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Forschungs- und Innovationsprojekt
Zukünftige potentielle natürliche Vegetation (z-pnV) in Bayern: Ermittlung zukünftiger Standortfaktorenkonstellationen, die es bisher in Bayern nicht gibt (Projekt F 52)

Ein Flusslauf mit einem Felsen und einem Hügel

Die Erderwärmung schreitet ungebremst voran. Das Klima hat sich messbar und spürbar verändert. Die mittlere Jahrestemperatur am Hohenpeißenberg ist in den letzten 50 Jahren um 2,4°C gegenüber dem vorindustriellen Zeitraum (1781-1880) angestiegen. Die Dürre und Hitze des Jahres 20 18 hat dem Wald erheblich zugesetzt. Die Folgen des Klimawandels sind regional unterschiedlich ausgeprägt.

Wissenschaftler beobachten die Auswirkungen des Klimawandels schon länger (IPCC 2014). Waldbrandgefahr im Sommer, Trockenheit und Hitze, abnehmende Schneemengen im Winter sind Phänomene, die die Bevölkerung in Deutschland aktuell unmittelbar beobachtet und spürt.

Hintergrund

Der Klimawandel verändert natürliche Ökosysteme: Die wärmeliebende Stechpalme (Ilex aquifolium) hat ihr Areal in Europa nach Norden ausgedehnt. Die Flaumeichen (Quercus pubescens) verdrängen die Waldkiefern (Pinus sylvestris) im Wallis (RIGLING et al. 2006). Die Forstwirtschaft muss sich an diese Veränderungen anpassen (KÖLLING, 2014). MELLERT & GÖTTLEIN (2018) und MELLERT et al. (2018) konnten zeigen, dass vor allem auf basenarmen Standorten schon bei moderaten Temperaturerhöhungen mit gravierenden Folgen für die aktuellen Baumarten zu rechnen ist. Die extrem langen Planungszeiträume in der Forstwirtschaft erfordern daher belastbare, hochauflösende und langfristige Prognosen. Welchen Standortbedingungen werden die Bäume, die jetzt heranwachsen im Klimawandel ausgesetzt sein? Aber auch für die Landwirtschaft werden die Ergebnisse relevant sein, da auch die Anbaueignung der verschiedenen Feldfrüchte vom Standort abhängig sind.
Die Regionen Deutschlands sind in unterschiedlichem Maße vom Klimawandel betroffen.
Die potentielle natürliche Vegetation (pnV) ist ein bewährtes Werkzeug um komplexe Standortverhältnisse (d.h. die, die Ökosysteme beeinflussenden Umweltfaktoren) räumlich differenziert und komprimiert darzustellen. Karten der pnV zeigen aggregiert die räumliche Verbreitung der heutigen Standortfaktoren (TÜXEN 1956, HÄRDTLE 1995, FISCHER A. 2003, SOMODI et al. 2012, GUTIERRES 2018) und zukünftigen pnV, (FISCHER et al 2019).

Bisherige Arbeiten

An der Professur für Geobotanik der TU München wurde ein Computer-Modell entwickelt, welches es ermöglicht, die heutige pnV und die zukünftige pnV (unter unterschiedlichen Klimaszenarien) von ganz Bayern auf der Basis von Standortkarten (Boden, Relief und Klima) zu simulieren (Abb. 1, FISCHER et al. 2018, FISCHER et al. 2019).
Bayern und seine Bäume aktuell. Viel Buchen- und Buchenmischwald, an nasseren und trockeneren Standorten Eichen- und Eichenmischwald, an Flussläufen Erlen-Eschen-Ulmenwald, vereinzelt auch Edellaubwald, dazu etwas Moorwälder, in bergigen Regionen Tannen- und Fichtenwald sowie Latschengebüsch.

Abb. 1a: Momentane Bewaldung (Grafik: LWF)

Mit Erhöhung der Temperatur um 1 Grad würde sich der Buchenwald zugunsten von Eichenwald verabschieden

Abb. 1b: Bewaldung bei +1K (Grafik: LWF)

Bei Erhöhung um 2 Grad würden sich Buchen- und Eichenwälder zurückziehen, und es würden Gebiete entstehen, die mit den gerade heimischen Baumarten nicht mehr bepflanzt werden könnten

Abb. 1c: Bewaldung bei +2K (Grafik: LWF)

Abb. 1: Karte der heutigen a) und zukünftigen pnV von Bayern im Szenarium b) +1°C und c) +2°C.
Vanillegelb sind Flächen, in denen es wärmer ist wie der aktuell wärmste Punkt in Bayern (Legende siehe beiliegende Publikation Fischer et al. 2019, Fig. 7).
In diesem Projekt ist es erstmals gelungen die aktuelle und zukünftige pnV eines ganzen Landes (70 550 km2) in hoher Auflösung (50 m-Raster) auf der Basis von Standortkarten zu simulieren (Details s. FISCHER et al. 2019). Abb. 2 zeigt einen Detailausschnitt im Bereich der Altmühl. Klar ersichtlich ist, dass schon in einem moderaten Szenarium von +1°C an schwerwiegende Veränderungen der Standortbedingungen zu erwarten sind.

