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Schutz vor Hochwasser durch alpine Berg- und Schutzwälder – LWF Wissen 82

Staatsminister Helmut Brunner anlässlich der Tagung »Schutz vor Hochwasser durch alpine Berg- und Schutzwälder« am 23. Oktober 2017 in Bad Reichenhall

Die Alpen sind für viele Menschen ein Sehnsuchtsort. Sie sind ein Naturraum von wunderschöner Ausstrahlung, der jedes Jahr Millionen von Touristen aus aller Welt anzieht. Dabei ist der Platz für den Menschen in diesem Herzen Europas knapp. Die Täler sind oft dicht besiedelte Verkehrsadern, entlang derer sich seit Jahrhunderten das wirtschaftliche und kulturelle Leben gedrängt hat. Der Mensch musste sich in den Alpen seit jeher mit den rauen Naturgefahren auseinandersetzen, sich zu seinem Schutz anpassen und vorbeugen. Bei aller Anpassung trifft der Klimawandel die reliefstarken Alpen und die dort lebenden Menschen besonders empfindlich.

Mit der Europäische Alpenstrategie (EUSALP) stellen sich die Anrainerstaaten diesen Herausforderungen und wollen eine intelligente wirtschaftliche Entwicklung und nachhaltige Ressourcennutzung im Alpenraum vorantreiben.

Die Staaten sind aufgerufen, zu allen wichtigen Themen des Lebens und Überlebens in den Alpen (EUSALP gliedert sich in drei Themenbereiche: 1. Wachstum und Innovation, 2. Mobilität und Anbindung, 3. Umwelt und Energie) grenzüberschreitend aktiv zu werden. Heute bringt uns der Hochwasserschutz durch alpine Berg- und Schutzwälder in einem sich wandelnden Klima zusammen.

Gemeinsam mit Österreich hat Bayern den Vorsitz für die Arbeitsgruppe 8 der EUSALP, die sich den Fragen hierzu stellt. Darüber hinaus hat Bayern in diesem Jahr die Präsidentschaft der gesamten EUSALP. Um dies gebührend zu würdigen, haben wir zu dieser Leuchtturmveranstaltung eingeladen. Ich freue mich sehr, dass so viele Teilnehmer aus zahlreichen Alpenländern der Einladung in die Salzstadt Bad Reichenhall gefolgt sind. Denn Hochwasser und Lawinen machen vor Grenzen nicht halt – und Lösungen für diese Herausforderungen sollten deshalb auch nicht national, sondern nur international gesucht und gefunden werden.

Alle Alpenanrainerstatten stehen vor denselben Fragen: Wie können wir Hochwasser wirksam verringern, unsere Berg- und Schutzwälder, Wildbäche und Flüsse pflegen, bewirtschaften, sanieren? Wie könnten sich die Umweltbedingungen künftig verändern? Wie können wir darauf reagieren? Was sind gute Praxisbeispiele? Das alles wollen wir in den kommenden zwei Tagen mit Vorträgen, Exkursionen und vor allem Diskussionen zusammentragen.

Schutzwald – Bedeutung und Herausforderungen

Bergwälder sind Holzproduzenten und unersetzlicher Lebensraum. Gleichzeitig – und das haben wir heute besonders im Fokus – sind sie unverzichtbar für den Schutz von Leib, Leben und enormen Sachwerten! Denn sie halten Steinschlag, Lawinen, Muren und Hochwasser zurück.

Als bayerischer Forstminister freut mich eines besonders: 90 % der Schutzwälder in den Bayerischen Alpen erfüllen ihre Funktionen und bieten uns den nötigen Schutz. Leider heißt das auch, dass die restlichen zehn Prozent – rund 14.000 Hektar – uns vor große Herausforderungen stellen: oft sind es lichte, ältere Wälder ohne ausreichend nachwachsende junge Bäume. Hier laufen wir Gefahr, dass der Wald mittelfristig nicht mehr schützt und so das Risiko für die im Tal liegenden Straßen, Orte und damit für den Menschen immens ansteigt.

Deshalb »reparieren« wir in Bayern seit mehr als 30 Jahren diese Waldbestände im Zuge eines Schutzwaldsanierungsprogramms. Wir haben seitdem 87 Millionen Euro investiert, um die Schutzfunktionen dieser Wälder wiederherzustellen oder zu erhalten. Insgesamt haben wir über 13 Millionen Bäumchen auf rund 10.000 Hektar gepflanzt. Bis diese Flächen wirklich aus dem Gröbsten heraus sind, bedarf es jedoch einer lang andauernden Pflege. Schutz gegen Gleitschnee, jagdliche Anstrengungen für verträgliche Schalenwildbestände und Nachbesserungen sind nötig, um langfristige Erfolge zu schaffen! Ansonsten stehen die Investitionen wieder auf dem Spiel. Wir brauchen beim Sanieren unserer Schutzwälder also einen langen Atem!

