zu unterschätzen für das neue Erscheinungsbild der Waldregion ist auch die konsequente Umsetzung der Regionalen Naturschutzkonzepte im Staatswald, der im Frankenwald einen Besitzanteil von über 40 % ausmacht. Diese Entwicklungen führten innerhalb weniger Jahre zu:
  • deutlicher Verschiebung der Baumartenzusammensetzung
  • großer Anzahl an Freiflächen mit mischungsreichen Jungwüchsen
  • zahlreichen neuen Strukturen durch systematische Vorausverjüngung von Tannen und Buchen
  • deutlich höheren Anteilen an Totholz, Biotopbäumen, Altholzinseln
  • großer Anzahl naturnaher, extensiv genutzter Wald- und Offenlandbiotope

Einige dieser Faktoren oder auch deren Kombination sind sicher die Grundlage dafür, dass sich Anzahl und Situation bestimmter Lebensgemeinschaften im Frankenwald deutlich positiv verändert haben. Die wohl repräsentativsten »Aushängeschilder « für diese Entwicklung sind der Schwarzstorch und die Wildkatze, die sich zunehmend wohler im Frankenwald fühlen.

Den Wildkatzen auf der Spur

In den fünf Frankenwaldrevieren des Forstbetriebs Rothenkirchen wurde im Jahr 2014 mit Hilfe Baldrian-getränkter Lockstäbe versucht, Haarproben für genetische Nachweise der Wildkatze zu gewinnen. Aus wirtschaftlichen Gründen wurde dafür kein Rasterverfahren gewählt, sondern nur Lockstäbe gezielt an Orten gesetzt, wo bereits früher mutmaßliche Exemplare gesehen oder im Schnee gespürt worden waren. Da diese Stellen ausnahmslos in größerer Entfernung zu Wohnbebauung oder öffentlichen Verkehrswegen lagen, wurden – anders als in den Revieren im südlich angrenzenden Obermaingebiet – in keinem einzigen Fall Haare von Hauskatzen gefunden.

Die Ausbringung der Stäbe und die Sicherung der Haarproben wurden nach der LWF-Anleitung »Wildkatzenmonitoring mittels Lockstöcken« (LWF 2011) vorgenommen. Die Auswertung der Proben erfolgte über die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) (Michael Friedrich) am Bayerischen Amt für forstliche Saat- und Pflanzenzucht (ASP) (Dr. Barbara Fussi).

Das Untersuchungsgebiet

Buchenwald mit stehendem TotholzZoombild vorhanden

Abb.2: Wildkatzenhabitat "Mäusebeutel": Alte, strukturreiche Mischwälder mit Totholz als ideale Lebensräume für Wildkatzen. (Foto: P. Hagemann)

Nur in den südlich gelegenen Forstrevieren Ködel und Wilhelmsthal gab es im Jahr 2014 positive Wildkatzennachweise. Zusammen mit den im Jahr davor begonnenen Fotofallenauswertungen zeigte sich ein deutlicher Schwerpunkt von Katzenbesuchen an zwei Standorten ein bzw. zwei Kilometer nordwestlich der Ködeltalsperre im Revier Ködel. Hier und ab 2015 an einem zweiten nahen Standort wurde das weitere Monitoring konzentriert.

Die Monitoring-Standorte »Dörrleite« (560 m ü. NN) und »Buchenkanzel« (540 m ü.NN) liegen im Abstand von 1.300 m innerhalb eines 150 ha großen, sehr strukturreichen Jungwuchs/Dickungskomplexes auf früheren Käfer- bzw. »Kyrill«- Freiflächen. Die Jungbestände aus Fichte, Buche, Birke, Vogelbeere, Lärche und Douglasie werden teilweise von Überhältern und Altholzinseln aus Buche und Bergahorn beschirmt und waren zum Aufnahmezeitpunkt örtlich noch nicht geschlossen.

Zwischen beiden Standorten erstreckt sich ein besonders Laubholz- und totholzreicher Bestandesteil in zum Teil extrem steiler SW-Hanglage. Diese bildet den Taleinschnitt der »Tschirner Ködel«, einen der beiden Talsperrenzuflüsse. Westlich davon grenzt der 200 ha große Buchen-Altholzkomplex »Mäusbeutel « mit Edellaubholz, Fichte, Tanne, Lärche und Douglasie in Verzahnung mit älteren Fichtenbeständen an.

