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Wilhelm Heizmann
Die Esche als Weltenbaum in der mythischen Überlieferung der Nordgermanen - LWF-Wissen 34

In Richard Wagners monumentaler Operntetralogie 'Der Ring des Nibelungen' zeigt die Eingangsszene der 'Götterdämmerung' drei Nornen, die am Seil des Weltschicksals weben und dabei die Geschichte des Weltenbaums aus vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger Perspektive erzählen: Einst woben die Nornen bei einer Quelle am Fuße der Weltesche das Schicksal der Welt in Form eines Seils, das sie an dem Baum befestigten. Eines Tages kommt Wotan, der Göttervater, um aus der Quelle zu trinken. Dafür muss er mit einem Auge bezahlen. Er bricht einen Ast vom Baum und fertigt daraus den Schaft seines Speers. Durch diese Wunde siecht der Baum dahin und die Quelle vertrocknet. Als Wotans Speer von einem Helden zerschlagen wird, lässt der Göttervater die Esche fällen und die Scheite um Walhall, die Götterburg, aufschichten.

Mitteralterliche farbige Darstellung des Weltenbaumes

Abb. 3: Die Weltesche Yggdrasil
aus einer isländischen
Handschrift von 1680
(AM 738 4°x)

Schon in dieser Eingangsszene der Götterdämmerung wird durch die dritte Norne in prophetischer Zukunftsschau unmissverständlich darauf hingewiesen, dass der von Wotan begangene Baumfrevel letztlich zu einer Katastrophe kosmischen Ausmaßes führen wird. Am Schluss der Oper erfüllt sich diese Prophezeiung. Als sich Brünhild mit ihrem Ross in Siegfrieds brennenden Scheiterhaufen stürzt, um wenigstens im Tod mit ihm vereint zu sein, wird nicht nur die Halle der Gibichungen ein Raub der Flammen, diese lodern vielmehr bis zum Himmel empor und schlagen in die um Walhall aufgeschichteten Scheite der Weltesche (hier klingt in der Oper noch einmal kurz das Weltesche-Motiv auf. Götter und Helden und damit die ganze alte Welt gehen in diesem gewaltigen Brand zugrunde.

Es gibt zwar kaum etwas, was man in Wagners vielschichtiges Bühnenwerk nicht hineininterpretiert hätte, aber eine konsequent 'grüne' bzw. ökologische Deutung steht meines Wissens noch aus. Dabei braucht es nicht viel Phantasie, um sich auszumalen, was mit dieser Welt geschähe, würden die Wälder verschwinden und die Quellen versiegen. Die Weltesche könnte hier in einem übertragenen Sinn für die Natur stehen oder für ein ökologisches Gleichgewicht, als deren stabilisierende Struktur, die dann durch einen egoistischen Eingriff zerstört wird und so katastrophale Folgen heraufbeschwört.

Ich habe Wagner deshalb so ausführlich vorangestellt, weil es im Wesentlichen ihm zu verdanken ist, wenn heute das Wissen um die germanische Vorstellung eines Weltenbaums nicht völlig aus dem kulturellen Gedächtnis des Abendlandes geschwunden ist. Zur Allgemeinbildung zählt dieses Wissen allerdings schon längst nicht mehr. Germanische Mythologie ist in den Schulen kein Thema und auch an unseren Universitäten ist dieses ehemals so blühende Forschungsgebiet kaum mehr vertreten.

So werden heute die im Bildungsbürgertum vorhandenen Vorstellungen von den Helden und Göttern der Germanen mehr als je zuvor von den Werken Richard Wagners geprägt. Nun wissen wir aber, dass Wagner den Stoff seiner Opern nicht frei erfand, sondern häufig auf mittelalterliche Vorlagen zurückgriff. Bei seinem 'Ring' war das nicht anders, wenngleich ihm die Quellen nicht im Original, sondern nur in Übersetzung zugänglich waren. Auch wenn Wagner sich durchaus von diesen Vorlagen leiten ließ und ihnen manchmal sogar bis in den Wortlaut hinein folgte, so blieb die Konzeption doch ganz und gar seine eigene, der Stoff wurde dieser radikal untergeordnet. Auf diese Weise entstand ein mehrfach gebrochenes Bild der germanischen Welt mit ihren Göttern und Helden, das sich jedoch hartnäckig in vielen Köpfen festgesetzt hat.

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Autor

  • Wilhelm Heizmann