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Alexander Rumpel
Prüfstein für den Zustand der Natur in Bayerns Wäldern – LWF aktuell 124

Der FFH-Bericht 2019: Erkenntnisse und Herausforderungen für den Waldnaturschutz

Im Herbst 2019 übermittelte die Bundesrepublik Deutschland den aktuellen nationalen FFH-Gesamtbericht an die Europäische Kommission. Somit liegt nun der vierte Bericht über die Erhaltungszustände der Lebensraumtypen und Arten der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie vor. Die zugrundeliegenden Bewertungsmerkmale wurden im Rahmen des länderübergreifenden FFH-Monitorings in den letzten Jahren erhoben und einer gemeinsamen Bewertung unterzogen.
Der bayerische Teilbeitrag zum FFH-Bericht wurde in gemeinsamer Verantwortung von Umweltverwaltung und Forstverwaltung erstellt.

Ulme mit BrettwurzelnZoombild vorhanden

Abb. 1: LRT »Hartholzaue«. (Foto: A. Rumpel, StMELF)

Die FFH-Richtlinie zählt zu den zentralen Instrumenten der europäischen Staatengemeinschaft, um das Ziel des gemeinsamen Erhalts der biologischen Vielfalt und des europäischen Naturerbes zu erreichen. Gemeinsam mit den Schutzgebieten der Vogelschutz-Richtlinie knüpft sie das europaweit zusammenhängende Netzwerk »Natura 2000«.

Dieses ökologische Gebietsnetzwerk stellt das größte Naturschutz-Projekt der Welt dar. Allein in Bayern umfasst es gut elf Prozent der Landesfläche und sorgt dafür, dass seltene oder besonders typische Landschaften, Lebensräume und deren tierische und pflanzliche Bewohner auch in Zukunft weiterhin in Bayern beheimatet sind (Abbildung 1).

Der günstige Erhaltungszustand als Referenz

Diese gemeinsame gesellschaftliche Aufgabe gilt dann als gewährleistet, wenn der sogenannte günstige Erhaltungszustand der europäisch geschützten Arten und Lebensraumtypen langfristig gesichert ist. Der günstige Erhaltungszustand eines Schutzgutes von gemeinschaftlicher Bedeutung ist dann als gesichert anzusehen, wenn dieses Schutzgut im Verbreitungsgebiet der jeweiligen biogeografischen Region des Mitgliedsstaates sowohl hinsichtlich des natürlichen Verbreitungsgebietes, der Populationsgröße oder der eingenommen Lebensraumtypen-Fläche, als auch der qualitativen (Habitat-)Ausprägung als langfristig gesichert gilt.

Stellung des FFH-Monitorings im Rahmen des FFH-Regimes

Karte von Bayern, jedoch lediglich mit Flüßen und Seen darauf, der Rest in Gelb markiertZoombild vorhanden

Abb. 2: Lage der kontinentalen und der alpinen biogeografischen Region im Bundesland Bayern (Grafik: LWF)

Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sind nach Artikel 17 der FFHRichtlinie verpflichtet, alle sechs Jahre, basierend auf den Beobachtungen und Erkenntnissen des laufenden FFH-Monitorings, einen Bericht zum Zustand der geschützten Lebensraumtypen sowie Tier- und Pflanzen und zum Stand der Umsetzung des Schutzgebietssystems der EU-Kommission vorzulegen.

Ende September 2019 ist die Bundesrepublik Deutschland dieser Pflicht nachgekommen und hat den vierten Nationalen Bericht für die sechsjährige Berichtsperiode 2013 bis 2018 der EU-Kommission vorgelegt. Zentraler Bestandteil des FFHBerichts – neben der Bilanzierung von Umsetzungsmaßnahmen und der Identifizierung von Handlungsbedarf – ist die monitoring- und datengestützte Aktualisierung der Erhaltungszustandsbewertung der durch die FFH-Richtlinie geschützten Arten und Lebensraumtypen.

