Eine Gruppe von Kindern steht in einem Laubwald.

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Lena Friedmann, Anika Gaggermeier und Michael Suda
Wälder in der Therapie – LWF aktuell 121

Wie die Heilkraft der Wälder künftig an Kliniken zum Einsatz kommen könnte.

Inwieweit nutzen Rehabilitationskliniken und Vorsorgeeinrichtungen in Bayern den Wald bereits in der Therapie und wie wird sich die therapeutischen Nutzung des Waldes durch Kliniken in Zukunft entwickeln? Der Lehrstuhl für Wald- und Umweltpolitik der Technischen Universität München ist nun in einem Forschungsprojekt diesen Fragen nachgegangen.

Eine Frau balanciert auf einem Baumstumpf mit einem BeinZoombild vorhanden

Abb. 1: Wald tut gut. (Foto: WALDNESS®)

Die Heilkraft des Waldes fand in den letzten Jahren in den Medien starke Beachtung und setzte in vielen gesellschaftlichen Bereichen neue Impulse. Es entstanden zahlreiche Angebote in der Tourismus- und Gesundheitsbranche, die die positiven Effekte des Waldes auf die menschliche Gesundheit in Therapie und für das Marketing nutzen.

Zu Beginn des Projekts stand die Annahme, dass Rehakliniken und Vorsorgeeinrichtungen aufgrund langer Aufenthaltsdauern vielfältige Möglichkeiten haben, den Naturraum zu nutzen. Deshalb wurden diese zunächst beispielhaft für die Kliniklandschaft in Bayern untersucht. Liegt Wald in erreichbarer Nähe der Kliniken? Nutzen sie den umgebende Naturraum vielleicht schon in der Therapie? Gibt es Kliniken, die den Wald-Gesundheitstrend bereits bewusst aufgreifen?

Um diese Fragen zu beantworten, wurden drei Fallbeispiele in Süddeutschland identifiziert und die Projekte vor Ort analysiert. Dabei stellte sich heraus, dass neben Rehakliniken und Vorsorgeeinrichtungen auch Akutkliniken und Kurorte den Wald therapeutisch nutzen.

Analyse der Lage aller Reha- und Vorsorgeeinrichtungen in Bayern

Satellitenaufnahme einer Rehaklinik; hellgrün und in nächster Nähe sind Wälder eingefärbtZoombild vorhanden

Abb. 2: Luftbildaufnahme einer Rehaeinrichtung als Beispiel; die kürzeste Wegstrecke ist hier orange markiert. (Grafik: LWF)

In Bayern sind 337 Reha- und Vorsorgeeinrichtungen gelistet. Rehabilitationseinrichtungen (Rehakliniken) sorgen für die Wiederherstellung der Alltagstauglichkeit von Menschen nach einer Erkrankung oder Verletzung. Vorsorgeeinrichtungen haben zum Ziel, Verschlechterungen des Gesundheitszustands vorzubeugen. Im Rahmen des Forschungsprojekts wurde mit Hilfe von Geoinformationssystemen die Lage der Kliniken im Verhältnis zum Wald analysiert (Abbildung 2).

Dabei zeigte sich, dass etwa die Hälfte aller Reha- und Vorsorgeeinrichtungen in Bayern, also rund 170, weniger als 500 m Wegstrecke vom nächstgelegenen Wald entfernt liegt. Drei Viertel der Einrichtungen verfügen über mehr als neun Hektar Wald in einem Umkreis von einem Kilometer Luftlinie, die Hälfte über mehr als 38 Hektar und ein Viertel sogar über 77 Hektar. Das bedeutet, dass die räumlichen Grundvoraussetzungen für eine Nutzung des Waldes bei einem Großteil der Reha- und Vorsorgeeinrichtungen in Bayern gegeben sind.

Telefoninterviews mit Reha- und Vorsorgeeinrichtungen in Bayern

Um einen Einblick zu gewinnen, inwieweit diese Einrichtungen nahegelegene Wälder bereits nutzen, führten wir Telefonbefragungen mit 29 zufällig ausgewählten Reha- und Vorsorgeeinrichtungen durch, die weniger als 500 m Wegstrecke von einem Wald entfernt liegen und psychisch bedingte Krankheitsbilder behandeln.