Ein konstruktives Zusammenwirken aller Institutionen ist dabei das A und O. Zum Glück können wir bei der Schutzwaldsanierung auf eine hervorragende Zusammenarbeit aller Partner bauen: bei uns in Bayern sind es die Forstverwaltung, die Bayerischen Staatsforsten sowie die Wasserwirtschafts- und Straßenbauverwaltungen, die bei der Umsetzung Hand in Hand arbeiten. Dafür möchte ich mich ausdrücklich bei den Beteiligten und auch bei Frau Kollegin Ulrike Scharf bedanken!

Schutzwaldpflege – Vorbeugen statt heilen

Durch den Klimawandel nehmen Waldschäden vor allem im Gebirge immer mehr zu. Sei es durch Stürme, Borkenkäfer, aufgerissene Wälder, Waldbrände oder Hochwasser – auch bei angepassten Wildbeständen entstehen ständig neue Flächen im Schutzwald, die ohne menschliches Zutun ihre Schutzwirkung verlieren würden. Die Schutzwaldsanierung wird deshalb auch weiterhin notwendig sein. Den Umfang der entstehenden Flächen können wir aber aktiv begrenzen: Genauso wie bei der menschlichen Gesundheit ist »Prävention« auch bei den Schutzwäldern wichtig. Vorbeugen ist meist günstiger als heilen. So schlägt ein Hektar Pflanzung im Hochgebirge schnell mit 30.000 Euro zu Buche, ein Hektar Gleitschneeverbauung kann bis zu 500.000 Euro kosten. Durch eine vorausschauende und naturnahe Bewirtschaftung der Bergwälder muss es aber gar nicht so weit kommen, dass diese Maßnahmen nötig werden. Wir stellen heute die Weichen für einen gesunden und funktionstüchtigen Wald und sparen morgen hohe Kosten für technische Verbauungen oder aufwendige Sanierungen.

Bergwaldoffensive als Beispiel für Governance

Das Prinzip des Vorbeugens haben wir im privaten Bergwald Bayerns vorbildlich mit der »Bergwaldoffensive« in ein Programm umgesetzt.

Die Bergwaldoffensive ist ein Paradebeispiel für das, was man unter »Governance« versteht, also die Entscheidungsfindung in Netzwerken mit vielen unabhängigen Beteiligten. An diesem Prinzip orientiert sich auch die Europäische Alpenstrategie. Geleitet von der Forstverwaltung sitzen in der Bergwaldoffensive Fachbehörden, Grundbesitzer, Alm- und Alpwirtschaft, Jäger, Kommunen, Bürger und Verbände gemeinsam an runden Tischen. Sie alle beraten und entscheiden weitgehend gemeinsam über Lösungen, unsere Bergwälder fit für den Klimawandel zu machen.

Die Erfolge sprechen für sich: so wurden bislang in 47 Projektgebieten auf rund 47.000 Hektar Gesamtfläche fast 550.000 Pflanzen ausgebracht und über 160 Kilometer Forst- und Rückewege gebaut. Dazu gehört ein intensiver Kommunikations- und Beteiligungsprozess.

Integrales Schutzwaldmanagement

Trotz aller bisherigen Erfolge müssen wir jedoch weiter denken. Wer rastet, der rostet. Deshalb setze ich heute den Startschuss für einen neuen Ansatz im Schutzwaldmanagement: Das sogenannte »Integrale Schutzwaldmanagement« der Bayerischen Forstverwaltung. Die Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft entwickelt derzeit in Zusammenarbeit mit den Bayerischen Staatsforsten ein neues Konzept für das Management der Schutzwälder in den Bayerischen Alpen. Dabei werden Fachdaten des Landesamts für Umwelt zu alpinen Naturgefahren berücksichtigt und in einem Geoinformationssystem verschnitten. Daten aus den Bereichen Naturschutz, Jagd und Waldweide werden folgen.

Wir erhalten so ein Gesamtbild über die Schutzwaldflächen, können bessere Entscheidungen in kürzerer Zeit treffen und leichter Prioritäten setzen. Mögliche Konfliktfelder werden früher erkannt und die Zusammenarbeit der Institutionen verbessert. Einen Einblick in das Pilotprojekt hier in der Region werden wir später noch bekommen.

Hebt man diesen integralen Ansatz noch eine Ebene höher, ist er vielleicht auch eine gute Vision für die kommenden zwei Tage: Teilen Sie ihr Wissen, damit wir im Umgang mit alpinen Naturgefahren weiter vorankommen – zum Wohle der Menschen und der Wälder.

Ich hoffe, Sie alle werden einen großen Rucksack mit Eindrücken, Anregungen und neuen Kontakten nach Hause tragen. Für Ihr Interesse und Engagement möchte ich Ihnen schon jetzt herzlich danken.

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