FAQ - Stand April 2020
Schwammspinner-Massenvermehrung in Nordbayern 2020 - Häufig gestellte Fragen

Ein Nest aus Material, das an einen Schwamm erinnert mit graubraunen Schmetterlingen

Die Baumart Eiche ist aufgrund ihrer hohen Toleranz gegenüber Hitze und Trockenheit eine wichtige Baumart für die künftige Waldentwicklung im Zuge des Klimawandels. Zudem besitzen Eichenwälder und eichengeprägte Mischwälder einen besonderen ökologischen Wert als Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten und insbesondere seltene Insektenarten.

Diese Wälder mit allen ihren Funktionen zu schützen und vor Schaden zu bewahren stellt daher eine wichtige Aufgabe und zudem eine gesetzlich verankerte Verpflichtung für Waldbesitzern und Forstverwaltung dar.

Was ist der Schwammspinner, wo kommt er vor, welche Schadwirkung hat er?

Der Schwammspinner ist eine Schmetterlingsart, die zur Fraßgesellschaft an der Eiche gehört. Aufgrund seiner Fähigkeit, großflächige Massenvermehrungen aufzubauen, ist er einer der gefährlichen forstlichen Großschädlinge in Europa, Asien, N-Afrika und den USA. Der Schwammspinner bevorzugt wärmegetönte Regionen mit Eichenwäldern und eichengeprägten Mischwäldern. Die bis zu 7,5 cm langen Raupen, die bei Massenvermehrung dann zu mehreren Hunderttausenden auf jedem Baum zu finden sind, verursachen Kahlfraß an unterschiedlichen Laubbaumarten und machen bei Nahrungsmangel auch vor Nadelbäumen nicht Halt. Durch die lange Fraßzeit von Laubausbruch (Ende April/Anfang Mai) bis Ende Juni ist nicht nur der Maitrieb, sondern auch Ersatztriebe und Johannistrieb betroffen. Dadurch werden die Bäume massiv geschwächt und anfällig für Folgeschädlinge.

Wie häufig und warum kommt es zu Massenvermehrungen des Schwammspinners?

Der Schwammspinner hat eine enorme Vermehrungsrate – ein Weibchen kann bis zu 1.000 Eier ablegen. Massenvermehrungen des Schwammspinners können sich daher innerhalb eines Jahres aufbauen. Diese Gradationen entstehen beim Schwammspinner in ca. 10-jährigen Abständen auf und werden durch warm-trockene Jahre befördert (wie 1991, 2003, 2015 und folgende). Die erste großflächige Schwammspinner-Massenvermehrung in Bayern trat in den Jahren 1992-94 auf, danach 2004-05, 2009-10 (nur sehr kleinräumig) und aktuell seit 2018.

Welchen Einfluss hat der Klimawandel auf das Befallsrisiko?

Seit der letzten kleinräumigen Schwammspinner-Massenvermehrung in den Jahren 2009/2010 hat sich das Risikogebiet deutlich ausgeweitet – von damals 5 auf jetzt 11 betroffene Landkreise. Die Schwerpunkte des Befalls konzentrieren sich nach wie vor auf Unter- und Mittelfranken sowie angrenzende Teile Oberfrankens. Grundsätzlich begünstigt die Erwärmung durch den Klimawandel den Schwammspinner auch in Bereichen, in denen bisher die Art zwar vorkam, jedoch keine Massenvermehrungen aufbauen konnte.

Welches räumliche Ausmaß hat eine Schwammspinner-Massenvermehrung?

Die bislang größte räumliche Ausdehnung gab es 1992-94. Es kam zur Pandemie in mehreren deutschen Bundesländern und europäischen Ländern (Italien, Ungarn, Frankreich, Österreich). Bayern war mit einem Befallsgebiet von insgesamt 40.000 ha Eichen- und Eichenmischwäldern betroffen. In allen betroffenen Ländern wurden teils großflächige Pflanzenschutzmitteleinsätze durchgeführt. Nachfolgende Massenvermehrungen fielen sehr viel kleinräumiger aus mit jeweils deutlich unter 10.000 ha.

Generell sind die einzelnen Befallsflächen eher klein mit teils nur wenigen Hektar, betreffen meist nur Teile eines zusammenhängenden Waldgebietes und sind weit über das Befallsgebiet, das derzeit 10 Landkreise umfasst, verstreut.

Wie erkennt man die Gefährdung und wie kann man das Risiko für die betroffenen Wälder und den Bedarf für Gegenmaßnahmen ermitteln?