Die Auswertung der Befragungsergebnisse ergab, dass die umgebende Natur bereits von den Kliniken zu Therapiezwecken genutzt wird. Viele Kliniken gaben auch an, Teile des Therapieangebots im nahegelegenen Wald durchzuführen. Die Aktivitäten im Freien reichen von Achtsamkeitsübungen über Bewegungstherapien bis hin zu unterschiedlichen Sportarten. Tabelle 1 gliedert diese Aktivitäten nach dem erforderlichen Flächenbedarf.

Der größte Anteil der durchgeführten Aktivitäten im Freien sind sportliche Maßnahmen mit einem größeren Bewegungsradius. Man kann annehmen, dass diese Aktivitäten überwiegend auf vorhandenen Wegen stattfinden. Einen nicht unwesentlichen Anteil (21 %) bilden psychotherapeutische Maßnahmen und Übungen im Bereich Körperwahrnehmung und Achtsamkeit. Diese Therapieformen gehen mit keiner oder langsamer Fortbewegung einher und benötigen ruhige Rückzugsorte für Einzelgespräche oder kleine freie Flächen für Gruppenübungen.

Der Wald wird bereits als Therapieort genutzt, jedoch spielt er in den überwiegenden Fällen im Vergleich zu anderen Naturräumen keine besondere Rolle; in einzelnen Fällen wird Wald in den Therapieprogrammen bereits gezielt eingesetzt. Es existieren bei den befragten Einrichtungen kaum Kooperationen zwischen den Waldeigentümern und Kliniken. Ein Großteil der befragten Kliniken stellt sich allerdings vor, künftig weitere Teile des Therapieangebots im Freien durchzuführen.
Tabelle 1: Gliederung der bereits draußen stattfindenden Therapiemaßnahmen nach ihrem Flächenbedarf und Bewegungsradius
KategorieBeispieleAnzahl der Nennungen
Kernzone (geringer Bewegungsradius und Durchführung im Wald möglich)Psychotherapeutische Maßnahmen (wie z.B. Einzelgespräche); Qi Gong; Yoga; Thai Chi; Kreativtherapie; Wahrnehmungsübungen; Atemtherapie; Gymnastik; Meditation; Barfußpfad; Achtsamkeitsübungen33 (20 %)
Angrenzende Flächen (größerer Bewegungsradius und auf Wegen im Wald möglich)Nordic Walking/Walking; Wandern und Bergsteigen; Joggen; Laufen; Spazieren gehen; Geh- und Lauftraining; Langlaufen; Radfahren; Reiten68 (41 %)
Bewegungsradius nicht eindeutig, aber Durchführung im Wald möglichPädagogische Angebote; Ergotherapie; ungenaue Angaben im Bereich Bewegung; Physiotherapie und Sport38 (23 %)
Nicht im Wald möglichWassersport; spielerische Sportarten; Klettern; Bogenschießen26 (16 %)

Interviews mit Vorreitern im Bereich der therapeutischen Nutzung von Wald

Wie könnte die gezielte Nutzung des Naturraums durch Kliniken, aber auch durch andere Akteure der Gesundheitsbranchen aussehen? Welche Chancen und Herausforderungen verbinden die beteiligten Akteure mit dem Thema »Wald und Gesundheit«?

Zur Beantwortung dieser Fragen wurden Anfang 2018 in Süddeutschland drei Vorreiter (Innovatoren) identifiziert, die sich intensiv mit der Nutzung von Wald zu Gesundheitszwecken auseinandersetzen. Es handelt sich dabei um einen Kurort und zwei Kliniken im Bereich psychischer Erkrankungen. Inzwischen greifen weitere Einrichtungen das Thema »Wald und Gesundheit« auf. Sie werden sich sehr wahrscheinlich an der Vorgehensweise der schon vorhandenen Vorreiter orientieren. Die Betrachtung dieser drei Vorreiter ermöglicht also einen Blick in die potenzielle Zukunft weiterer Standorte. Die identifizierten »Innovatoren« wurden persönlich besucht und alle Projektbeteiligten mit Hilfe von Leitfadeninterviews befragt.