Der Zustand der FFH-Schutzgüter wird im FFH-Bericht bezogen auf das gesamte Vorkommensgebiet einer Art oder eines Lebensraumyps bewertet – die Aussage bezieht sich damit auf das gesamte Verbreitungsgebiet und nicht nur auf die Fläche der FFH-Schutzgebietskulisse. Den räumlichen Bewertungsmaßstab stellen dabei die drei »biogeografischen Regionen « in Deutschland dar. Diese stellen großflächige europäische Regionen mit ähnlicher Naturraumausstattung dar. Dabei hat Bayern Anteil an der kontinentalen und an der alpinen biogeografischen Region; für letztere sogar den alleinigen nationalen Anteil (Abbildung 2).

Monitoring und Datenerhebung

Innerhalb der jeweiligen biogeografischen Region werden alle dort vorkommende Lebensraumtypen und Arten der Anhänge der FFH-Richtlinie bewertet. In Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) und den für Naturschutz zuständigen Länderfachbehörden wurde für die Lebensraumtypen nach Anhang I und die Arten der Anhänge II und IV ein einheitliches stichprobenbasiertes Lebensraumtyp- und Artenmonitoring entwickelt und angewendet. Einzelne besonders seltene oder räumlich isoliert vorkommende Schutzgüter werden auch über einen Totalzensus vollständig erhoben. Arten des Anhang V werden über Experteneinschätzungen bewertet.

Als bundesweite Besonderheit ist die gemeinsame Facharbeit der beiden Landesfachbehörden in Bayern anzusehen. Für Offenlandschutzgüter ist das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) zuständig, für Waldschutzgüter die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF). Die Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) und die zurzeit entstehenden Fachstellen Waldnaturschutz unterstützen die Arbeiten der LWF im Bereich des Arten- und Lebensraummonitorings.

Zusätzlich zu den von den Landesfachbehörden erhobenen Daten (Verbreitungsdaten, Monitoring) werden für den FFHBericht auch weitere naturschutzfachliche Informationssysteme systematisch ausgewertet (Art-Datenbanken, Biotopkartierung). Daneben liefert die Bundeswaldinventur (BWI), in deren Rahmen seit der BWI 2012 auch Parameter für das FFH-Monitoring erhoben werden, weitere wertvolle Daten für den Zustand der häufigen Wald-Lebensraumtypen. Aufbauend auf diese Länder- und Inventurangaben wird auf Bundesebene der nationale Berichtsentwurf ausgearbeitet, der anschließend auf Bewertungskonferenzen unter Beteiligung von LfU und LWF für die einzelnen biogeografischen Regionen einvernehmlich finalisiert wird.
Tabelle 1: Übersicht der Kategorien der Anhänge zur FFH-Richtlinie und die korrespondierenden Bewertungsparameter
ParameterArten der Anhänge
II und IV
LRT nach
Anhang I
Natürliches VerbreitungsgebietXX
PopulationX 
Habitat der ArtX 
Fläche des LRT X
Spezifische Strukturen und Funktionen inkl. der charakteristischen Arten des LRT X
ZukunftsaussichtenXX

Welche Schutzgüter werden bewertet

In die Bewertung des Gesamt-Erhaltungszustandes der Lebensraumtypen (LRT) und Arten fließen verschiedene Parameter ein (Tabelle 1). Der aus diesen Bewertungsparametern abgeleitete (Gesamt-)Erhaltungszustand wird in vier Kategorien angegeben:
  • günstig (grün/FV)
  • ungünstig-unzureichend (gelb/U1)
  • ungünstig-schlecht (rot/U2)
  • unbekannt (grau/XX)
Die folgende Darstellung der Berichtergebnisse bezieht sich jeweils auf den bayerischen Teilbeitrag zum Nationalen Bericht. Anzumerken ist, dass im Nationalen Bericht die Ergebnisse einzelfallweise anders ausfallen können als im bayerischen Teilbeitrag, da der bayerische Anteil am Vorkommen des jeweiligen Schutzgutes entweder sehr gering oder sehr bedeutend ist und der Zustand der Schutzgüter in den einzelnen Bundesländern durchaus variieren kann.

Die Wald-Lebensraumtypen in Bayern

Balkendiagramm mit vier Blaken, jeweils zwei sind eher rot/gelb, die anderen beiden grünZoombild vorhanden

Abb. 3: Vergleich der Erhaltungszustände der Wald-Lebensraumtypen in Bayern für die zurückliegende (2013) und die aktuelle (2019) Berichtsperiode (Grafik: LWF)

Im Bayern kommen insgesamt 16 Wald- Lebensraumtypen (Wald-LRT) vor. In der flächenmäßig deutlich größeren kontinentalen biogeografischen Region sind es 14 Wald-Lebensraumtypen, in der alpinen biogeografischen Region zehn, darunter auch so besonders charakteristische Wald-Ökosysteme wie die Lärchen- Zirbenwälder (LRT 9420). Auffällig ist der Unterschied der Erhaltungszustände zwischen den beiden biogeografischen Regionen (Abbildung 3 und Tabelle 2).

Während in der alpinen biogeografischen Region für alle Wald-Lebensraumtypen in Bayern ein günstiger (Gesamt-)Erhaltungszustand ermittelt werden konnte, befinden sich in der kontinentalen Region nur gut ein Drittel der Wald-Lebensraumtypen in einem günstigen Erhaltungszustand.

Für die übrigen Wald-Lebensraumtypen abseits des Alpenraums ist das anzustrebende Ziel des günstigen Erhaltungszustands somit noch nicht erreicht. In einem günstigen Erhaltungszustand befinden sich alle buchendominierten Lebensraumtypen, insbesondere die natürlicherweise häufig und großflächig vorkommenden Waldmeister- und Hainsimsen- Buchenwälder des Hügel- und Berglandes.

Für die Eichenwälder, die gewässerbegleitenden Auwaldgesellschaften und die Moorwälder musste weiterhin ein ungünstig-unzureichender Erhaltungszustand festgestellt werden. In einem besonders ungünstigen (ungünstig- schlecht/U2) Erhaltungszustand befinden sich die beiden, nur noch in Restkulissen vorkommenden, nährstofflimitierten Kiefernwaldgesellschaften (LRT 91T0 und LRT 91U0).
Abbildung 4: Gesamtbewertung des Erhaltungszustandes der in Bayern vorkommenden Wald-Lebensraumtypen

Tabelle mit zehn Spalten und sechszehn Zeilen. Sie wird von links nach rechts gelesen. Der größte Teil der Lebensraumtypen hat einen günstigen Erhaltungszustand, ca. ein Drittel einen unzureichenden und sechs einen schlechten Erhaltungszustand.

Legende siehe Abbildung 3
Abb. 4: Gesamtbewertung des Erhaltungszustandes der in Bayern vorkommenden Wald-Lebensraumtypen gemäß Anhang I der FFH-Richtlinie
In der alpinen biogeografischen Region stellt sich die Gesamtsituation wesentlich besser dar. Hier ist das Ziel der FFH-Richtlinie, den günstigen Erhaltungszustand zu bewahren oder wiederherzustellen, für alle bayerischen Wald- Lebensraumtypen bereits erreicht. Für den im Jahr 2017 neu in die LRT-Referenzliste für Deutschland aufgenommenen Wald-LRT »Montane und subalpine Pinus uncinata-Wälder« (LRT 9430) liegen für den aktuellen Berichtszeitraum noch keine verlässlichen Bewertungsergebnisse vor.

Im Vergleich zwischen den beiden Berichtsjahren 2013 und 2019 sind im Hinblick auf die LRT-Erhaltungszustände – abgesehen von der Neuaufnahme des LRT 9430 – keine relevanten Veränderungen zu erkennen.

Als Hauptursachen für die noch nicht erreichten günstigen Erhaltungszustände in der kontinentalen biogeografischen Region sind überwiegend Gründe zu nennen, die von der Waldbewirtschaftung nicht oder nur in sehr geringem Maße beeinflusst werden können. Hierzu zählen beispielsweise Belastungen durch Nährstoffeinträge (insb. atmosphärische Stickstofffrachten), Lebensraumdegradierungen durch Grundwasserabsenkungen oder sonstige Störungen des Wasserhaushaltes, Fragmentierungen von Waldbeständen oder auch regional zu hohe Wildbestände, die langfristig zu einer Entmischung der lebensraumtypischen Hauptbaumarten führen können, wie dies gegenwärtig bereits in den Eichen- Hainbuchen-Wäldern oder den Bergmischwäldern zu erkennen ist.

