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Luitpold Titzler, Thomas Büttner und Birgit Kastner
Der Steigerwald auf dem Weg zum Europäischen Kulturerbe-Siegel - LWF-aktuell 125

Historische Land- und Waldbewirtschaftung verbindet Menschen und Regionen in Franken und Europa

Die zwischen 2015 und 2016 durchgeführte Kulturlandschaftsinventarisation im Steigerwald war ein vielbeachteter Erfolg und trägt nun weitere Früchte. Nachdem der Steigerwald im Hinblick auf sein Potenzial als UNESCO Welterbe untersucht wurde, verfolgt der Landkreis Bamberg nun ein europäisches Kooperationsprojekt, um ein transnationales Europäisches Kulturerbe-Siegel für zisterziensische Kulturlandschaften zu erlangen. Durch den Zusammenschluss von 18 Regionen aus sechs Ländern Europas zeigt sich, dass eine alte europäische Idee auch heute eine Region hinter sich vereinen kann.

Der Steigerwald ist seit Langem emotionaler Diskussionspunkt. Ende 2014 vereinbarte die Bayerische Staatsregierung mit den Landräten des nördlichen Steigerwalds, die Möglichkeiten einer In- Wert-Setzung der Region zu prüfen. Ziel war es, die Chancen einer Prädikatisierung als UNESCO-Welterbe (Natur- und Kulturerbe) auszuloten. Der südliche Steigerwald hatte sich im laufenden Prozess angeschlossen.

Die Kulturlandschaftsinventarisation

Buchenwald mit dicken Stämmen und liegendem Totholz sowie StreuauflageZoombild vorhanden

Abb. 1: Klosterwald Ebrach Foto: (T. Büttner)

Im Auftrag des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) und in Zusammenarbeit mit dem Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst (StMBW) wurde zwischen 2015 und 2016 untersucht, inwiefern ein mögliches Kulturerbe erreichbar ist. Dies erfolgte im Rahmen einer sogenannten Kulturlandschaftsinventarisation (KLI) durch Dr. Thomas Büttner und Andrea Lorenz des Büros für Heimatkunde und Kulturlandschaftspflege Morschen.

Mit Unterstützung durch das StMELF und die Bayerischen Staatsforsten A.ö.R. wurde der gesamte Steigerwald systematisch nach historischen Kulturlandschaftselementen und –komplexen untersucht. Darüber hinaus konnten naturräumliche und kulturhistorische Beschreibungen in die Erfassung einbezogen werden. Bei der Zusammenstellung der wichtigsten Kulturgüter der Region wurden auch historische und oftmals heute noch praktizierte Landnutzungs- und Waldbewirtschaftungsformen berücksichtigt. Beispiele hierfür sind die Baumfelderwirtschaft in Fatschenbrunn und die Stockausschlagwälder im südlichen Steigerwald.

Sogenannte Landschaftswerkstätten bildeten im Rahmen der kulturlandschaftlichen Betrachtung ein zentrales Medium. Dabei handelte es sich um 20 Treffen mit Menschen vor Ort, die auf Einladung der jeweils gastgebenden Gemeinde hin ihr Wissen und ihre Erfahrungen zu Kultur und Historie der Landschaft einbringen konnten. Die Ergebnisse des Projektes wurden in einem ausführlichen Bericht zusammengestellt.

Wesentliche Erkenntnis der KLI war, dass der Steigerwald eine sehr hohe kulturlandschaftliche Vielfalt besitzt. Als bedeutsamster Faktor für Kulturhistorie und Landschaftsentwicklung kann im nördlichen Steigerwald die Gründung der Zisterzienserabtei Ebrach um 1127 und die damit verbundene Land- und Waldbewirtschaftung herausgestellt werden. Die umsichtige Wirtschaftsweise der Abtei legte den Grundstein für die heute noch vorhandenen ausgedehnten Laubwälder im Umfeld von Ebrach. Nach der Säkularisation wurden die nunmehr in staatlicher Hand liegenden klösterlichen Mittelwälder in den Hochwald überführt. Bis heute sind die Klosterwaldflächen mit ihrem hohen Anteil an Laubmischwäldern deutlich in der Landschaft erkennbar.

Im südlichen Steigerwald hingegen spielen die gemeinschaftlichen Landnutzungsformen und hier vor allem die bäuerlichen Gemeinschaftswälder eine dominierende Rolle der Landschaftsentwicklung, deren Wurzeln teilweise bis in das Mittelalter zurückreichen. Aufgrund der mannigfaltigen Ausprägungen gehören die Gemeinschaftswälder zu den charakteristischen Merkmalen des Steigerwalds. Bis heute ist vor allem die alteingesessene Bevölkerung eng mit der gemeinschaftlichen Waldbewirtschaftung verbunden. Eine Vielzahl anderer kultureller Elemente ergänzt das Portfolio der regionalen Kulturgüter.

Die KLI zeigte letztlich als ergebnisoffene Untersuchung auf, dass eine Prädikatisierung der Region im Rahmen des Europäischen Kulturerbe-Siegels (EKS) in Zusammenarbeit mit weiteren Partnerregionen erfolgsversprechend erscheint.

Das immaterielle Kulturerbe des Steigerwalds

Eine Hofstelle an einem Weiher

Abb. 2: Der Winkelhof als ehem. Grangie (Hofstelle) des Klosters Ebrach (Foto: T. Büttner)

Der Steigerwald besitzt ein breites Spektrum an besonderen und durch das große Engagement der lokalen Bevölkerung auch heute noch gelebten Kulturgütern. Ein Beispiel hierfür ist die »Osingverlosung«, die 2016 in das bayerische Landesverzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurde.