Innovator 1: Die Psychiatrie im Wald

Eine Frau liegt auf einem moosigen SteinZoombild vorhanden

Abb. 3: Der Wald ist bestens geeignet für Übungen im Bereich Körperwahrnehmung und Achtsamkeit. (Foto: WALDNESS®)

Die Initiative für die therapeutische Nutzung des die Klinik umgebenden Waldes ging von einem der befragten Klinikmitarbeiter aus. Die Idee für eine Einbeziehung des Waldes wurde von außen an diese befragte Person herangetragen. Ein Studierender im Bereich Forst stellte die Anfrage, ob es möglich sei, eine Abschlussarbeit über den Stellenwert des Themas »Wald und Gesundheit« in der therapeutischen Arbeit der Klinik zu schreiben.

Die Arbeit kam zwar nicht zustande, aber auf den Impuls des Studierenden hin recherchierte der Befragte intensiv im Internet über das Thema Waldtherapie. Er vernetzte sich mit einem Verein, der sich mit dem Thema »Wald und Gesundheit« beschäftigt und Ausbildungsprogramme zur Waldtherapie anbietet, und beging mit einem Vertreter des Vereins die umliegenden Waldflächen. Der Wald wurde bei der Begehung als geeignet für Therapiezwecke befunden.

Durch den Kontakt zu dem Verein erfuhr die befragte Person auch von dem ersten internationalen Kongress »Gesundheitspotenzial Wald« 2017 im Seebad Heringsdorf. Die Teilnahme bestärkte sie dabei, den umliegenden Staatswald künftig therapeutisch zu nutzen. Der nächste Schritt war die Kontaktaufnahme zu Revierförstern sowie die Begehung der Waldflächen gemeinsam mit diesen.

Eine forstwirtschaftliche Nutzung des Waldes wurde von Seite der Klinik als Grundvoraussetzung für die Kooperation wahrgenommen. Die Holznutzung gehört zum Waldbild vor Ort dazu und es herrscht Vertrauen in den Forstbetrieb, dass die Bewirtschaftung auch weiterhin mit einer guten Waldpflege einhergeht. Darüber hinaus entspricht die Holznutzung der gesellschaftlichen Realität und soll vor den Patienten nicht verborgen werden.
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Zum Zeitpunkt des Interviews wartete die Klinik auf eine schriftliche Genehmigung von Seiten des Staatswaldes für die Gestaltung eines Waldstückes zur therapeutischen Nutzung. Es wurde ein neuer Mitarbeiter eingestellt, der für die Therapien im Wald zuständig ist. Zu Beginn der Kooperation zwischen Staatswald und Klinik soll die therapeutische Nutzung des Waldes auf einer Fläche von vier Hektar getestet werden. Auch ein schriftlicher Vertrag ist geplant. Der Forstbetrieb profitiert von dem Projekt durch einen Imagegewinn. Der Wald wird weiterhin forstwirtschaftlich genutzt werden und es soll dem Forstbetrieb kein Mehraufwand entstehen.

Schon früher halfen die Patienten in der Garten- und Arbeitstherapie bei der Pflege von Wanderwegen und Hütten im Wald. Die Arbeitskraft der Patienten, die oftmals jung und fit sind, kommt auch künftig im geplanten Therapiewald zum Einsatz: Zum einen als Unterstützung der Mitarbeiter des Forstbetriebs, zum Beispiel bei der Verkehrssicherung, zum anderen bei der Gestaltung des Therapiewaldes. Im Wald sind drei Rundwege geplant, einer davon soll für gerontopsychiatrische Patienten barrierefrei sein. Auch ein Barfußpfad und ein Sitzkreis für Gruppengespräche wird integriert werden. Sowohl die Physiotherapie als auch Psychotherapie könnte künftig draußen stattfinden. Das befragte psychologische Personal erwartet für die Patienten der forensischen Abteilung durch die Mitarbeit bei der Gestaltung des Waldes eine gesundheitliche Verbesserung.

Aus ihrer Sicht bietet der Wald seinen Besuchern im Vergleich zu offenen Landschaften das Gefühl von Sicherheit, das vor allem in einem hallenartigen Wald entsteht. Ein Mischwald wird von den Befragten als besonders ästhetisch bewertet. Die Patienten suchen schon jetzt von sich aus alte Bäume im Umkreis der Klinik auf, die sie besonders schön finden. Außerdem könnte das Spiel aus Licht und Schatten in einem sonnendurchschienenen Wald laut den befragten Psychologen eine Augenbewegung hervorrufen, die auch in der Traumatherapie eingesetzt wird.