Der Schwammspinner wird in seinem Befallsgebiet in festen Weiserflächen routinemäßig überwacht:

  • Durch eine alljährlich im Juli und August durchgeführte Pheromonprognose. Anhand der Anflugzahlen männlicher Falter an spezielle Fallen mit weiblichem Sexuallockstoff erkennt man, wenn sich die Populationsdichten erhöhen.
  • Baut sich eine Massenvermehrung auf, werden in den betroffenen Waldgebieten aufwändige Eigelegesuchen nach einem standardisierten Verfahren durchgeführt.
  • Aus der Besatzdichte mit Eigelegen und zahlreichen weiteren Kriterien wie bereits erfolgter Kahlfraß, Vitalität der Bestände, Alter, Baumartenzusammensetzung, Auftreten natürlicher Gegenspieler etc. wird eine Gefährdungsziffer errechnet.

Bei Überschreiten des Schwellenwertes und akuter Gefahr für den Waldbestand werden die betroffenen Waldbesitzer über die Gefährdungssituation informiert.

Was sind die weiteren Schritte nach Erkennen der Gefährdungssituation?

Die Forstverwaltung bereitet in Zusammenarbeit mit der LWF eine Behandlungsmaßnahme vor:

  • Aus den Karten der Gefährdungsflächen werden potenzielle Behandlungskarten erstellt: Herausnahme der gesetzlichen Abstandspuffer (25 m Abstand vom Waldrand, Abstände zu Gewässern, Wohnbebauung, Straßen), Herausnahme naturschutzrelevanter Flächen;
  • Der Auftrag zur Behandlung wird an eine sachkundige Spezialfirma vergeben. Betroffene Waldbesitzer können sich dann für einen Pflanzenschutzmitteleinsatz in ihren Waldgebieten an-melden. Ohne Anmeldung erfolgt keine Behandlung. Es besteht kein Rechtsanspruch auf die Behandlung, wenn wichtige Belange entgegenstehen.

Werden Pflanzenschutzmaßnahmen aus rein ökonomischen Gründen durchgeführt?

Behandlungen mit Pflanzenschutzmitteln unterliegen einer strengen Reglementierung. Durch Aufnahmen der Besatzdichte des Schädlings und die daraus resultierende Schadensprognose muss Kahlfraß und eine konkrete Gefährdung des Waldbestandes nachgewiesen werden. Zuwachsverluste oder Belaubungsdefizite spielen hier keine Rolle. Die Überwachung und Prognose der Eichenfraßgesellschaft sowie die Beurteilung des Behandlungsbedarfs erfolgt durch die Forstverwaltung in Zusammenarbeit mit der Abteilung Waldschutz der LWF.

Ziel einer Pflanzenschutzmaßnahme ist es, bestandesbedrohenden Kahlfraß zu verhindern und so den Waldbestand und seine Funktionen und Eigenschaften als Lebensraum für Tiere und Pflanzen zu erhalten.

Wie wird der Naturschutzaspekt bei Pflanzenschutzmitteleinsatz im Wald berücksichtigt?

Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Wald unterliegt strengen Auflagen:

  • In Abstimmung mit dem amtlichen Naturschutz erfolgt eine naturschutzfachliche Prüfung (Umweltverträglichkeitsabschätzung bzw. –prüfung). Flächen wie Schutzgebiete, Lebensräume seltener und geschützter Arten, Biotope, Horstbäume etc. werden aus der Behandlungsfläche herausgenommen.
  • Es bestehen Abstandsauflagen zu wasserführenden Gewässern bzw. für Wasserschutzgebiete voll-ständige Ausbringungsverbote.
  • Der ökologisch wertvolle Bestandesrand wird durch einen unbehandelten Abstandspuffer von 25 m von der Behandlung ausgenommen.
  • Nur 50% eines zusammenhängenden Waldgebietes dürfen behandelt werden, so haben Nicht-Zielarten ausreichend Rückzugsgebiete.

Zudem liegt der Wirkungsgrad einer Behandlung optimal bei 80 bis 90 %, sodass immer eine ausreichende Restpopulation der möglicherweise betroffenen Arten verbleibt. In zahlreichen veröffentlichten Untersuchungen wurde gezeigt, dass behandelte Waldgebiete Bereiche schnell wiederbesiedelt werden und i.d.R. nach Ablauf von drei Jahren kein Unterschied mehr zu nicht behandelten Beständen erkennbar ist.

Welche Präparate kommen zum Einsatz – wie wirken sie?

Im Rahmen der Maßnahmen 2020 wird ausschließlich das Präparat MIMIC eingesetzt, ein Mittel, das seit 1992 in Bayern im Obst- und Weinbau zur Anwendung kommt.

Es hat folgende Eigenschaften:

  • Es ist ein selektiv auf Schmetterlingsraupen wirkender Häutungsbeschleuniger.
  • Es wirkt nur Bei Aufnahme durch Fraß und hat keinerlei Kontaktwirkung.
  • Es wirkt vor allem gegen sehr junge Raupenstadien. Je älter die Raupen werden, desto unempfindlicher sind sie gegen das Präparat.
  • Es bewirkt Fraßstopp, eine Beschleunigung der Häutungen und nach 5 bis 7 Tagen das Absterben der Raupen.
  • Es verliert durch Witterungseinflüsse und Abbau relativ rasch an Wirkung (mittlere Halbwertszeit ca. 13 Tage).
  • Unter optimalen Bedingungen liegt der Wirkungsgrad bei 80 bis 90 %.
  • Es ist nicht bienengefährlich, wirkt nicht auf Raubmilben, Marienkäfer, Laufkäfer, Spinnen, Schlupfwespen, Raubwanzen, ist somit nützlingsschonend.
  • Es wirkt nicht auf Warmblüter und steht nicht im Verdacht krebserregend, gen- oder reproduktionsverändernd zu sein.

Im Wald werden sehr geringe Mengen an Spritzbrühe ausgebracht: 0,75 Liter MIMIC im Gemisch mit 50 Liter Wasser pro Hektar Waldfläche. Dadurch und durch das Ausbringungsverfahren per Hubschrauber mit speziellen Düsen verbleibt die Spritzbrühe weitgehend in den Baumkronen.

Wie läuft die Behandlung mit Pflanzenschutzmitteln ab?

Die Behandlung von Waldgebieten mit Pflanzenschutzmitteln erfolgt ausschließlich aus der Luft mittels Helikopter.
Die zu behandelnden Waldgebiete und der Zeitraum der Behandlung werden in den Gemeinden veröffentlicht. Vor der Behandlung werden die Waldgebiete gesperrt und Waldbesucher durch Informationstafeln an den Waldeingängen über Betretungsverbote etc. informiert.

Die Befliegung erfolgt mittels GPS-Steuerung. Durch gezieltes An- und Abschalten der Sprühdüsen wird nur die ausgewiesene Fläche besprüht, auszusparende Bereiche können genau berücksichtigt werden. Durch Kontrolle der Windgeschwindigkeit wird eine Abdrift in nicht zu behandelnde Bereiche verhindert.

Gibt es natürliche Gegenspieler - kann man den natürlichen Zusammenbruch einer Schwammspinner-Massenvermehrung abwarten?

Es gibt zahlreiche natürliche Gegenspieler des Schwammspinners.

  • Hierzu gehören Freßfeinde wie Vögel und räuberische Käfer- oder Wanzenarten. Dise haben aufgrund der geringen Verzehrrate kaum Einfluss auf den Verlauf der Massenvermehrung.
  • Wirkungsvolle Gegenspieler sind Parasitoide, die Eier, Raupen und Puppen des Schwammspinners als Wirte nutzen. Es dauert etwa drei bis vier Jahre mit hoher Schwammspinnerdichte, bis diese natürlichen Feinde sich ausreichend vermehrt haben, um die Schwammspinnerpopulationen entscheidend zu reduzieren.
  • Durchschlagende Wirkung haben spezifische Viruserkrankungen, die ausbrechen, wenn der Schwammspinner durch extrem hohe Dichten und Nahrungskonkurrenz in Stress gerät. Diese Virosen sind jedoch nicht im gesamten Verbreitungsgebiet vorhanden.

Allen Gegenspielern ist gemeinsam, dass sie nicht vor dem 4. Gradationsjahr den Zusammenbruch der Schwammspinnerpopulationen herbeiführen können. Jedoch kommt es in diesem Zeitraum teils zu mehrmaligem Kahlfraß in den betroffenen Waldgebieten und damit zu irreversiblen Bestandesschäden. Ein Abwarten bis zum Wirken natürlicher Regulationsfaktoren ist also oft nicht möglich.

Bei der Entscheidung für einen Behandlungsbedarf wird aber das Auftreten natürlicher Regulation immer mit einbezogen und z.B. bei massiver Parasitierung oder Ausbruch einer Virose auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verzichtet.

Kann man mit Methoden wie z.B. Absammeln von Eigelegen, die Kahlfraßgefahr bannen?