Diesem Ansatz folgend nutzten die örtlichen Landkreise die Ergebnisse der KLI sehr erfolgreich, um mit Unterstützung der örtlichen Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auch andere regionale Traditionen anerkennen zu lassen. So wurden die »Bäuerlichen Gemeinschaftswälder« (2018) und der auf das Jahr 1611 zurückgehende »Sebastianitag Oberschwarzach « (2019) in das Landesverzeichnis aufgenommen.

Die »Dörrobstherstellung und Baumfelderwirtschaft« (2018) schaffte es sogar in das Bundesverzeichnis. Die Kulturformen der Nutzung bäuerlicher Gemeinschaftswälder im Steigerwald und angrenzenden Regionen sind im März diesen Jahres in das Bundesverzeichnis aufgenommen worden.

Da vor allem verschiedene Waldbewirtschaftungsformen als immaterielles Kulturerbe anerkannt wurden, zeigt sich, dass der Wald und seine Bewirtschaftung seit mehreren hundert Jahren ein wesentlicher kultureller Bestandteil der Region war und ist.

»Vielfalt in der Einheit – Zisterziensische Klosterlandschaften« als europäisches Kulturgut

Unter anderem sorgte diese Anerkennung dafür, dass die gesamte Region das Potenzial vorhandener Kulturschätze der eigenen Heimat noch bewusster wahrgenommen hat und erfolgreich weiter nutzt. Einer Empfehlung aus der KLI folgend, haben sich die Steigerwaldlandkreise 2017 unter der Leitung des Landkreises Bamberg und des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege mit der zisterziensischen Klosterlandschaft von Waldsassen sowie grenzübergreifend nach Morimond, Plasy, Rein und Zwettl vernetzt.

Dabei wurde die europäische Dimension ihrer Kulturlandschaftsprägung herausgearbeitet, um im Rahmen des Europäischen Kulturerbejahres (ECHY) 2018 mit Ausstellungen und Rahmenprogrammen für dieses Thema zu sensibilisieren.

Durch die breite Vermittlung konnte auch die regionale Identifikation mit der Heimat und das Bekenntnis zu einem europäischen Kulturerbe gefördert werden, das Menschen über Grenzen hinweg verbindet. Im Rahmen des u.a. durch das StMELF und LEADER geförderten ECHY-Projekt wurden in den fünf beteiligten Regionen vergleichende KLI-Projekte durchgeführt, die aufzeigten, dass die Steigerwaldregion durchaus einem europäischen Landschaftstypus zuzuordnen ist.

Cisterscapes – Cistercian landscapes connecting Europe 2019-2021

Blick auf einen Weiher, dahinter Wiese, dahinter WaldZoombild vorhanden

Abb. 3: Blick auf die Ebracher Weiherseen (Foto: T. Büttner)

Als weiteres Folgeprojekt ist zum 1. November 2019 ein transnationales LEADER- Kooperationsprojekt unter dem Titel »Cisterscapes – Cistercian landscapes connecting Europe« gestartet. Unter der Federführung des Landkreises Bamberg streben nun 18 Klosterlandschaften aus Deutschland, Frankreich, Tschechien, Österreich, Polen und Slowenien gemeinsam nach dem EKS.

Durch das Gemeinschaftsprojekt sollen grenzübergreifend kommunale, wissenschaftliche und bürgerschaftliche Netzwerke, Vermittlungs- und Bildungsmaßnahmen, übergreifende Marketing- und Managementkonzepte sowie eine länderübergreifende In-Wert-Setzung der Klosterlandschaften durch touristische Maßnahmen gefördert werden.

In den nächsten Jahren soll zum Beispiel ein 1.500 km langer Zisterzienserweg ent- stehen, der ausgewählte Klosterlandschaften in Europa von West nach Ost verbindet.

Neben der KLI im Steigerwald stellt das unter der Leitung von Dr. Birgit Kastner (Landratsamt Bamberg) überaus erfolgreich umgesetzte ECHY-Projekt den Ausgangspunkt für dieses transnationale LEADER-Kooperationsprojekt dar. Im Anhalt an die Untersuchungen von 2015 bis 2018 werden nun in allen 18 Partnerregionen vergleichbare KLI-Erhebungen durchgeführt. Die landschaftliche Prägung durch die Zisterzienser überdauert seit nunmehr über 900 Jahren den Wandel unserer Kulturlandschaft und ist bis heute identitätsstiftend.

Zusammenfassung

Der Bericht beschreibt zunächst die Hintergründe und die Ergebnisse der Kulturlandschaftsinventarisation (KLI) im Steigerwald. Die von 2015 bis 2016 durchgeführte KLI bildet eine wesentliche Grundlage für eine mehrfache erfolgreiche Anerkennung als immaterielles Kulturerbe sowie für die Beteiligung der Region an einem transnationalen LEADER-Projekt zur Erlangung des Europäischen Kulturerbe-Siegels.

Historische Formen der Wald- und Landbewirtschaftung durch die Zisterzienser finden sich in großen Teilen Europas und können als europäische Idee sowie als grenzüberschreitendes Kulturgut angesehen werden.

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Autoren

  • Luitpold Titzler
  • Thomas Büttner
  • Birgit Kastner