Bisher kann die Klinik die Therapie im Wald nur über die Bewegungstherapie bei den Krankenkassen abrechnen. Die Befragten sehen besonders in der Pharmaindustrie einen Gegner im Kampf um die Kassenanerkennung von »Waldtherapien «. Sie vermuten, dass die Pharmakonzerne Therapieangebote im Wald ablehnen, da diese den Verbrauch von Medikamenten bei bestimmten Krankheitsbildern reduzieren könnten. Darüber hinaus müssen aus Sicht der Befragten neben den Krankenkassen auch die verschiedenen Akteure innerhalb der Klinik, wie die ärztliche Direktion, die Geschäftsleitung und das Controlling, für das Projekt gewonnen werden.

Alle Pfleger und Therapeuten sollten hinter dem Projekt stehen, damit der Therapiewald letztendlich auch genutzt wird. Eine Motivation zur Projektumsetzung ist für die Befragten der potenzielle Gewinn für die Patienten, die mit dem Wald nicht nur eine bessere Therapie genießen, sondern ihre Therapie später auch zu Hause im nahegelegenen Wald fortführen können. Dieser Transfereffekt ermöglicht vor allem in waldreichen Teilen Deutschlands eine nachhaltigere Wirkung der Therapie. Die Befragten erwarten, dass sich die Nutzung von Wald an den Kliniken weiter verbreiten wird, da die Entfremdung von der natürlichen Umwelt krank macht und ein bewusster Kontakt mit der Natur immer wichtiger wird.

Das langfristige Ziel des Projekts ist die Erweiterung der therapeutisch genutzten Waldfläche und die Gestaltung als Attraktion für die Öffentlichkeit. Die freizeitliche Nutzung des Waldstückes durch Besucher und andere Personen außerhalb der Klinik soll zur Vernetzung der Klinik mit umliegenden Kurorten und zur Aufhebung der Stigmatisierung der Psychiatrie beitragen.

Innovator 2: Der naturverbundene Kurort

Links im Diagramm: Zwei Kreise, die sich überschneiden; dann drei Sechseckformen mittig und recht noch ein KreisZoombild vorhanden

Abb. 4: Eine enge Zusammenarbeit ist wichtig für die erfolgreiche Projektumsetzung. (Grafik: LWF)

Die Initiative für die therapeutische Nutzung des Waldes ging laut den Befragten von der Kommune bzw. von der Kurverwaltung aus. Anders als beim Innovator 1: Psychiatrie im Wald, wurde keine bestimmte Person von den Befragten als Initiator genannt. Außerdem ist auch keine Klinik in die Umsetzung des Vorhabens involviert. Die Idee, die positiven gesundheitlichen Wirkungen des Waldes auf den Menschen zu nutzen, liegt in der Geschichte des Kurorts begründet.

Neben therapeutischen Wasseranwendungen spielt auch die Bewegung in der Natur eine wichtige Rolle im Kurkonzept der Stadt. Schon vor langer Zeit wurde ein Kurpark entworfen und für Bewegungstherapien genutzt. Zusätzlich bezog die Stadt den umgebenden Staatswald in den Gesundheitstourismus mit ein. Es wurden Barfußpfade, Trimm-dich-Pfade und Gesundheitsthemen-Wege in Kooperation mit dem Forstbetrieb angelegt. In den 1990er Jahren besuchte ein Wissenschaftler aus Japan, der sich intensiv mit dem Konzept des Wald-Badens (Shinrin Yoku) beschäftigte, den Kurort. Er erforschte die Gesundheitswirkung der Wälder und brachte die Idee des Wald- Badens in den Kurort.

Durch den Kongress »Gesundheitspotenzial Wald« 2017 im Seebad Heringsdorf, an dem auch ein Vertreter der Kurverwaltung teilnahm, festigte sich der Entschluss, sich die bereits langjährige Nutzung der umgebenden Natur und des Waldes für Therapien und Kur-Anwendungen durch die Ausweisung eines »Kurwaldes« zertifizieren zu lassen. Die Begriffe »Kurwald« und »Heilwald« stammen aus Mecklenburg- Vorpommern und sind durch verschiedene Kriterien definiert. Ein Kurwald dient der Prävention, während der Heilwald auch für akut Kranke in der Therapie genutzt wird.

Gesundheitsangebote in Verbindung mit Natur und Wald werden aus Sicht der Befragten immer mehr nachgefragt, vor allem auch im Zuge des zunehmenden negativen Images von Medikamenten. Im eigenen Kurwald sollen künftig neben Wahrnehmungsübungen wie das Hören, Sehen, Riechen und Ertasten der Natur auch Atemtherapie stattfinden, bei der die gesundheitsfördernden Terpene über die Atmung in den Körper aufgenommen werden. Die Kommune könnte sich vorstellen, die Wegeinstandhaltung im Kurwald in die Hände des städtischen Bauhofs zu legen, um dem Forstbetrieb den Mehraufwand zu ersparen.
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Zum Zeitpunkt des Interviews stand die Wahl einer geeigneten Waldfläche bevor. Um die Auswahl zu erleichtern, werden von den Befragten offizielle Kriterien für »Kur- und Heilwälder« gewünscht. Zur Etablierung solcher Kriterien bestand Kontakt zu verschiedenen Verbänden. Durch eine geschickte Wahl der Waldfläche könnten mögliche Konflikte mit anderen Aktivitäten im Wald vermieden werden. Der Wald sollte aus Sicht der Befragten naturnah sein und wenig Wirtschaftswaldcharakter haben. In diesem Kontext wird oft erwähnt, dass astige und urige Bäume sowie Totholz das Waldbild bereichern.

Was unter den Begriffen »naturnah« oder »Wirtschaftswald « verstanden wird, ist sehr subjektiv und wird von Interviewpartner zu Interviewpartner sehr unterschiedlich definiert. Einigen Befragten ist bewusst, dass ihr Wunsch nach einem möglichst natürlichen und nicht bewirtschafteten Wald mit der Verkehrssicherheit in Konflikt steht und sie diskutierten zum Zeitpunkt des Interviews über Lösungswege. Oftmals ist nicht bekannt, dass die Verkehrssicherung eine gesetzliche Pflicht ist und welche Folgen die Verletzung für die Waldbesitzer haben kann.

Ein wichtiger Prozessschritt für das Projekt war ein Treffen zwischen Revierleiter und der Kurverwaltung, die bereits durch andere gemeinsam durchgeführte Projekte (z. B. Gesundheitsthemen-Wege) ein gutes Verhältnis pflegten. Für die forstlichen Akteure ist es wichtig zu klären, wer den anfallenden Mehraufwand und die Kosten für einen Kurwald trägt. Aus Sicht des Revierleiters sollte es sich idealerweise um einen strukturreichen Mischbaumbestand mit verschiedenen Altersstadien handeln, der bewirtschaftet wird, in dem jedoch keine Rückegassen sichtbar sind. Spuren der Holzernte sollen vermieden werden. Daher erwartet er einen größeren Aufwand bei der Holzernte bei gleichbleibenden Holzertrag.

Das Projekt sieht der Revierleiter als Möglichkeit zur forstlichen Öffentlichkeitsarbeit: Am Beispiel des Kurwaldes kann gezeigt werden, wie Waldnutzung, Naturschutz und Ästhetik durch die Förster in Einklang gebracht werden kann. Darüber hinaus dient die Kooperation im Projekt der Erfüllung des Allgemeinwohlauftrags.

Innovator 3: Das Team aus Klinik und Gemeinde

Laut den Befragten kam der Klinikleitung der dritten Fallstudie die Idee zur Ausweisung eines »Heilwaldes« durch den Kontakt mit einer Klinik in Mecklenburg- Vorpommern, die zusammen mit der Universität Rostock die Ausweisung eines »Kur- und Heilwaldes« an ihrem Standort untersucht. Die Klinikleitung befasste sich mit dem Thema und verglich die Kriterien mit den Gegebenheiten am eigenen Standort.