Dieses Gebiet ist Teil des FFH-Gebietes »Täler und Rodungsinseln im Frankenwald mit Geroldsgrüner Forst« und bildet mit seinem hohen Anteil an Totholz und Biotopbäumen und zahlreichen Bachtälchen ein besonders strukturreiches Stück Franken- wald (Abbildung 2). Der dritte Monitoringpunkt »Kerschenbamer Weg« (600 m ü. NN) liegt hier im Abstand von etwa 1.000 m zu den anderen Standorten in einer Randlage zwischen Buchen- und Fichtenaltholz.

Genetische Nachweise

Aus Kostengründen wurden die genetischen Untersuchungen auf Stichproben beschränkt, d.h. viele Wildkatzenbesuche an den Lockstäben wurden allein mit der Wildkamera dokumentiert. Gezielt wurden zwischen Februar 2014 und April 2015 an den drei Standorten 19 Haarproben gesammelt und ausgewertet. Dabei konnten 14 verschiedene Individuen nachgewiesen werden, davon sieben weibliche und sechs männliche Tiere. Einmal gelang kein Individualnachweis und einmal war eine Geschlechtsbestimmung nicht möglich.

Nur zwei weibliche und zwei männliche Tiere wurden doppelt nachgewiesen, dabei nur ein weibliches Individuum in beiden Kalenderjahren (Juli 2014 und April 2015). Alle anderen doppelten Nachweise lagen innerhalb eines jeweiligen Zeitraums von unter vier Wochen. Trotz der relativen Nähe der Probenpunkte zueinander kam es zu keinen Überschneidungen an den Standorten, d.h. keine Wildkatze besuchte mehrere Stäbe.

Diese Ergebnisse lassen keine gesicherten Rückschlüsse auf die Ortstreue bzw. Territorialität der Wildkatzen zu. Wäre ihr Streifraum wirklich sehr begrenzt (unter einem Kilometer), hätte es mutmaßlich zu häufigeren Wiederholungsnachweisen am selben Lockstab über einen längeren Zeitraum kommen müssen. Würde es sich andererseits vor allem um »wandernde« Exemplare mit nur geringer Aufenthaltsdauer handeln, wäre der Besuch zumindest einer der anderen, relativ nahe gelegenen, Monitoringstellen wahrscheinlich gewesen. Auffällig bleibt insgesamt die große Anzahl verschiedener Tiere auf engem Raum.

Nachweise mit Fotofallen

Eine braune Katze reibt sich an einem Stab im WinterZoombild vorhanden

Abb.3: Ausgiebig und intensiv "parfümiert" sich die Wildkatze an einem mit Baldrian besprühten Lockstab ein. (Foto einer Wildkamera, P. Hagemann)

Bei sechs der genetisch untersuchten Wildkatzenbesuche gelang gleichzeitig ein Bilddokument mit den installierten Wildkameras. Dies waren die ersten »Doppelnachweise« von Wildkatzen im Frankenwald. Bei weiteren 26 Kontakten an den Monitoringstandorten in den Jahren 2014 und 2015 wurden Bildnachweise gesichert, ohne dass Haarproben gesammelt wurden. Insgesamt wurden bei 20 Terminen 186 Einzelbilder und bei weiteren zwölf Terminen 26 Kurzvideos (jeweils 30 Sekunden) ausgewertet. Dieses zwischen März 2014 und Dezember 2015 durchgeführte Fotofallen- Monitoring kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben:

Der Standort »Dörrleite« wurde nur im Jahr 2015 beobachtet und aufgrund technischer Defekte oder anderer Ursachen kam es an allen drei Lockstäben zu längeren Zeiträumen ohne Kameraüberwachung. Leider verfügen Wildkatzen nicht über sichtbare charakteristische Fellzeichnungen, die eine Identifizierung anhand von Fotomaterial (wie beispielsweise beim Luchs) ermöglichen.

Es gelang deshalb nicht, Wiederholungsbesuche einzelner Exemplare zweifelsfrei bildlich nachzuweisen. Bilderserien und Kurzvideos, die im Februar, März und Mai 2015 am Standort »Dörrleite« jeweils innerhalb von etwa zwei Wochen entstanden, lassen allerdings aufgrund von Aussehen und Verhalten der Tiere auf regelmäßige Besuche desselben Individuums schließen.

Auch die Geschlechtsbestimmung anhand äußerer Merkmale scheint nicht gesichert möglich zu sein. So entpuppte sich ein wegen seines prächtigen Schwanzes zunächst als »Kuder« angesprochenes Exemplar aufgrund genetischer Untersuchung eindeutig als »Kätzin«. Gleiches gilt für das Verhalten unmittelbar am Lockstab. Beide Geschlechter zeigen identisches »Einparfümieren« des gesamten Körpers mit Baldrianduft, indem zunächst der Kopf, dann die Hals- und Brustpartie und anschließend der Rücken ausgiebig am Stab gerieben werden.