Festzustellen ist aber auch, dass gerade die große Flächen Bayerns prägenden Wald-LRT in der kontinentalen Region überwiegend günstige Erhaltungszustände aufweisen, während Lebensraumtypen mit ungünstigen Erhaltungszuständen vielfach nur bandartig- oder kleinflächig auf Sonderstandorten stocken (azonalen Waldgesellschaften). Flächenproportional betrachtet fällt der Gesamtzustand der bayerischen Wälder somit bei Weitem günstiger aus, als dies ein flüchtiger Blick auf Tabelle 2 vermuten lässt.
Jedoch ist auch festzustellen, dass zumindest in einzelnen Regionen Bayerns auch forstwirtschaftlich beeinflussbare Größen oder Auswirkungen zurückliegender Bewirtschaftungsweisen mit verantwortlich für noch nicht erreichte günstige Erhaltungszustände sein können.

So sind Defizite für einzelne Schutzgüter oder Naturräume auch durch historische Nutzungen bedingt. Die gilt insbesondere für die Salinenwirtschaft der Chiemgauer und Berchtesgadener Alpen, aber auch durch den großflächigen Bestockungswandeln zugunsten von Fichte und Kiefer in den zurückliegenden beiden Jahrhunderten.

Verantwortlich für noch nicht erreichte günstige Erhaltungszustände kann fallweise auch durch zu geringe Anteile an liegendem oder stehendem Laubholz- Totholz, der mangelnden oder räumlich zu wenig vernetzenden Ausstattung an Biotopbäumen oder Altholzinseln, der Aufgabe traditioneller Nutzungsarten (z. B. Mittelwaldwirtschaft in Eichen- LRT oder Niederwald-Bewirtschaftung in der Grauerlen-Weichholzaue) oder der flächigen Einbringung von nicht lebensraumtypischen Baumarten in besonders wertgebende Lebensraumtypenflächen begründet sein.

Daneben liegt der Anteil an alten Wäldern (> 160 Jahren) in Bayern inklusive des Alpenraums laut aktueller BWI bei nur rund 3,7 %. Auch wenn Schlüsselkomponenten für die Erhaltung der biologischen Vielfalt in Wäldern, wie Totholz und Biotopbäume, dieses weitgehende Fehlen von spätsukzessionalen Entwicklungsphasen im Rahmen multifunktionaler, naturnaher Bewirtschaftungssysteme in der Regel ausreichend kompensieren können, sollte zukünftig diesem Merkmal im Rahmen der Waldbewirtschaftung – insbesondere im Netzwerk Natura 2000 – noch mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Die Wald-Arten in Bayern

Balkendiagramm mit vier Blaken, jeweils zwei sind eher rot/gelb, die anderen beiden eher gelb/grünZoombild vorhanden

Abb. 5: Vergleich der Erhaltungszustände der Wald-Arten in Bayern für die aktuelle und zurückliegende Berichtsperiode (Grafik: LWF)

Bei den bayerischen Wald-Arten der Anhänge II, IV und V der FFH-Richtlinie bietet sich – auch aufgrund der höheren Anzahl – ein deutlich vielschichtigeres und weniger homogenes Gesamtbild. Zusammengenommen kommen in Bayern 29 Waldarten im strengeren Sinne vor, für die das Monitoring von der Forstverwaltung verantwortet wird. In der alpinen biogeografischen Region sind davon 21 Tier- und Pflanzenarten beheimatet, in der kontinentalen Region sind es ebenfalls 21 Art-Schutzgüter (Tabellen 2 & 3 sowie Abbildung 4).
Untersucht und berichtet wird über so verschiedene taxonomische Artengruppen wie Säugetiere, Amphibien, Insekten sowie die Gruppe der Blütenpflanzen und Kryptogamen (Farne, Moose). Darunter finden sich sowohl so bekannte und charakteristische Arten wie der besonders attraktive Alpenbock (Rosalia alpina), für den Bayern eine besondere Schutzverantwortung besitzt, als auch so seltene und hochspezialisierte PopulatiArten mit sehr kleinem, teils sogar disjunkten Arealen wie das beim Kärntner Spatenmoos (Scapania carinthiaca) der Fall ist.

Die bereits bei den Wald-Lebensraumtypen festzustellende Abhängigkeit der Ausprägung der Erhaltungszustände in Abhängigkeit von den Vorkommen in einer der beiden biogeografischen Regionen, ist auch bei den Art-Schutzgütern festzustellen. Jedoch tritt dieses Merkmal bei dieser Gruppe deutlich weniger ausgeprägt und systematisch auf.

Auch im direkten Vergleich der beiden Berichtsperioden sind, anders als bei den Wald-LRT, Veränderungen festzustellen. So haben in der alpinen Region die Arten, für die ein günstiger Erhaltungszustand attestiert werden konnte, zugenommen. In der kontinentalen Region hat insbesondere die Gruppe der U1-Arten auffällig zugenommen. Dieser Anstieg bei den Arten mit ungünstig-unzureichendem Erhaltungszustand beruht jedoch weitgehend nicht auf tatsächlichen Verschlechterungen in der zurückliegenden Berichtsperiode, sondern auf erstmaligen Angaben zum Erhaltungszustand.

Die Datengrundlage zu diesen Schutzgütern konnte innerhalb der letzten sechs Jahre gezielt verbessert werden. So hat auch der von der Forstverwaltung in Zusammenarbeit mit vielen anderen Institutionen und Verbänden initiierte Aktionsplan zur Förderung der Wildkatze einerseits eine deutlich verbesserte Kenntnis über Vorkommen und Verbreitung geschaffen. Daneben hat sich auch das Bewusstsein über die Lebensraumansprüche dieser europäischen Wildkatze stetig verbessert, so dass sich insgesamt die Population stabilisieren konnte.
Abb. 6: Gesamtbewertung des Erhaltungszustandes der in Bayern vorkommenden Wald-Arten

Tabelle mit zehn Spalten und dreiunddreißig Zeilen. Sie wird von links nach rechts gelesen. Die Hälfte aller Lebensraumtypen hat einen günstigen Erhaltungszustand, ca. ein Drittel einen unzureichenden und sieben einen schlechten Erhaltungszustand.

Legende siehe Abbildung 3
Abb. 6: Gesamtbewertung des Erhaltungszustandes der in Bayern vorkommenden Wald-Arten gemäß Anhang II, IV und V der FFH-Richtlinie
Bei einer genaueren artengruppenspezifischen Betrachtung fällt auf, dass innerhalb der kontinentalen biogeografischen Region insbesondere die Insekten sowie die Gruppe der Farn- und Blütenpflanzen sowie der Moose einen überdurchschnittlich hohen Anteil an ungünstig-unzureichenden und ungünstig-schlechten Erhaltungszuständen aufweisen.

Bei der Artengruppe der Insekten sind die Gründe für die ungünstigen Erhaltungszustände hauptsächlich in der eingeschränkten Habitatqualität und -vernetzung zu suchen. Der Hochmoor- Laufkäfer besitzt seinen natürlichen Lebensraum in naturnahen und vernetzen Hoch- und Übergangsmooren. Dieser Lebensraum ist vielfach stark anthropogen verändert und gegenüber seiner ursprünglichen Fläche stark dezimiert und fragmentiert.

Heldbock und Eremit sind als »Urwaldreliktarten« und Strukturspezialisten insbesondere auf Habitatrequisiten überdurchschnittlich alter Wälder und deren Habitatkontinuität angewiesen. So ist der Eremit nur noch kleinräumig und in weitgehend isolierten Einzelvorkommen nachzuweisen. Selbst kleinräumige Verluste aktueller oder potenzieller Brutbäume können somit unmittelbar zum Verlust einer lokalen Population führen.

Der Alpenbock bevorzugt besonnte, trockene Waldstandorte mit ausreichenden Totholzmengen. Der Zuwachs an Nachweisen für diese attraktive Art lässt sich einerseits auf gezielte Kartierungen zurückführen. Daneben haben aber auch die erhöhte Sensibilität bei der Waldnutzung zu einer Abnahme von Verlusten durch die unbeabsichtigte Fallenwirkung besonnt gelagerter Laubholzpolter geführt.

Baumbewohnende Moosarten wie das Kobold- und das Besenmoos wiederum reagieren sehr empfindlich auf zu starke Auflichtungen und damit einhergehende Veränderungen des Waldinnenklimas.