Die Erkenntnis, dass die Heilwald-Kriterien im Wald vor Ort sehr gut erfüllt sind beziehungsweise erfüllt werden können und ein Beschluss der Gemeinde, sich wirtschaftlich stärker als Gesundheitsstandort zu positionieren, mündeten in dem Impuls, selbst ein Projekt anzustoßen. Die Klinikleitung kontaktierte mit dieser Idee den Bürgermeister der Gemeinde, der über einen forstlichen Hintergrund verfügt. Beide informierten sich im Internet über das Thema und tauschten sich über Konzepte und Möglichkeiten zur Umsetzung aus. Chefärztliches Personal prüfte die wissenschaftliche Literatur zum Thema und befand die heilsamen Effekte des Waldes als glaubwürdig und den Wald als therapiestützende Umgebung passend für die eigene Klinik. Ergotherapie, Arbeiten mit Naturmaterialien, Achtsamkeits- und Entspannungsübungen, Spaziergänge, rezeptive Musiktherapie mit den Klängen des Waldes könnten im zukünftigen Heilwald stattfinden und die Genesung psychosomatischer Krankheitsbilder fördern. Patienten der Psychotherapie könnten von dem geschützten Gefühl im Wald profitieren.

Wie schon bei Innovator 1: Psychiatrie im Wald erwähnt wurde, wird auch hier ein Transfereffekt erwartet. Was die Patienten in der Therapie lernen, können sie später in einem Wald in der Nähe ihres Wohnortes fortführen, um gesund zu bleiben. Teil der Therapie soll künftig auch die Schulung der Sinnesorgane sein, die die Verbindung des Ichs mit der schönen Waldumgebung ermöglicht. Die Verbindung zur Natur ging den Patienten der Klinik im Verlauf ihres Lebens oftmals verloren und muss in der Therapie wiederhergestellt werden.
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Auf dem ersten internationalen Kongress zum »Gesundheitspotenzial Wald« 2017 im Seebad Heringsdorf baute der Bürgermeister ein Netzwerk auf und sammelte weitere Erkenntnisse. Er einigte sich mit der Klinikleitung auf eine Waldfläche gegenüber der Klinik. Diese Waldfläche lag im Besitz des Landes. Um den Prozess zu vereinfachen, wurde ein Flächentausch zwischen der Gemeinde und dem staatlichen Forstbetrieb vereinbart, sodass der künftige »Heilwald« in den Besitz der Kommune überging. Dieser Flächentausch ermöglicht kurze Entscheidungswege zwischen der Gemeinde und der Klinik.

Zur Konzeption des »Heilwald«-Projekts wurde ein Landschaftsplanungsbüro hinzugezogen, das einen Entwurf für die Gestaltung des etwa sechs Hektar großen Waldstückes anhand von Heilwaldkriterien aus Usedom erstellt. Die Klinikleitung strebt einen sehr sparsamen Einsatz von Gerätschaften an, um den Naturraumcharakter des Waldes nicht zu stören.

Es ist geplant, den Wald nicht weiter zu bewirtschaften. Der Heilwald dient der wirtschaftlichen Stärkung der sonst strukturschwachen Region und der Positionierung als Gesundheitsstandort. Es soll lediglich zur Verkehrssicherung eingegriffen werden. Die Kooperation des staatlichen Forstbetriebs war essenziell, da dieser ursprünglich im Besitz des Waldstückes war und somit neben Klinik und Kommune ein Hauptakteur im Projekt ist.

Zum Zeitpunkt des Interviews arbeitete man laut den Befragten an der Beteiligung aller Akteure und der Beschaffung geeigneter Fördergelder für die Umsetzung des Projekts. Dazu müssen zum Beispiel auch Anlieger in die Planung des Waldes einbezogen werden, um zu vermeiden, dass deren Privatsphäre beeinträchtigt wird. Zur Finanzierung wurde ein Antrag im Rahmen der Förderung des Gesundheitstourismus beim Land gestellt. Einen Teil der Kosten wird die Klinik tragen. Die Einweihung ist für das Frühjahr 2019 geplant. Das »Heilwald«-Projekt soll zusätzlich als Pilotprojekt für die Region dienen. In der Gemeinde liegt eine zweite Klinik an einem Waldrand, für die das Konzept möglicherweise auch interessant ist.
Drei Kreise die mit Pfeilen auf einen anderen Kreis deuten
Wald wirkt gesundheitsfördernd
Der Ansatz des sogenannten Exposoms stellt die Wirkung von Natur auf die menschliche Gesundheit in einen größeren Kontext. Das Exposom ist definiert als die Gesamtheit aller Einflüsse, der die menschliche Gesundheit über den Zeitraum der Empfängnis bis zum Tod ausgesetzt ist (Wild 2005). Der Gesundheitszustand des Menschen hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Neben genetischen Veranlagungen, die etwa 10 % (Rappaport 2010) des Gesundheitsrisikos ausmachen, werden diese Einflüsse nach Wild (2005) in drei unterschiedliche Bereiche kategorisiert.