Das Verfahren, Eigelege abzusammeln oder abzubürsten wurde bei bisher jeder Schwammspinnermassenvermehrung auf kleinen Flächen versucht. Bei einem üblichen Befallsgebiet von insgesamt mehreren Tausend Hektar ist es nicht realisierbar.

Vor allem jedoch befindet sich der Großteil der Eigelege im Kronenraum. Bei Massenvermehrung mit Kahlfraß befinden sich in jeder Baumkrone Hunderte bis Tausende von Eigelegen. Die erreichbaren Eigelege am Stamm stellen nur einen winzigen Bruchteil der Population dar, sodass dieses Verfahren leider keinerlei Wirkung hat.

Welche Folgen hat es, wenn keine Behandlung durchgeführt wird?

Die immer wieder auftretenden Phasen von Eichensterben stehen nachweislich im Zusammenhang mit Kahlfraßereignissen infolge Massenvermehrung von Schmetterlingsraupen.Besondere Bedeutung hat hier der Schwammspinner aufgrund seiner langen Fraßzeit bis in den Johannistrieb hinein.

Das Ausmaß der Folgeschäden hängt von zahlreichen Begleitfaktoren wie der Vitalität der Bestände, Witterungsbedingungen (z.B. Trockenstress, Hitze) und Folgebefall durch Eichenmehltau und rindenbrütende Käfer (z.B. Eichenprachtkäfer, Eichensplintkäfer) ab. Folgeuntersuchungen nach Schwammspinnermassenvermehrungen in zahlreichen betroffenen Ländern zeigten neben akuten Absterbeerscheinungen auch chronischen Schäden, die schlimmstenfalls zur Auflösung der Bestände und damit zum Verlust der Eichenwälder führten. Diese Schadentwicklungen können sich über einen Zeitraum von mehr als 5 Jahren erstrecken und sind dann waldschutzfachlich nicht mehr kontrollierbar. Einzige Möglichkeit, solche Schäden zu vermeiden, ist es, Kahlfraß durch die Raupen zu verhindern.

Welche „Nebenwirkungen“ hat ein Kahlfraß durch die Schwammspinnerraupen?

Eichenwälder haben neben den bekannten wichtigen Waldfunktionen für Gemeinwohl, Wasser, Boden und Klima eine besondere ökologischer Bedeutung als Lebensraum für zahlreiche, teils seltene Arten, hierunter besonders Insektenarten. Massenvermehrung und Kahlfraß durch den Schwammspinner hat folgende Wirkungen auf andere Waldbewohner:

  • starker Lichteinfall und Aufwärmen der Bestände und damit für an Waldklima angepasste Arten eine erhebliche Beeinträchtigung;
  • Nahrungskonkurrenz für blattfressenden Arten;
  • Der Übergriff von nicht Schwammspinnerspezifischen Parasitoiden, die sich im Zuge der Massenver-mehrung stark vermehren, auf andere Schmetterlingsraupen;
  • Gefährdung frei- und höhlenbrütender Vogelarten durch Verlust des schützenden Blätterdaches (Exposition für Räuber, Überhitzung) und Einwandern der großen Schwammspinnerraupen in die Nisthöhlen zur Häutung und Verpuppung.

Durch Folgeschäden an den Eichen und Ausfall von Bäumen verändert sich der Lebensraumtyp Eichenwald nachhaltig. Dies ist besonders problematisch für an diesen Lebensraum angepasste Arten und kann die Bio-diversität in den betroffenen Wäldern erheblich beeinträchtigen.

Wie werden die Entwicklungen in behandelten und unbehandelten Waldgebieten weiter untersucht und dokumentiert?

Im Rahmen der aktuellen Schwammspinnermassenvermehrung erfolgen intensive Begleituntersuchungen durch ein gemeinsames Forschungsprojekt der TU München und der LWF sowie in einem vom Bund geförderten Kooperationsprojekt mit Beteiligung der LWF für Bayern. Über die kommenden Jahre werden folgende Forschungsschwerpunkte gesetzt:

  • Dokumentation von Fraßschäden, akuten Absterbeerscheinungen und längerfristigen Folgeschäden für unbehandelte Waldbestände in Abhängigkeit von verschiedenen Rahmenbedingungen;
  • Auftreten und Einfluss von natürlichen Regulationsfaktoren wie Parasitoide und Viruserkrankungen der Schwammspinnerraupen;
  • Auswirkungen von Pflanzenschutzmaßnahmen und dem Verzicht einer Behandlung auf Nichtzielorganismen und die Entwicklung der Schwammspinnerpopulationen;
  • Untersuchungen zur Verbesserung von Überwachung und Prognose des Schwammspinners.

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