Danach wird der Stab oft mit den Vorderpfoten umklammert, um unter Drehung um die eigene Längsachse den gesamten Körper mit dem Baldrian am Lockstab in Kontakt zu bringen (Abbildung 3). Anschließend wird – ebenfalls von beiden Geschlechtern – der Stab gerne noch »nach Katzenart« mit Urin benetzt. Zwei der im März 2015 am Standort »Dörrleite « automatisch gedrehten Kurzvideos mit diesem typischen Wildkatzenverhalten am Lockstab haben es inzwischen bei »YouTube« unter dem Titel »Wildkatze bei Tag« bzw. »Wildkatze bei Nacht« zur (vergleichsweise bescheidenen) Berühmtheit von zusammen 2.500 »Klicks« gebracht.

Jahreszeitlich ist eine Häufung von Lockstab-Besuchen eindeutig im Februar und März festzustellen, was mit der Ranzzeit der Wildkatze im Spätwinter zu tun haben dürfte. Nur zweimal gelang es, ein Wildkatzenpaar zu dokumentieren: Im Februar 2015 besuchte es im Abstand von sechs Tagen zweimal den Standort »Dörrleite« (Abbildung 4). Die Aktivität der Wildkatze scheint nicht an die Tages- oder Nachtzeit gebunden zu sein.

Über ein Drittel der fotografisch dokumentierten Besuche fanden bei Tageslicht statt. Die in den Monaten Februar und März festgestellte verstärkte Aktivität spielte sich überwiegend nachts ab. Insgesamt wurden tagsüber die Nachmittags- und frühen Abendstunden und bei Dunkelheit jeweils die zweite Nachthälfte eindeutig bevorzugt.

Im Frankenwald angekommen

Zwei Wildkatzen bei Nacht an einem StabZoombild vorhanden

Abb.4: Wildkatzenpaar in der Ranzzeit ( Foto einer Wildkamera, P. Hagemann)

Die Ergebnisse dieses einfachen Monitorings lassen auf die Anwesenheit einer größeren Wildkatzenpopulation im untersuchten Gebiet schließen. Allein die hohe Anzahl an verschiedenen Exemplaren bei begrenzter Stichprobenzahl lässt eine große »Dunkelziffer« an nicht erfassten Tieren vermuten. Das Fehlen überschneidender Nachweise an den nahe gelegenen Monitoringstandorten weist auf verhältnismäßig kleine Reviere hin. Erkennbare Jungtiere konnten anhand der Fotofallenergebnisse nicht identifiziert werden, was eventuell daran liegen könnte, dass der Lockstoff Baldrian für geschlechtsreife Katzen möglicherweise eine höhere Anziehungskraft hat.

Die sprichwörtliche »Heimlichkeit« der Wildkatze ist während der zwei Beobachtungsjahre ebenfalls bestätigt worden: Obwohl das untersuchte Gebiet während der Jagdzeiten relativ intensiv mit Einzel- und Sammelansitzen bejagt wurde, kam es in diesem Zeitraum nur zu zwei Wildkatzenbeobachtungen, jeweils in den frühen Abendstunden. Wenn keine Tiere gesehen werden, ist das also kein Beweis für die Abwesenheit der Wildkatze. Sicherer als Nachweis ist wohl das »Spüren« bei Schneelage. Dabei nimmt die Verwechslungsgefahr mit der Hauskatze – zumindest unter Mittelgebirgsbedingungen – mit zunehmender Ortsferne und gerade im Winter deutlich ab.

Aufgrund einzelner Sichtungen seit etwa 2010 und der inzwischen von 2013 bis 2016 vorliegenden Fotofallennachweise kann für das Untersuchungsgebiet von einer durchgehenden Besiedlung durch die Wildkatze ausgegangen werden. Sicher spielen hierbei die abwechslungsreichen Habitatstrukturen eine entscheidende Rolle. Im Frankenwald hat sie sich offenbar zunächst die strukturreichsten und ungestörtesten Staatswaldkomplexe in den unteren Höhenlagen als Lebensraum ausgesucht. Es bleibt abzuwarten, ob ihr von hier aus auch die Besiedlung der höheren und raueren Lagen und der Waldbestände mit aus forstlicher Sicht einförmigeren Bestandeszusammensetzungen gelingt. Die Forstleute im Frankenwald werden die Wildkatze weiter im Auge behalten.

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