[Abb. 5: Das Exposom: Wald als Green Space ist Teil der ‚allgemeinen externen Umgebung‘ des Menschen und wirkt sich ebenso wie andere Umwelteinflüsse auf die Gesundheit aus. (Grafik: LWF)]

Die interne Umgebung beschreibt körpereigene Faktoren wie bereits bestehende Krankheiten, die vorhandenen Darmbakterien oder den Zustand des Stoffwechsels. Die externe Umgebung wird in zwei Bereiche gegliedert. Die spezifische externe Umgebung umfasst Faktoren wie Ernährung, Bewegung und den Genuss von Konsumgüter, wie zum Beispiel Tabak oder Alkohol. Die allgemeine externe Umgebung bezieht sich auf das, was wir im allgemeinen Sprachgebrauch unter Umgebung verstehen wie beispielsweise das Klima, das urbane und soziale Umfeld oder auch der Straßenverkehr oder zur Verfügung stehende Grünräume.

Aufenthalte in oder Kontakt mit Natur wirken sich überwiegend vorteilhaft auf den Gesundheitszustand von Menschen aus. Ob der Wald dabei eine besondere Rolle im Vergleich zu anderen grünen Umgebungen einnimmt, ist bisher nicht erforscht.

Zusammenfassung

Erste Akteure des Gesundheitswesens greifen das Wissen über die gesundheitsfördernden Effekte des Waldes auf und planen die öffentlichkeitswirksame, therapeutische Nutzung nahegelegener Waldflächen. Die Initiative ging dabei von der Klinik oder der Kommune aus. Die forstlichen Akteure des Staatswaldes fühlen sich durch den Allgemeinwohlauftrag zur Kooperation verpflichtet. Kommunale Waldbesitzer handeln im Interesse der Kommune und teilen das Interesse der Initiatoren.

Den ersten Vorreitern könnten viele weitere folgen. Allein von den Reha- und Vorsorgeeinrichtungen in Bayern befindet sich die Hälfte (also rund 170) weniger als etwa 500 m Wegstrecke vom nächstgelegenen Wald entfernt. In Waldnähe gelegene Reha- und Vorsorgeeinrichtungen führen bereits jetzt Teile des Therapieangebots im Freien durch, wenn die Patienten durch ihre Krankheit nicht in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Der Wald spielt bei den meisten Befragten im Vergleich zu anderen Naturräumen keine besondere Rolle, sondern wird als Teil der natürlichen Umgebung mitgenutzt. Schon jetzt können sich die Vertreter eines Großteils der Kliniken vorstellen, künftig noch mehr Therapien im Freien durchzuführen. Sollte sich herausstellen, dass der Wald im Vergleich zu anderen Grünräumen eine besondere gesundheitsfördernde Wirkung hat, wird der Anteil der Kliniken wachsen, die den Wald gezielt in der Therapie einsetzen.

Projekt

Das Projekt »Der therapeutische Beitrag von Wäldern zu Rehakliniken in Bayern« (ST 332) wurde in enger Kooperation mit den Abteilungen »Waldbesitz, Beratung, Forstpolitik« und »Wissenstransfer, Öffentlichkeitsarbeit, Waldpädagogik« der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft am Lehrstuhl für Wald- und Umweltpolitik der Technischen Universität Münschen durchgeführt und vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten finanziert.

Literatur

  • Rappaport, S.M. (2010): Implications of the exposome for exposure science. Journal of exposure science & Environmental Epidemiology (21), S. 5–9
  • Vrijheid, M. (2014): The exposome: a new paradigm to study the impact of environment on health. Thorax, 69 (9), S. 876–878
  • Wild, C.P. (2005): Complementing the genome with an »exposome«: the outstanding challenge of environmental exposure measurement in molecular epidemiology. Cancer epidemiology, biomarkers & prevention, 14 (8), S. 1847–1850
  • Wild, C.P. (2012): The exposome: from concept to utility.International Journal of Epidemiology, 41 (1), S. 24–32

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