Die vorwiegend semiterrestrisch bzw. amphibisch lebende Artengruppe der Amphibien verbringt große Teile ihres Entwicklungszyklus im Wasser und ist daher in hohem Maße auf besondere Komplexlebensräume als Reproduktionshabitate angewiesen. Entwässerungen und Verfüllungen von Laichgewässern, aber auch Eutrophierung und Zerschneidung der Lebensräume sind – neben regional teilweise ebenfalls stark isolierten Populationen – Ursache für die wesentlichen Beeinträchtigungen.

Bei der Artengruppe der Säugetiere überwiegt der Anteil von Arten mit günstigem Erhaltungszustand. Gründe hierfür sind unter anderem die Anpassungsfähigkeiten der Arten und die vielfach vergleichsweise geringeren Ansprüche an die Qualität ihrer Lebensräume. Die beiden Wald- Fledermausarten Bechsteinfledermaus und Kleiner Abendsegler wurden hauptsächlich aufgrund eingeschränkter Habitatausstattung mit ungünstig-unzureichendem Erhaltungszustand bewertet. Beeinträchtigungen in der Lebensraumqualität ergeben sich unter anderem aus Mangel an Höhlen- oder Spaltenquartierbäumen, Habitatfragmentierung, dem Schwund von Jagdgebieten in der (halb-) offenen Kulturlandschaft oder aber auch Verluste an Windkraftanlagen.

Bewertung der Ergebnisse

Alles in allem zeigt sich im direkten Vergleich zwischen den beiden zurückliegenden Berichtsperioden eine nur graduell veränderte Gesamtsituation für den Zustand der Schutzgüter von gemeinschaftlicher Bedeutung in den Wäldern Bayerns.
  1. Für einen immer noch hohen Anteil an Lebensraumtypen und Arten, insbesondere in der flächenmäßig bedeutsameren kontinentalen Region ist das Ziel der Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes noch nicht erreicht. Für einzelne besonders vulnerable Schutzgüter (z. B. Flechten-Kiefernwälder) ist eine Trendwende auch nicht absehbar.
  2. Die notwendigen Erhaltungsmaßnahmen, die im Rahmen der Managementplanung für die bayerischen Natura 2000-Gebiete festgelegt worden sind, können bisher noch nicht für alle Wald-Schutzgüter in gleicher Art und Weise umgesetzt werden. Auch wenn die Gründe hierfür vielfältig sind (Anpassungsbedarf bei staatlichen Förderprogrammen, noch nicht abgeschlossene Managementpläne für 15 % der walddominierten Gebiete, Misstrauen oder mangelnde Wertschätzung von Seiten der Gesellschaft und damit einhergehende verringerte Umsetzungsbereitschaft bei einzelnen Waldbesitzergruppen) müssen die Anstrengungen, auch unter Berücksichtigung der veränderten gesellschaftlichen Erwartungen, nochmals verstärkt werden.
  3. Vielfach sind die Ursachen für besonders relevante Beeinträchtigungen jedoch in hohem Maße auf übergeordneter Ebene zu lokalisieren (Nährstoffeinträge, Zerschneidung und Fragmentierung durch Infrastruktur- und Siedlungsflächen, Wasserhaushalt). Damit entziehen sich diese einem unmittelbaren Management vor Ort.
  4. Für zahlreiche Art-Schutzgüter sind insbesondere intakte, kontinuierlich und ausreichend vorhandene und vernetze Habitatrequisiten und -strukturen von essenzieller Bedeutung.
  5. Im Vergleich zur bundesweiten Situation fallen die Ergebnisse für Bayern jedoch besser aus. Dies gilt insbesondere für die zonalen Waldgesellschaften und für Arten, die auf großflächige, wenig zerschnittene Wälder angewiesen sind, wie sie im Spessart, Steigerwald, im ostbayerischen Raum und im Alpenraum noch vorkommen.
  6. Die langjährigen Bemühungen und Anstrengungen, die bayerischen Wälder naturnäher, vielfältiger und strukturreicher zu bekommen, zeigen sich besonders eindrücklich bei Buchenwaldgesellschaften, die auf großen und weiter zunehmenden Anteilen der Landesfläche vorkommen.

Konsequenzen: Es gibt noch viel zu tun!

Die vorliegenden Ergebnisse des FFHBerichts leisten einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen, auf Fakten beruhenden Umsetzung naturschutzfachlicher Ziele im Wald. Aus dem bayerischen Teilbeitrag zum Bericht lässt sich der Handlungsbedarf für die Umsetzung der FFHRichtlinie und die damit einhergehenden Prioritätenfestlegungen in Bayern weiter wie folgt konkretisieren:
  • Für alle in den bayerischen Wäldern vorkommenden Arten und Lebensraumtypen sind die gegenwärtigen Bemühungen vor dem Hintergrund des weitreichenden in der FFH-Richtlinie verankerten Vorsorgeprinzips und der daraus erwachsenden Verantwortung für die Forstverwaltung weiter aufrecht zu halten. Dies gilt für alle Schutzgüter – auch für solche, die sich gegenwärtig bereits in einem günstigen Erhaltungszustand befinden.
  • Für alle Schutzgüter, die sich noch nicht in einem günstigen Erhaltungszustand befinden, sind die sind genannten Anstrengungen weiter zu verstärken und zu verstetigen. Dabei sind die Prioritäten insbesondere auf solche Schutzgüter zu fokussieren, für die unter Berücksichtigung der äußeren Rahmenbedingungen im Rahmen des Managements vor Ort Verbesserungen erreicht werden können.
  • Erforderlich ist ein schutzgutangepasstes Management besonders bei kulturund pflegeabhängigen Schutzgütern, die durch menschliche Bewirtschaftungsweisen in der Vergangenheit starke Förderung erfahren haben und damit weit über ihr natürliches Vorkommen in Bayern verbreitet sind. Gerade diese »Kulturprodukte« prägen die identitätsstiftende bayerische Kulturlandschaft in hohem Maße.
  • Die Integration von Habitatrequisiten und -kontinuität, vielfältigen natürlichen und anthropogenen Standortbedingungen im Rahmen naturnaher Waldbewirtschaftungskonzepte und das Zulassen natürlicher Dynamik auf geeigneten Teilflächen sind als Schlüssel für das Erreichen der europäischen Biodiversitätsziele im Wald anzusehen.
  • Zentrale Schlüsselkomponenten im Rahmen dieses Ansatzes sind a) der Erhalt ausreichender Totholz- und Biotopbaumanteile, b) die Sicherung eines Netzwerks von Altholzbeständen mit hoher Habitatqualität für charakteristische und endemische Arten alter und besonders naturnaher Wälder, c) die Gewährleistung einer ausreichenden Vernetzung von Populationen, insbesondere seltener oder gefährdeter waldbewohnender Arten und Wald-Lebensräumen sowie d) der Erhalt von besonders spezialisierten Arten im Rahmen eines anpassten Habitat- und Biotopmanagements (z. B. Auerhühner).
Flusslauf mit Kehren und Windungen, dabei viel angewemmtes Holz und sandig-feuchtes TerrainZoombild vorhanden

Abb. 5: Die Weichholzaue zählt zu den Natura 2000 Wald-Lebensraumtypen. (Foto: B. Mittermeier)

Bei der Berücksichtigung der oben genannten Konsequenzen für den Waldnaturschutz in Bayern ist zu beachten, dass die Umsetzung nur dann gelingen kann, wenn dies – wie in der Präambel der FFH-Richtlinie auch hervorgehoben wird – neben der Erhaltung der biologischen Vielfalt auch die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und landeskulturellen Anforderungen angemessen und ausgewogen berücksichtigt werden.

Als Erfolgsfaktoren bei der gemeinsamen Umsetzung vor Ort mit allen Betroffenen und Beteiligten sind vor allem die zielgruppenspezifische Übersetzung der Anforderungen von Natura 2000, der praxisorientierte Wissenstransfer, die kontinuierliche Präsenz von glaubwürdigen und engagierten Vermittlern sowie die Würdigung und Wertschätzung vorhandenen Engagements für den Waldnaturschutz von Seiten der bayerischen Waldbesitzenden zu nennen.

Darüber hinaus erfordern auch die Herausforderungen des Klimawandels eine sachgerechte und auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse erfolgende Beschäftigung mit den Auswirkungen auf die formulierten Erhaltungsziele. Erkenntnisse und Empfehlungen aus der Vergangenheit sind auf ihre Umsetzbarkeit im transparenten und konstruktiven Dialog mit allen relevanten Stakeholdern zu prüfen und wo notwendig auch anzupassen.

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