Eine topographische und zwei Baumartenkarten stehen nebeneinander. Es ist die Region des Altmühltals.

Abb. 2: Beispiel hochauflösender Simulation der pnV: Kartenausschnitt Altmühltal; heutige und zukünftige pnV (aus FISCHER et al 2019):
a) Topographische Karte (1:50.000); b) heutige pnV; c) Szenarium +1°C (Legende siehe beiliegenden Publikation Abb. 7).
Die Ergebnisse der Anwendung des Modells auf verschiedene Klimaszenarien zeigen, dass schon eine „moderate“ Temperaturerhöhung von 1-2°C dramatische Veränderungen in den Standortbedingungen und damit in den Rahmenbedingungen der Landnutzung bewirken. Die Karten der z-pnV zeigen wo in Zukunft welche Standortbedingungen herrschen werden, und zwar sowohl landesweit als auch regional und lokal. Die verdeutlichen Abb. 1 und 2. Die Arbeit wurde im März 2019 von der Hanskarl Goettling-Stiftung mit dem Forstlichen Förderpreis ausgezeichnet (Süddeutsche Zeitung 15. 3. 2019).

Im laufenden Projekt arbeitet Dr. Hagen S. Fischer an der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) an einer Erweiterung des pnV-Modells von Bayern. Ziel ist es, die Belastbarkeit der Prognosen für die Auswirkungen zukünftiger Klimaerwärmungen zu verbessern, indem die Trainingsstichprobe für das Modell um Punkte erweitert wird, in denen es heute bereits wärmer ist wie in den aktuell wärmsten Bereichen in Bayern (z.B. Süd-Frankreich, Italien; z.B. Eichen-Hainbuchenwälder, Flaumeichenwälder, Kastanienwälder, Schwarzkieferwälder).

Literatur

  • Fischer, H.S., Michler, B. & Fischer, A. (2018) Die zukünftige pnV Bayerns. Wie man sich Vorstellungen über die Standortsituation der Zukunft erarbeiten kann. LWF aktuell 2018(4): 46–49.
  • Fischer, H.S., Michler, B. & Fischer, A. (2019) High resolution predictive modelling of potential natural vegetation under recent site conditions and future climate scenarios: Case study Bavaria. Tuexenia 39: in Druck.
  • Gutierres F., Gomes P., Rocha J., Teodoro A.C. (2018) Spatially Explicit Models in Local Dynamics Analysis: The Potential Natural Vegetation (PNV) as a Tool for Beach and Coastal Management. In: Botero C., Cervantes O., Finkl C. (eds) Beach Management Tools - Concepts, Methodologies and Case Studies. Coastal Research Library, vol 24. Springer, Cham
  • IPCC (Ed.) (2014): Climate change 2014: impacts, adaptation, and vulnerability. Part B: regional aspects. Contribution of working group II to the fifth assessment report of the intergovernmental panel on climate change. – Cambridge University Press, Cambridge: 688 pp.
  • Kölling, C. (2014) Wälder im Klimawandel: Die Forstwirtschaft muss sich anpassen. In: Lozán, J. L., Grassl, H., Karbe, L. & G. Jendritzky (Hrsg.). Warnsignal Klima: Gefahren für Pflanzen, Tiere und Menschen. 2. Auflage. Elektron. Veröffent. (Kap. 5.11) - www.klima-warnsignale.uni-hamburg.de.
  • Mellert, K. H., Canullo, R., Tette, T., Ziche, D., Göttlein, A. (2018) Die klimatische Trockengrenze häufiger Baumarten hängt vom Bodennährstoffstatus ab. Schweiz. Z. Forstwes. 169,6: 323-331.
  • Mellert, K. H., Göttlein, A. (2018) Kommt ein Engpass bei der Baumartenwahl im Klimawandel? AFZ-DerWald 20: 30-33. (www.forstpraxis.de)
  • Merow, C., Smith, M. J. & Silander, J.A. (2013): A practical guide to MaxEnt for modeling spe-cies’ distributions. What it does, and why inputs and settings matter. – Ecography 36: 1058–1069.
  • Rigling, A., Dobbertin, M., Bürgi, M., Gimmi, U., Graf Pannatier, E., Gugerli, F., Heiniger, U., Polomski, J., Rebetez, M., Rigling, D., Weber, P., Wermelinger, B., Wohlgemuth, T. (2006) Verdrängen Flaumeichen die Walliser Waldföhren? WSL: Merkblatt für die Praxis 41. 17 S.
  • Wellbrock, N., Bolte, A. & Flessa, H. (eds.) 2016. Dynamik und räumliche Muster forstlicher Standorte in Deutschland. Ergebnisse der Bodenzustandserhebung im Wald 2006 bis 2008. Johann Heinrich von Thünen-Institut, Braunschweig.
Projektinformationen
Status: laufend
Projektleiter: Dr. Hans-Joachim Klemmt
Bearbeitung: Dr. Hagen S. Fischer
Laufzeit: 01.03.2018 - 31.10.2019
Durchführende Institution: Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft
Finanzierung: Kuratorium für forstliche Forschung, Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten